Esch 2022: Die im Bid Book aufgeführten Künstler müssen sich noch mal bewerben

Esch 2022: Die im Bid Book aufgeführten Künstler müssen sich noch mal bewerben

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Bei der Pressekonferenz zum Start der „Appels à projets“ vor rund zwei Wochen war es der „Elephant in the room“. Die Künstler, die bereits im Bid Book von Esch 2022 verewigt wurden, müssen erneut kandidieren. Dabei waren es ihre Projekte, die dazu beigetragen haben, dass die Jury dem Konzept zugestimmt hat. Diese Prozedur erscheint fraglich, wurde auf der Pressekonferenz aber mit betretenem Lächeln abgefertigt. Wir haben bei dem neuen Team und mehreren im Bid Book aufgeführten Künstlern nachgefragt.

Von Luc Laboulle und Jeff Schinker

Neben der notwendigen Neubewerbung, durch die bereits im Bid Book verewigten Künstler jetzt hindurch müssen, ärgern sich so manche Kulturschaffenden auch über die neue Finanzierungspolitik, laut der jeder Projektträger 50 Prozent seines Vorhabens selbst finanzieren soll.

Fragwürdige Vorgehensweise

Nadja Grizzo, die gemeinsam mit Hanns-Dietrich Schmidt und Neil Peterson als Beraterteam bei „Inside Track“ tätig ist, um Bewerberstädte auf den Kulturhauptstadt-Titel vorzubereiten, versteht durchaus, dass verschiedene Künstler jetzt skeptisch sind. „Die merken ja, wie verschiedene Prozesse instrumentalisiert worden sind, und haben jetzt vielleicht Angst, selbst auch instrumentalisiert zu werden.“

Grizzo meint zudem, die aktuelle Vorgehensweise würde absolut keinem Standardprozess entsprechen. „Das Bid Book ist der Vertrag, auf der die Auswahl der Jury basiert. Im Laufe des Monitorings wird sich die Jury sehr genau dafür interessieren, welche Projekte des Bid Books Bestand haben. Dass sich die bereits verpflichteten Künstler nochmal bewerben sollen, entspricht keinem Standard. Es ist eine sehr fragwürdige Vorgehensweise, das Team, das gewonnen hat, auszutauschen. Denn letztendlich dreht sich vieles um die Frage des intellektuellen Besitztums, das hinter dem Projekt steckt.“

Man versteht schon, dass die neuen Leiter – denen Nadja Grizzo keinen Vorwurf macht – ein unabhängiges Projekt starten möchten. Das Gefühl, in die Fußstapfen von jemand anderem zu treten, ist frustrierend, weil es die eigenen künstlerischen Freiheiten einschränkt und man riskiert, sich wie ein Dieb auf dem intellektuellen Terrain eines anderen vorzukommen.

Esch könnte Preisgeld nicht bekommen

„Aber ein Projekt wie eine Kulturhauptstadt ist nun mal kein Festival, wo man den Kuratoren wechseln kann und dann auch ein anderes Konzept entwickelt. Hier gibt es eine Bewerbung und die wird dann akzeptiert und kritisch begutachtet. Die Jury entscheidet sich klar auch nach Köpfen – denn darauf basiert ja das Vertrauen.“

Denn das Monitoring in Brüssel steht noch bevor. Auf dem Spiel stehen immerhin die 1,5 Million des Melina-Mercouri-Preises. „Ich komme wohl in Teufelsküche, wenn ich das jetzt sage. Aber letztendlich hat die Jury nur eine begrenzte Macht. Es kam noch nie vor, dass der Melina-Mercouri-Preis nicht vergeben wurde. Aber während des Monitorings wird sehr gut darauf geachtet werden, welche Elemente des Bid Books überlebt haben und welche nicht. Und wenn die neue Gruppe nicht plausibel machen kann, wieso dieses und jenes nicht im Bid Book fungiert – dann könnte Esch das Preisgeld nicht bekommen.“

Wie Nancy Braun gedenkt, dies zusammen mit Mosar zu lösen, lest ihr in unserem Interview. Grizzo und ihr Team werden auf jeden Fall, obschon dies ihrem normalen Modus Operandi entspricht, Esch 2022 nicht weiterhin begleiten: „Normalerweise ist es so, dass wir die Städte, denen wir zum Titel verholfen haben, auch helfen, den wesentlichen Schritt von der Theorie zur Praxis meistern – das ist besonders in den Monaten, nachdem die Jury ihre Zusage gab, wichtig. Es gibt Städte, da gibt es diese Notwendigkeit nicht, weil die so gut aufgestellt sind˜– wie im Falle der Escher Partnerstadt Kaunas, die wir ja auch begleitet haben. Bei Esch 2022 war das auch so geplant. Nachdem die entscheidenden Akteure abgesetzt wurden, haben wir keinen Kontakt mehr. Im April gibt es das große Treffen der ECOC-Familie in Galway (Irland). Da werden wir die neue Gruppe wohl auch treffen. Aber – und das soll jetzt nicht als Kritik an den neuen Koordinatoren gelten – wegen der Art, wie da politisch entschieden wurde, Janina Strötgen und Andreas Wagner abzusägen, möchten wir aus Protest das Projekt nicht weiter begleiten.“

 

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