Vom kleinen „Club“ der Enthusiasten zum Global Player

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44 Millionen geflogene Kilometer oder 1.102 Mal die Welt umrundet: Zahlen wie diese verkündet der Chef der Luxembourg Air Rescue (LAR) René Closter (65) gerne. Die Flugzeuge und Helikopter mit dem markanten Logo sind weltweit bekannt und retten seit 30 Jahren Menschenleben überall auf der Welt. Diese Entwicklung war im Gründungsjahr 1988 nicht abzusehen.

Tageblatt: Als die Luxembourg Air Rescue 1988 gegründet wurde, waren nicht viele begeistert …

René Closter: Stimmt. „Ein Hubschrauber in Luxemburg? Nur über unsere Leiche“, hieß es damals. Und die Politiker haben mit dem Verweis „das Ganze ist viel zu teuer“ abgewinkt. Typisch luxemburgisch … Hier wird eine neue Idee oft erst belächelt, dann bekämpft – und wenn es was wird, dann war es jeder.

Sie haben es trotzdem gemacht.

Ich werde oft als „sturer Glatzkopf aus dem Ösling“ bezeichnet. Wahrscheinlich trifft das zu (lacht). Meine Mitstreiter, Feuerwehrmänner und Ärzte, und ich fanden Luftrettung angesichts der Tatsache, dass Luxemburg keine Uni-Klinik hat, absolut notwendig. Den ersten Hubschrauber haben wir bei den deutschen Kollegen samt Pilot gemietet. Heute besteht die Flotte aus sechs Hubschraubern und fünf Flugzeugen.

Sie hätten ja aber auch wegschauen können. Stattdessen sind Sie Unternehmer geworden …

Ich will etwas bewegen. Außerdem ist jeder von uns nicht nur verantwortlich für das, was er tut, sondern auch für das, was er nicht tut.

Sie haben 14.000 Einsätze hinter sich, Sie waren lange Zeit der einzige Hubschrauberpilot in Luxemburg. Gibt es einen Einsatz, der im Gedächtnis hängen bleibt?

Pakistan, das Erdbeben. Da bin ich von Islamabad in den Himalaya geflogen und für ein, zwei Minuten leistete uns ein Adler Gesellschaft. Er flog neben uns her. Das war wunderschön. Und das Erdbeben im Iran. Da lagen Tausende von Leichen am Flughafen, als wir ankamen. Das war ein Schock.

Was ist der „Spirit“ der Air Rescue?

Menschen in Not durch Hubschrauber und Ambulanzflugzeuge zu helfen – sieben Tage, 24 Stunden, rund um die Uhr. Dahinter muss alles zurückgestellt werden. Die Patienten sind unsere „Raison d’être“.

Ändert sich die Sicht auf die Welt, wenn man im Rettungsdienst arbeitet?

Man muss die Abgründe des zwischenmenschlichen Seins ertragen können. In diesem Beruf sieht man alles. Morgens ist es ein Selbstmord und mittags eine Geburt. Zwischen diesen beiden Extremen spielt sich der Beruf ab und man weiß nie, was der nächste Moment bringt. Das ist aber auch das Schöne daran.

Warum sind Sie bei der Reorganisation des Rettungswesens nicht eingebunden worden?

Das braucht es nicht, denn es betrifft uns nicht. Wir sind fest verankert und die Zusammenarbeit ist exzellent.

An der Air Rescue ist ja auch kein Vorbeikommen mehr. Sie ist ein Global Player …

Wir fliegen um die ganze Welt. Der Großherzog hat mal gesagt, die Air Rescue ist der beste Botschafter für Luxemburg. Neben dem Rettungswesen machen wir ja noch viele andere Dinge. Das komplette Organspendewesen Frankreichs wird hier bei uns gemanagt. Wir sind bei „Frontex“ beteiligt und helfen in Italien bei der Flüchtlingsüberwachung. Im Auftrag der luxemburgischen Armee führen wir sämtliche anfallenden Repatriierungen von NATO-Angehörigen durch. Und wir fliegen Hilfseinsätze für die luxemburgische Regierung.

Hätten Sie damals gedacht, dass es so weit kommt?

Nein. Aber ich bin stolz. Die Air Rescue steht für fantastische Menschen, die hier zusammenarbeiten. 175 hochloyale Mitarbeiter, 35 Millionen Jahresumsatz und 735.000 Euro staatliche Förderung … Aus dem kleinen „Club“ von damals ist ein mittelständischer Betrieb mit humanitärer Ausrichtung geworden.


Die LAR in Zahlen (2017)

  • 1.682 Hubschrauber- einsätze
  • 811 Flugzeugeinsätze in über 80 verschiedenen Ländern
  • 800 Einsätze für Organspenden (für France transplant)
  • 1.000 Hubschrauber-Rettungseinsätze im Saarland und in Rheinland-Pfalz
  • 185.000 Menschen sind Mitglied der LAR
  • 175 Mitarbeiter aus 10 verschiedenen Ländern
  • Budget: 35 Millionen Euro
  • Zuschüsse: 2017 waren es 665.000 Euro, ab 2018 belaufen sie sich auf 735.000 Euro

Organtransporte

Seit 2013 werden alle französischen Organtransporte (außer Paris) über das Control Center der LAR koordiniert und ausgeführt. Gemeinsam mit einem Partner in Frankreich werden ca. 1.300 Einsätze im Jahr geflogen. Der Geschäftsbereich macht einen Anteil von 7 Prozent am Gesamtumsatz aus.


Frontex

Im Auftrag der luxemburgischen Regierung unterstützt die LAR die „Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache“ (Frontex) bei der Sicherung der Außengrenzen der EU in Italien. Sie macht das seit zwei Jahren.


Katastrophenhilfe

Seit 2003 gehören humanitäre Einsätze bei Katastrophen zum Angebotsspektrum der LAR. In dem Jahr erfolgte der erste Einsatz auf Anfrage des luxemburgischen Außenministeriums mit zwei Ambulanzjets im Iran. Nach der Tsunami-Katastrophe 2005 fliegt die Air Rescue ein eigenes medizinisches Team in das von der Flutwelle betroffene Gebiet in Thailand, um Hilfe zu leisten.

Nach dem Erdbeben im pakistanischen Kaschmir-Gebiet 2005 fliegt der Air-Rescue-Hubschrauber 925 Einsätze, bei denen 2.112 Patienten und 20 Tonnen Hilfsgüter in dem Gebiet transportiert werden.