Als der Geheimdienst sterben sollte

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Mancher Gesetzesvorschlag und -entwurf wartet seit Jahren darauf, von den Parlamentariern wach geküsst zu werden. Auf der Liste stehen auch Vorschläge von Politikern, die längst schon die Abgeordnetenbank verlassen haben./Lucien Montebrusco

Manchmal kann es ganz schnell gehen. Als im Frühjahr 2006, mitten in der heißen Phase der Übernahmeschlacht zwischen Mittal Steel und Arcelor, eine EU-Direktive über Firmenübernahmen umgesetzt werden musste, wurde nicht lange gefackelt. In nur wenigen Wochen war das Gesetz durchs Parlament.
Andere Gesetzesentwürfe haben da weniger Glück. In Geduld üben muss sich auch so mancher Abgeordneter, der sein Mandat allzu ernst nahm und einen Gesetzesvorschlag unterbreitete. Den wenigsten Vorschlägen, vor allem aus Oppositionskreisen, ist ein glückliches Ende beschieden. Eine seltene Ausnahme machte der 2002 formulierte Vorschlag der Abgeordneten Lydie Err (LSAP) und Jean Huss („déi gréng“) über die Sterbehilfe, der im Februar in erster Lesung das Parlament passierte. Oder der Gesetzesvorschlag von Paul-Henri Meyers über die Reduzierung der Kandidaten bei den Europawahlen auf sechs pro Liste, der vor der Sommerpause bei der Abänderung des Wahlgesetz berücksichtigt worden ist
27 Projekte auf der Liste der Gesetzesentwürfe des Parlaments stammen noch aus vergangenen Legislaturperioden. Der älteste Entwurf wurde bereits im März 1986 deponiert. Sein Thema: die Reglementierung des Streikrechts bei der nationalen Eisenbahngesellschaft. Eingereicht wurde es vom damaligen Transportminister Marcel Schlechter. Notwendig sei der legislative Schritt, weil sich das 1979 verabschiedete Gesetz über die Arbeitsniederlegung im öffentlichen Dienst nicht auf das Eisenbahnpersonal beziehe, heißt es in der Begründung. Das Streikrecht mittels Ausführungsbestimmungen regeln sei verfassungswidrig. Es müsste ein Gesetz sein. Das Projekt verbietet einzelnen leitenden Angestellten die Arbeitsniederlegung.
Nur 14 Jahre lang schlummert der Gesetzesentwurf über die Teilung der Pensionsrechte zwischen ehemaligen Ehepartnern nach der Scheidung, das sogenannte Rentensplitting, in den Parlamentsschubladen. Eine Forderung, der sich der nationale Frauenrat eigenen Aussagen zufolge in den kommenden Monaten intensiver widmen will.

Jugendsünden

Während die Regierung Gesetzesentwürfe vorlegt, deponiert der Parlamentarier seinen Gesetzesvorschlag. Die Aussicht auf eine zügige Umsetzung ist jedoch meist gering und so mancher Volksvertreter weiß wohl in der Zwischenzeit nicht mehr so genau, was er so alles in früheren Jahren gefordert hat.
Der älteste, noch aufgelistete Textvorschlag stammt aus dem Jahr 1990. Autoren sind der heutige grüne Fraktionschef François Bausch und sein Parteikollege Jean Huss. Darin fordern beide die ersatzlose Streichung des Gesetzes vom 30. Juli 1960. Dieses bildete die gesetzliche Grundlage für die Schaffung des Geheimdienstes, welcher dem Staatsminister unterstellt wurde. Das Gesetz sei verfassungswidrig und widerspreche in wesentlichen Punkten der Europäischen Menschenrechtscharta, begründen die Abgeordneten ihren Vorstoß.
In der Zwischenzeit wurde der Geheimdienst grundlegend reformiert und der parlamentarischen Kontrolle unterstellt. Mitglied des Parlamentsausschusses sind alle Fraktionsvorsitzenden, u.a. auch Bausch. Dennoch bleibt der Gesetzesvorschlag auf der To-do-Liste der Abgeordnetenkammer.
Aktueller, obwohl bereits 1992 eingereicht, ist der Vorschlag des ehemaligen DP-Abgeordneten Henri Grethen. Darin schlug der liberale Parlamentarier vor, den Verwaltungen eine dreimonatige Frist einzuräumen, um Gesuche der Bürger abzulehnen. Nach dem Ablauf dieses Zeitraums könnten die Antragsteller davon ausgehen, dass ihrem Antrag zugestimmt wurde.
Insgesamt stehen noch 112 Gesetzesvorschläge zur Bearbeitung an. 38 wurden vor dem Jahr 2000 deponiert.
Dabei muss die Liste der nicht abgehakten Gesetzesprojekte bzw. -vorschläge nicht unendlich fortgesetzt werden. Die Regierung kann ihre Projekte jederzeit zurückziehen. Dazu reicht sie dem Parlament einen großherzoglichen Erlass über den Rückzug des Projekts ein. Das komme durchschnittlich einmal im Jahr vor, sagte uns Claude Frieseisen, Generalsekretär der Abgeordnetenkammer. Das sei der Fall, wenn das Projekt überarbeitet werden müsse oder nicht mehr aktuell sei.
Lediglich bei den Gesetzesvorschlägen der Abgeordneten entscheidet das Parlament eigenmächtig darüber, ob es die Altlast noch weiter mitschleppen will. Die Regeln dazu werden in Artikel 66 des Parlamentsreglements beschrieben.

Janis-Joplin-Stiftung

In erster Linie hat der Autor des Vorschlages darüber zu befinden, ob sein Text von der Liste gestrichen wird. Wurde der Politiker jedoch nicht mehr wiedergewählt, entscheidet die Fraktion, der er zuvor angehörte. Besteht die politische Gruppe ebenfalls nicht mehr, befasst sich die Konferenz der Fraktionspräsidenten mit der Frage. Schließlich kann ein anderer Abgeordneter den Vorschlag übernehmen. Nicht aus der Vorschlagsliste gestrichen werden kann der Text nach der ersten Lesung im Parlament. Das ist der Fall für den Err-Huss-Vorschlag zur Sterbehilfe.
Einmal im Jahr erinnert das Generalsekretariat des Parlaments die Fraktionsvorsitzenden an die vorhandenen Gesetzesvorschläge und fragt, ob sie weiterhin aufgelistet bleiben sollen.
Besondere Eile legen die Abgeordneten mit der Rücknahme veralteter Vorschläge nicht an den Tag. Demnach hat noch kein einziger Text an Aktualität eingebüßt. So auch die Vorschläge des ehemaligen Grünen-Abgeordneten Robert Garcia von 1996, eine „Cité de laction culturelle, du livre et de la musique“ in den Bonneweger Rotunden zu schaffen und dank staatlicher Bezuschussung eine Stiftung zur Förderung der Rockmusik ins Leben zu rufen, eine Stiftung, die nach der Rocklegende Janis Joplin benannt würde.
Ob die CSV-LSAP-Regierung heimliche Altrocker zählt, werden wir vielleicht bis Ende der Legislaturperiode feststellen können.