Luxemburg beginnt, sich aus dem Würgegriff der autogerechten Stadtplanung zu befreien. Endlich rückt der Mensch wieder in den Mittelpunkt urbaner Infrastruktur – nicht das Auto. Immer mehr Städte setzen auf fußgängerfreundliche Straßen, Verkehrsberuhigung und lebenswertere Quartiere. Zu spät und zu langsam, aber immerhin.
Die politischen Entscheidungsträger haben Luxemburg in den vergangenen Jahrzehnten urbanistisch in eine Sackgasse gesteuert. Diesen Fehler hat allerdings nicht nur das Großherzogtum gemacht. In ganz Europa wuchs nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Kommerzialisierung des Automobils und dem Wirtschaftswachstum der Wunsch nach individueller Freiheit – und das in Form einer vierrädrigen Blechkiste. Sogar der Musterschüler des Straßenbaus, die Niederlande, setzte beim Wiederaufbau zuerst verstärkt auf asphaltierte Straßen und Parkplätze, bevor er in den 1970ern realisierte, dass dieses Modell nicht nachhaltig und vor allem nicht sicher ist. Der Ursprung dieser politischen Kehrtwende stammte unter anderem aus der Protestbewegung „Stop de Kindermoord“ (Stoppt den Kindermord), die 1972 – nachdem im Vorjahr mehr als 400 Kinder bei Autounfällen gestorben waren – für weniger Autoverkehr protestierte.
Mittlerweile gelten die Niederlande als die sicherste Nation für Fußgänger in der EU. Zwischen 2021 und 2023 war das Risiko, als Fußgänger im Straßenverkehr ums Leben zu kommen, in Luxemburg mehr als doppelt so hoch wie in den Niederlanden. Während dort jährlich durchschnittlich 3,3 Fußgänger pro Million bei einem Verkehrsunfall starben, waren es in Luxemburg etwa 7,2. Der Grund dafür dürfte klar sein: Die Niederlande designen ihre Straßeninfrastruktur vorwiegend für Verkehrsteilnehmer, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind.
Die vergangene Luxemburger Regierung hat sich beim Ausarbeiten des nationalen Mobilitätsplans (PNM2035), der nationalen Parkraumstrategie und dem Verkehrsberuhigungsplan an den urbanistischen Lehren der Fahrradnation inspiriert. Zu Recht. Diese Maßnahmen werden nun allmählich in den Gemeinden umgesetzt.
Luxemburg-Stadt beginnt nach und nach, sich bei der Verkehrsplanung an Vorbildern wie den Niederlanden zu orientieren. Mit dem Pilotprojekt in Limpertsberg, Merl und Hollerich testet die Hauptstadt seit dem heutigen Montag flächendeckend Tempo 30, Einbahnstraßenregelungen und bauliche Maßnahmen wie Berliner Kissen. Ziel ist eine lebenswertere Umgebung für Menschen zu Fuß und weniger Durchgangsverkehr in Wohnvierteln. Prinzipien, die in niederländischen Städten längst Standard sind – und viel konsequenter umgesetzt werden.
Auch Petingen orientiert sich zunehmend an modernen Mobilitätsprinzipien und plant, die rue Guillaume in eine Wohnzone mit Tempo 20 und gemeinsamer Nutzung durch Fußgänger und Radfahrer umzuwandeln. Statt Asphalt besteht der Straßenbelag aus Pflastersteinen – einem Material, das in niederländischen Wohnstraßen längst Standard ist. Sie beruhigen den Verkehr, beugen Hochwasser vor, lassen sich einfacher reparieren und sehen obendrein besser aus. Der Belag wirkt weniger „autogerecht“ und vermittelt optisch, dass hier nicht das Auto dominiert, sondern der Mensch.
Auch in anderen Städten wie Esch und Düdelingen wird immer öfter auf fußgängerfreundliche Infrastruktur gesetzt. Politiker und Bevölkerung realisieren langsam, aber sicher, dass die urbanistischen Entscheidungen der Vergangenheit falsch waren. Auch wenn der Wandel schleppend verläuft, wird doch immer offensichtlicher: Die Straßen gehören nicht dem Auto – sie gehören allen Verkehrsteilnehmern.
De Maart

@Jean-Marie GROBER
Guten Tag Herr Grober,
danke für Ihren Kommentar. Auch wenn wir bei dieser Thematik selten einer Meinung sind, freue ich mich natürlich immer über Ihr Feedback. Mir ist es wichtig zu betonen, dass das Auto als Verkehrsmittel absolut seine Daseinsberechtigung hat und es auch in Zukunft noch haben soll. Doch der PKW soll meiner Meinung nach bei der urbanistischen Planung nicht als wichtigster Verkehrsteilnehmer betrachtet werden. Die Statistiken sind eindeutig: Fahrrad- und fußgängerfreundliche Städte sind gesünder, sicherer und lebenswerter. Ältere Menschen und Menschen mit einer körperlichen Behinderung können vor allem in Städten mit guter Fußgänger- und Fahrradinfrastruktur sicher von A nach B gelangen. In den Niederlanden sieht man regelmäßig Menschen in einem elektrischen Rollstuhl auf den Fahrradwegen fahren – und natürlich sind die allermeisten Straßen dort auch noch mit dem Auto erreichbar, aber eben nicht so einfach wie zu Fuß oder mit dem Fahrrad.
Ich besitze auch noch immer einen Führerschein. Darauf kann ich als Journalist leider nicht verzichten. Aber ich fahre nur etwa ein- bis zweimal in der Woche mit dem Auto. Die restliche Zeit greife ich auf den öffentlichen Verkehr, das Fahrrad oder meine eigenen zwei Füße zurück.
Beste Grüße
Cédric Feyereisen
Wie wär's mit Ochsenkarren und Pferdekutschen? Rikschas, Lastenräder, Draisinen, Hochräder? Zurück ins Mittelalter? Der Kreuzbandriss in meinem rechten Knie, den ich mir als Kind vor etwa 60 Jahren bei einem Sturz mit dem Fahrrad zugezogen habe, hat mich einen Teil meiner Mobilität gekostet. Ich fahre seit 51 Jahren Auto, ohne jemals mir oder einem anderen physischen Schaden zugefügt zu haben, wenige kleinere Blechschäden ausgenommen. Ich pfeife auf Ihre wunderbaren Vorschläge: Nur weiter so, und ich muss einmal ausrechnen, wieviel Benzin ich mir mit dem Abo-Preis des Tageblatt leisten kann! Apropos, Herr Feyereisen, haben Sie Ihren Führerschein schon zurückgegeben? Wenn nicht, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt!
"weniger Durchgangsverkehr in Wohnvierteln"
wann ech sou eppes liesen muss ech mëch ëmmer opreegen. Wohnviertel! Am Géigesatz zu waat? Sinn déi eppes besseres? Bezuelen déi méi Steieren? Hunn déi alléng bezuelt fir déi Strossen déi bei hier Heiser féieren?
Déi Leit déi op enger Nationale wunnen déi duerch Mëtt vum Duerf leeft, wunnen déi nët? Hausen déi, Sqauten oder waat? Sinn do kéng Schoulkanner ënnerwee?
Fueren déi Leit dann aus de Wunnvéierel och mat 30 iwwer National aus Respekt virun deene Lei déi do wunnen ? Nee, garantéiert nët, se fueren op mannst sou schnell wéi se daerfen. Haaptsaach si hunn hier Rou.
@HeWhoCannotBeNamed :
Respekt an Ruecksicht dei' mer nach an den 60-70er haaten ass der Gesellschaft verluer gaang. An daat geht un bei der Edukatio'un bei den Kanner an der Famill !
Haut hun mer nemmen nach Ego'ismus ! Ech, Ech, Ech, . . . .
"Die Strasse gehört nicht dem Auto". Aber nur die Auto/Moto Fahrer bezahlen die Auto sprich Strassensteuer. Alle anderen sowieso nicht den C.d.l.r. beachtende Strassenbenutzer, Velos, Trottinetten, Skater, u.s.f. benutzen die Strassen gratis und sogar die Bürgersteige. Bei einer solchen Gleichbehandlung kommt wirklich Freude und Zufriedenheit auf.
"Ein bisschen Niederlande, bitte!" Bitte auch ein bisschen Niederlande im Kreisverkehr, die können das, mit "Überfahrsperren", damit man auch in der richtigen Spur bleibt und keine 3 Spuren braucht um die Ausfahrt zu finden!
Zu meiner Zeit(damals, verdammt lang her) wurden "Trottis" sowie Fahrräder noch mit Muskelkraft bewegt. War gut für die Kondition.Allerdings konnte man nicht in " Costume/Cravatte " und Aktenkoffer durch die Gegend blasen.Man wäre stinkend im Büro angekommen. Aber auch in Frankreich stehen Schilder. " partageons la route" steht da drauf und gemeint ist die Rücksicht der Autofahrer vor Radfahrern.
Als Radfahrer bekam ich noch nie von einem Autofahrer die Mütze voll gehupt(im Gegensatz zu meiner Zeit in Luxemburg) und als Autofahrer habe ich deshalb auch Respekt vor Radfahrern. So geht's.
Die Innenstädte dem Fußvolk? Gerne! Wenn es um Sicherheit geht, müssen wir aber auch über den Schreck des Bürgersteigs des 21.Jhdt reden : E-Scooter. Es ist mir schleierhaft, wieso einerseits die Nutzung motorisierter Fortbewegungsmittel eingeschränkt wird, andererseits "Trottis" mit reichlich E-Power und gefühlten 30 km/h über den Fahrradweg und den Bürgersteig flitzen dürfen. Das Sicherheitsgefühl auf dem Bürgersteig ist jedenfalls kleiner als vor 20 Jahren...