Spanien steht ein beispielloser Prozess bevor: Die Infantin Cristina, Schwester von König Felipe VI. und Nummer sechs in der spanischen Thronfolge, muss wegen Steuervergehen in Millionenhöhe auf der Anklagebank Platz nehmen. Nachdem Ermittlungsrichter José Castro am Freitag einen Einspruch der Verteidigung gegen die Anklage vom 22. Dezember abgelehnt hat, steht dem Prozess nichts mehr im Wege. Somit ist Cristina die erste direkte Verwandte eines spanischen Königs, die sich wegen eines Finanzskandals vor Gericht verantworten muss.
In der zweiten Jahreshälfte soll es auf Mallorca soweit sein. Cristina, die in eine Affäre um Ehemann Iñaki Urdangarin verwickelt sein soll, drohen acht Jahre Haft.
Kaum Mitleidsbekundungen
Auch wenn die Anwälte der 49-Jährigen am Freitag erneut die Unschuld ihrer Mandantin beteuerten: Mitleidsbekundungen gab es nach Bekanntgabe der Nachricht in Spanien kaum. Im Gegenteil. Die Nummer zwei der oppositionellen Sozialisten (PSOE), César Luena, erneuerte in einem Fernsehinterview sofort eine Forderung zahlreicher Parteien: „Jetzt ist es wirklich an der Zeit, dass sie (Cristina) auf ihre Thronrechte verzichtet.“
Die Anklageerhebung sei ein „furchtbarer Schlag“ für die Monarchie und besonders für Familienchef Juan Carlos, der im Juni zugunsten von Felipe abgedankt hatte, verriet dieser Tage der Journalist und Buchautor Fernando Ónega, der wie kaum ein Zweiter Zugang zum Königshaus hat. Der 77-Jährige habe bisher vergeblich versucht, Cristina zur Aufgabe der Thronrechte zu überreden, um den Schaden für die Royals dadurch zu minimieren, sagte Ónega. Nach Medienangaben scheut Cristina vor einem Verzicht zurück, weil ihr dieser als ein Schuldeingeständnis ausgelegt werden könnte.
Felipe ist hart getroffen
Die Nachricht der Ablehnung der Berufung trifft aber auch Felipe sehr hart. Nach einer Serie von Skandalen um das Königshaus – zu denen auch eine umstrittene Elefantenjagd seines Vaters Juan Carlos im Jahr 2012 zählt – hatte der 46-jährige Monarch mit dem Saubermann-Image nach seiner Krönung mit einigem Erfolg versucht, die rasch sinkende Popularität des Königshauses abzubremsen und die Royals wieder zum moralischen Vorbild zu machen. Auch wenn es zu keiner Verurteilung Cristinas kommen sollte, Schaden werde der Prozess der Monarchie auf jeden Fall zufügen, meinen Beobachter.
Erstmals in der Geschichte Spaniens wird eine nahe Verwandte des Monarchen wegen eines Finanzskandals auf der Anklagebank Platz nehmen müssen. Der Staatsanwalt hatte sich zwar gegen eine Anklageerhebung ausgesprochen. Die Gewerkschaft Manos Limpias (Saubere Hände) forderte aber als Nebenkläger für die Infantin acht Jahre Haft und eine Geldstrafe von zwei Millionen Euro.
Der Ehemann auf der Anklagebank
Cristinas „Abstieg zur Hölle“ (Zeitung „El País“) begann 2011 mit dem Ausbruch einer Affäre um Ehemann Iñaki Urdangarin, in die sie sich schnell verwickelt sah. Der frühere Handballstar (46) – für den die Staatsanwaltschaft knapp 20 Jahre Haft fordert – soll als Chef einer gemeinnützigen Stiftung mit Komplizen rund sechs Millionen Euro Steuergelder unterschlagen haben.
Mit Kreditkarten der Scheinfirmen soll das Ehepaar Ermittlungen zufolge Tanzkurse, Hauspersonal, Luxusgeschirr, Geburtstagspartys und teure Hausmodernisierungen gezahlt haben. Cristina wird der Beihilfe zum Steuerbetrug bezichtigt. Sie war Co-Präsidentin einer der Firmen ihres Gatten. Bei Vernehmungen versicherte sie, sie habe sich nicht um die Geschäfte gekümmert. Die „Infantin mit dem Lächeln“ – wie die seit 2013 in Genf wohnende vierfache Mutter und ranghohe Bankangestellte früher wegen ihrer natürlichen und freundlichen Art genannt wurde – beteuerte: „Ich habe meinem Mann vertraut.“
De Maart

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