Am Donnerstag ging der Prozess bei gesteigertem Publikumsinteresse in die dritte Runde. Die langjährige Psychotherapeutin des Bistums erfuhr erst kurz vor der Selbstanzeige, die durch den Besuch des Vaters des Opfers beim Pfarrer bewirkt worden war, von der Tat.
Der Akt sei weder vorsätzlich noch repetitiv gewesen, so die Zeugin. Zum Brief an den damaligen Vikar Gillen, in dem der Pfarrer von „abartigen Spielen des Jungen“ schrieb, wollte sie nichts sagen. Der Leidensdruck beim Pfarrer kam erst mit der Gefahr der Aufdeckung. „Ein Erwachsener behält immer die Verantwortung, egal, was ein Jugendlicher macht“, so das professionelle Statement der Zeugin. Me Vogel legte dann den in den Messen vorgelesenen Bischofsbrief vor, in dem der Beschuldigte für viele Gläubige vorverurteilt wurde. Es ging anschließend darum, ob der Angeklagte seine eigene „attestation de moralité“ vorverfasst hatte, was dieser mit einer grandiosen Geste zu allen gläubigen Prozessbeobachtern beantwortete, als hätten diese wie von Gottes Hand die Feder geführt.
„Attestation de moralité“
Me Vogel sprach vom „point de cassure“ bei seinem Klienten. Für einen Zeugen, Mitglied der Kirchenfabrik, war es ein „acte unique“. Ein weiterer Zeuge war schockiert über den Denunzierungsbrief des Bischofs. Trotzdem hatte der Zeuge vom „moment d’égarement“ geschrieben. Die Vorsitzende übersetzte das mit dem kriminalistischen Begriff des „fait unique“. Die einzige Zeugin der Nebenklage beschrieb das Opfer als gefasstes und sehr soziales Kind ohne weiteres Konfliktpotenzial. Die Zeugin bestätigte auch die Schwankungen in den schulischen Leistungen des Opfers während seiner Sekundarstudien, die Me Vogel unter dem vehementen Protest der Gegenpartei in Verbindung mit der späteren sexuellen Entwicklung des Opfers brachte.
Ein weiterer Zeuge und langjähriger Freund des Opfers berichtete von dessen Angst, nach einem sexuellen Ausrutscher mit Aids angesteckt worden zu sein. Der Zeuge ging damals von einer Vergewaltigung aus, was sich später aber als falsch herausstellen sollte. Das Opfer habe ihm von seinem Abenteuer mit dem Pfarrer und von seinem schlechten Gefühl dabei erzählt. Er wollte keinen Druck auf das Opfer ausüben, weil es Angst vor der Veröffentlichung hatte, so der Zeuge. Beide hätten allein immer offen über Sexualität geredet. Seine Aussage, das Opfer hätte nicht zum sexuellen Akt gezwungen werden müssen, bezog sich auf das Alter zwischen 16 und 17 Jahren.
Der Prozess wird heute mit weiteren drei Zeugen und der Anhörung des Angeklagten fortgesetzt.
De Maart
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