Bettel, Wiseler, Schneider: Wie sie als Premierminister regieren würden

Bettel, Wiseler, Schneider: Wie sie als Premierminister regieren würden

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Xavier Bettel, Claude Wiseler, Etienne Schneider. Drei Politiker, drei Charaktere, drei Stile. Ein Einblick in die Arbeitsweisen der Anwärter auf das Staatsministeramt.

Wenn Xavier Bettel morgens zur Arbeit kommt, begrüßt er zunächst jeden seiner Mitarbeiter. Mit Küsschen, mit einem Lächeln und gelegentlich auch mit Schnittchen. Dann wird gequatscht. Über die letzte Folge der Netflix-Serie „How to get away with murder“, über den Bekannten, der im Supermarkt seine Tüte vergessen hat, über das letzte Treffen mit Stéphane Bern. An seinen Bürotisch setzt Bettel sich zunächst gar nicht erst.

Irgendwann reicht ein Mitarbeiter ihm ein Dossier. Bettel nimmt es in beide Hände, schlägt es aber nicht auf. Er will nur die mündliche Zusammenfassung vom Mitarbeiter hören. Nach einer Minute unterbricht Bettel, er müsse nun leider telefonieren. Der Mitarbeiter wisse doch am besten, was zu tun sei, und reicht ihm das Dossier zurück. Menschen, die mit Xavier Bettel gearbeitet haben, bezeichnen ihn als charmanten Chef. Jemand, der sich nicht im Ton vergreift, der jeden zu Wort kommen lässt und sich auch für die persönlichen Biografien der Mitarbeiter interessiert. Doch Bettel habe auch Schwächen. Er interessiere sich weder für Dossiers noch für Details. Und er könne sich nicht lange auf Sachverhalte konzentrieren.

Als er seine erste Rede zur Lage der Nation halten sollte, musste sich sein Kabinettschef mit ihm in ein Büro einsperren, um den Text zu üben. Nach wenigen Minuten wollte sich Bettel jedoch bereits verabschieden: Er müsse nun zum „Duck Race“. Ein enger Vertrauter bezeichnet Bettel deshalb als „Litti“. Als Leichtgewicht, der durch Zufall Premier wurde und in den Tag hinein lebt. Doch zu seinen Stärken gehört, dass sich Bettel seiner Schwächen bewusst ist. Er besitzt das politische Geschick, sich Handlanger zur Seite zu stellen. Politische Leutnants, von manchen auch „Bulldozer“ genannt, die ihm die schwierigen Entscheidungen abnehmen und durchgreifen, ohne dass Bettels Weste befleckt wird.

Wenn Xavier Bettel weiter Premier bleiben soll, wird er wohl wenig an diesem Stil ändern. Er wird weiterhin den charmanten Moderator geben und durch den Alltag schlendern.

Der Herausforderer

Wenn Claude Wiseler morgens zur Arbeit kommt, setzt er sich sofort an seinen Bürotisch. Er nimmt sich das dicke Dossier auf der linken Seite seines Büros und studiert es ausführlich. Auch die Details und die Fußnoten. Er macht sich Notizen mit seinem Markenfüller in seine Agenda aus Leder. Am Schluss wägt er ab, schiebt das Dossier auf die rechte Seite des Bürotischs. Und trifft keine Entscheidung. Menschen, die mit Claude Wiseler gearbeitet haben, beschreiben ihn als äußerst manierlichen und freundlichen Chef. Jemand, der sich akribisch in Themen einarbeitet, der sich auch für die Meinungen und Einschätzungen seiner Mitarbeiter interessiert und sogar für deren persönliche Anliegen. Wiseler will niemanden vor den Kopf stoßen und gilt als absolut loyal gegenüber seiner Partei und Vertrauten.

Allerdings wird ihm eine Schwäche nachgesagt. Eine Schwäche, die Mitarbeiter auch schon zur Verzweiflung gebracht hat. Wiseler hadert. Er zögert Entscheidungen hinaus. Im Wahlkampf hat Etienne Schneider darauf angespielt. Niemand könnte sich noch daran erinnern, dass Wiseler bereits zehn Jahre Minister war, so Schneider flapsig. Wiseler sei kein Leader.

Das ist natürlich eine Übertreibung. Aber dennoch: Erinnerungen sind nur die Summe unserer Entscheidungen, heißt es aus Psychologie und Gedächtnisforschung. Unabhängig, ob falsche oder richtige Entscheidungen. Alles andere bleibt blass. Wiseler schreckt allerdings genau davor zurück. Er wartet. Und selbst wenn er sich zu einer Entscheidung durchgerungen hat, kann es sein, dass er sie noch mal revidiert. Es könnte ja die falsche Entscheidung sein. Mit einem Premier Wiseler sind also keine großen Sprünge zu erwarten. Keine Alleingänge. Keine Experimente. Doch seine konziliante Art wird sich im Konsensmodell Luxemburg auch auszahlen. In Reden zur Lage der Nation werden sich alle wiederfinden, selbst die Opposition.

Der Anwärter

Wenn Etienne Schneider sich morgens zur Arbeit fahren lässt, hat er schon seine Mails im Auto gelesen. Er begrüßt die Mitarbeiter seines Ministeriums mit einem kräftigen „Moien“, das alle mitbekommen. Auf seinem Schreibtisch liegen mehrere Dossiers. Er kennt noch nicht die Details, hat aber schon eine Entscheidung getroffen. Er liest sie trotzdem durch. Aber selten revidiert er seine Entscheidung, die er bereits instinktiv getroffen hat.

Menschen, die mit Etienne Schneider gearbeitet haben, bezeichnen ihn als akribischen Workaholic. Als jemand, der sich einer Sache hingibt, selten zögert oder hadert und stets ein positives Ende vor Augen hat. Er besitze ein hohes Improvisationstalent, könne schnell aus einigen Stichwörtern von Ministerkollegen oder Mitarbeitern eine stichhaltige Rede zusammenschustern. Schneiders Optimismus soll mitreißen und Menschen in seinem Umfeld motivieren. Man müsste hingegen bei Schneider eher auf die Bremse treten, ihn vor seinem eigenen Taten- und Entscheidungsdrang schützen.

Denn genau hierin liegt die Schwäche von Schneider: Er wagt gelegentlich zu schnell. Tritt ins Fettnäpfchen oder ignoriert mögliche Gefahren oder Gegengefechte. Allerdings hat Schneider davor auch keine Angst. Wenn sich ein Szenario unerwartet entwickelt, improvisiert er halt. Wenn er irrt, einen Fehler begeht, dann steht er eben dazu. In Panik gerät er nie. Etwas überraschend hat Schneider allerdings seinen Fehler zu den falschen Steuerzahlen der Joghurtfabrik „Fage“ seinen Mitarbeitern in die Schuhe geschoben. Bereits jetzt gilt Schneider als „Schattenpremier“. Wenn er Staatsminister werden soll, wird er die Regierung dominieren und ein Politiker mit starker Hand sein. Mit Schneider als Premier geht es voran.