Zu viel Hermelin für Polens Geringverdiener

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Von unserem Korrespondenten Jens Mattern

Der polnische Staat hat für 100 Millionen Euro die Kunstsammlung der Adelsfamilie Czartoryski gekauft, darunter da Vincis „Dame mit Hermelin“. Zu viel für die Anhänger der nationalkonservativen Regierung, die angetreten war, den arroganten Eliten das Handwerk zu legen.

Wo schaut sie nur hin, die Dame mit dem Hermelin? Der Blick der von Leonardo da Vinci 1490 porträtierten Cecilia Gallerani gibt den Betrachtern seit Jahrhunderten Rätsel auf. Fest steht heute, dass viele polnische Betrachter mit Wut auf das Ölgemälde schauen. Denn Kulturminister Piotr Glinski hatte es zusammen mit 80.000 weiteren Kunstobjekten und 250.000 Büchern von Fürst Adam Karol Czartoryski für 100 Millionen Euro (120 Millionen Franken) erworben.

Bevölkerung ist gegen den Kauf

Das Bild wie auch weitere Objekte waren im Czartoryski-Museum in Krakau der Öffentlichkeit zugänglich. Die Argumentation von Kulturminister Glinski, die Sammlung sei gefährdet gewesen, konnte bislang nicht wirklich untermauert werden. Nach geltendem Recht habe die Familie nicht die Möglichkeit, die Sammlung der Czartoryski-Stiftung außer Landes zu bringen, so die Erklärung von Marian Wolski, dem ehemaligen Leiter der Stiftung. Darum liegt der Vorwurf in der Luft, die Millionen seien unnötigerweise aufgewendet worden, wenn es auch Schätzungen gibt, die die Sammlung auf zwei Milliarden Euro taxieren.

Nach Umfragen begrüßten lediglich 32 Prozent der Befragten den Kauf. „Viele Polen glauben, dass man das Geld eher für das Gesundheitswesen ausgeben sollte“, sagte der Politologe Rafal Chwedoruk, der ein wenig arrogant zudem die Ablehnung mit der bäuerlichen Herkunft der polnischen Gesellschaft erklärte.

Umstrittene Transaktion

Das Bild, das den Beginn der realistischeren Renaissance-Malerei dokumentiert, hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Es wurde 1800 von dem polnischen Adelsgeschlecht Czartoryski erworben und wurde beim polnischen Aufstand gegen die Zarenherrschaft aus Ostpolen nach Paris gebracht. Etwa 1880 kam es nach Krakau in das Museum der Familie Czartoryski. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es aus Bayern zurück in die verstaatlichte Sammlung nach Krakau ins sozialistische Polen. Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks gab der Staat Polen den Czartoryskis, die in Rom residieren, ihre Sammlung wieder zurück, die ab 1991 durch die Czartoryski-Stiftung verwaltet wurde, die eng mit dem Kulturministerium kooperierte.

Laut Wolski habe es im Jahr 2016 Versuche des Fürsten gegeben, sich mit dem Kulturminister in Sachen Zukunft des Museums zu treffen, beide konnten sich jedoch nicht über den Ort der Begegnung einigen. Der Fürst befürchtete eine heimliche Aufnahme des Gesprächs. Darauf soll Glinski die Entscheidung getroffen haben, die Sammlung zu kaufen, da sie „gefährdet“ sei. Das Gemälde da Vincis gilt als das kostbarste Kunstobjekt in Polen. Angesichts der Transaktion trat der Kunsthistoriker von der Stiftung zurück und fordert nun, dass die Millionen, die mittlerweile nach Liechtenstein transferiert wurden, wieder nach Polen zurückfließen müssen.

Affäre schadet der PiS

Fürst Adam Karol Czartoryski erklärte wiederum gegenüber den spanischen Medien, der Kulturminister habe ihn zum Verkauf gezwungen, da die Sammlung sonst vom polnischen Staat zwangsenteignet worden wäre. Auch liefert sich der Fürst gerade eine Schlammschlacht mit seiner Tochter, der er unterstellt, sie wolle für sich Gelder abzweigen.

Diese Affäre schadet dem Ansehen der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) beträchtlich. Sie hatte im Herbst 2015 die Wahlen unter anderem mit einer Donald Trump ähnlichen Kampfansage an das arrogante Establishment gewonnen und angekündigt, die Würde der „gewöhnlichen Polen“ wieder zurückzugewinnen. Gerade wird das Parlament Sejm von verzweifelten Eltern mit ihren geistig behinderten Kindern belagert, die mehr Unterstützung verlangen. Die Regierung unter Premier Mateusz Morawiecki gerät so in Gefahr, selbst zur Verkörperung der volksabgewandten Elite zu werden.