Das Luxemburger Modell

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Die Bekämpfung der Zwangsprostitution soll gesetzlich verstärkt werden. Der Gesetzentwurf beschäftigt am Dienstag erneut das Parlament.

Der Begriff ist Teil des politischen Sprachgebrauchs geworden. Das Luxemburger Modell, seinerzeit Synonym für die Ausarbeitung sozialpartnerschaftlicher Lösungen wirtschaftlicher und sozialer Probleme von nationaler Tragweite, findet immer häufiger außerhalb dieses engen Rahmens Anwendung. Von einem Luxemburger Modell könnte man etwa bei der Besteuerungspraxis großer internationaler Unternehmen reden, Stichwort LuxLeaks. Oder bei der halbherzig erfolgten Trennung von Kirchen und Staat.

Ein „Luxemburger Modell“ soll es nun auch in Sachen Bekämpfung von Zuhälterei und Prostitution geben. Weder ein reglementarisches Regime, das die Prostitution zwecks Kontrolle gesetzlich umrahmen, noch ein „abolitionistisches“ Regime, das eher die Zuhälter als die Prostituierten bestraft, oder ein „prohibitionistisches“ System, das die drei Parteien vor Gericht zerren würde, wünschte sich die Dreierkoalition. Luxemburg habe ein „abolitionistisches“ Regime, ausgestattet mit einem gewissen Regelwerk, heißt in der Begründung des Gesetzentwurfs, das demnächst in öffentlicher Parlamentssitzung zur Debatte steht. Derzeit wird die Zuhälterei verboten, Prostitution jedoch geduldet. Dabei soll es auch in Zukunft bleiben.

Ein Modell für Luxemburg 

Strategie der Regierung sei ein Luxemburger Modell, so das Gesetzprojekt, das bereits im Juni 2016 deponiert worden ist. Der Entwurf unterscheidet zwischen „freiwilliger“ und Zwangsprostitution. Letztere soll verstärkt bekämpft werden. Auf dieses Grundprinzip hatte man sich bereits im Koalitionsabkommen von Dezember 2013 verständigt.

Die Regierung werde einen gesetzlichen Rahmen für die nicht erzwungene Prostitution ausarbeiten und den Schwerpunkt auf die Hilfestellung für die Prostituierten legen, damit sie nicht in die Illegalität abrutschen, hieß es da.

Das neue Gesetz, das laut Berichterstatterin Josée Lorsché („déi gréng“) im Februar im Parlament angenommen wird, ist Teil des Nationalen Aktionsplans Prostitution, der im Juni 2016, zeitgleich mit dem Depot des Gesetzentwurfs, vorgestellt worden ist. Der Plan sieht unter anderem eine bessere medizinische und soziale Versorgung der Prostituierten vor und Maßnahmen, die den Interessierten den Ausstieg aus der Prostitution erleichtern sollen.

Änderungen im Strafrecht

Nachdem bereits vergangene Woche der Justizausschuss letzte Details am Projekt erörtert hatte, trifft sich am Dienstag der Parlamentsausschuss Gesundheit, Chancengleichheit und Sport. Änderungen am Gesetzprojekt dürfte es keine geben, da der Entwurf in den Zuständigkeitsbereich von Justizminister Felix Braz („déi gréng“) fällt. Aber Diskussionsergebnisse könnten sich unter Umständen in ihrem Bericht niederschlagen, so Josée Lorsché, die beiden Ausschüssen angehört. Anders als ursprünglich geplant, hält der Gesetzentwurf allein strafrechtliche Änderungen fest. Soziale Begleitmaßnahmen und andere, im nationalen Plan Prostitution vorgesehene Hilfen wurden nicht integriert.

Das derzeit vorliegende Projekt führt ein neues Kapitel im Strafgesetzbuch ein. Es präzisiert, in welchen Fällen der Freier bestraft wird. Was etwa der Fall ist, wenn der Sexualpartner minderjährig ist, gegen seinen Willen zum Sex gezwungen wird oder sich in einer anderen Notlage befindet. Bestraft wird ebenfalls, wer ein Bordell oder ein anderes Etablissement besucht, in dem Zuhälter ihr Unwesen treiben. Dem Freier drohen eine Gefängnisstrafe zwischen acht Tagen und sechs Monaten sowie eine Geldstrafe zwischen 251 und 50.000 Euro.

Frei bis fünf Jahre Gefängnis 

Eine weitere Neuerung führt der Gesetzentwurf mit der Bestrafung jeder Person, welche einer anderen den Reisepass wegnimmt, um sie zur Prostitution zu zwingen. Angedrohtes Strafmaß hier: drei bis fünf Jahre Haft und eine Geldstrafe von 10.000 bis 50.000 Euro.

Meinungsverschiedenheiten gab es im Parlamentsausschuss Justiz, der sich Anfang Januar mit dem Gesetzentwurf befasste, bei der Frage, unter welchen Bedingungen die Polizei in Privathäuser, Hotels, Bars und möblierten Wohnungen eindringen kann, wo begründete Verdachtmomente für Zuhälterei und Prostitution vorliegen.

Mehr Macht für die Kripo

Dem Projekt zufolge reicht die Anordnung des zuständigen Staatsanwalts. Das weite die Befugnisse der Kriminalpolizei allzu stark aus, kritisierte unter anderen der CSV-Abgeordnete Gilles Roth im Justizausschuss, insbesondere wenn die Beamten in Hotels und Bars eindringen wollen. Seiner Ansicht nach dürfe derlei Eingriff nur auf richterlichem Beschluss hin erfolgen.

Der Einspruch erstaune, sagte uns die Präsidentin des Justizausschusses Josée Lorsché gestern. Die Kriminalpolizei sei bereits heute berechtigt, in Privaträume einzudringen. Mit dem Projekt wollte man die Eingriffsmöglichkeiten lediglich präzisieren.

Es dürfte demnach bei der vorliegenden Entwurfsfassung bleiben. Die vom Staatsrat beanstandeten Textstellen waren bereits zuvor überarbeitet worden.

 

Das „Njet“ der Menschenrechtler

Den Gesetzentwurf der Regierung sieht die Beratende Menschenrechtskommission lediglich als ersten Schritt in Richtung Verbot der Prostitution. Wie andere Vereinigungen und Institutionen war auch die CCDH mit einem Gutachten zum Gesetzprojekt befasst worden.
Die Regierung unterscheide weiterhin zwischen „freiwilliger“ und Zwangsprostitution. Dabei sei offensichtlich, dass sich eine unbedeutende Minderheit der Personen freiwillig prostituieren würde, so die Kommission. Ungenau bleibt ihr zufolge, wann der Freier zur Rechenschaft gezogen werden kann. So muss dem Kunden nachgewiesen werden, dass er die Sexdienste einer Person in Anspruch nahm, wissend, dass diese sich in einer Notsituation befand.

Niemand könne die Tatsache verneinen, dass Prostitution und die einhergehende Gewalt den Werten widersprechen, für die Luxemburg einsteht, so die CCDH. Deshalb müsse die Prostitution als „gesellschaftlich unannehmbar“ eingestuft werden. Statt sie weiterhin zu tolerieren, müssten Mittel und Wege gefunden werden, um sie zu reduzieren oder gar zu beseitigen. Konkret schlägt die Kommission unter anderem die Bestrafung des Kunden vor. Eine wirksame Exit-Strategie soll den sich prostituierenden Personen den Ausstieg erleichtern. Sexualerziehung in den Schulen soll Kindern und Jugendlichen Respekt vor dem anderen und die Anerkennung der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau vermitteln.

Letzte Bastion männlicher Dominanz

Auf wenig Gegenliebe stößt der Gesetzentwurf beim Nationalen Frauenrat Luxemburgs. Der Entwurf spreche weiterhin von „freiwilliger“ und Zwangsprostitution, übersehe dabei das Wesen selbst des Prostitutionssystems, so der CNFL in seinem Gutachten. Die Prostituierten seien die einzigen Opfer dieses Systems. Das System sei mit dem Respekt ihrer leiblichen und psychischen Integrität unvereinbar. Das sollte endlich anerkannt werden.

Und weiter: Es sei inakzeptabel, weiterhin zu verneinen, dass das Prostitutionssystem eine der durch und durch letzten Bastionen männlicher Dominanz sei. Und Luxemburg verbleibe bei dieser Negation.

Anders die Tonlage im Gutachten des „Centre pour l’égalité de traitement“. Abgesehen von einigen sprachlichen Ungenauigkeiten hat es keine Bedenken am Gesetzentwurf.

Modelle

Frankreich hat im April 2016 den Besuch von Prostituierten unter Strafe gestellt. Der Kauf sexueller Dienstleistungen verletze die Menschenwürde, begründete die damalige Ministerin für Chancengleichheit und Frauenrechte Laurence Rossignol. Frankreich ist das vierte europäische Land, in dem die Freier bestraft werden. Die als skandinavisches Modell bekannte Praxis war erstmals in Schweden eingeführt worden. Ihr folgten Norwegen, Island und Großbritannien.

In Deutschland hingegen ist Prostitution erlaubt und gesetzlich geregelt. So müssen Freier Kondome nutzen. Die Prostituierte müssen sich einer jährlichen Gesundheitsberatung unterziehen. Bordellbetreiber müssen bestimmte gesetzliche Auflagen erfüllen. Auch in Belgien steht Prostitution nicht unter Strafe, Zuhälterei wohl.