Freitag31. Oktober 2025

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SerbienLandesweite Straßenblockaden nach Verhaftungswelle und Polizeiprügelorgie

Serbien / Landesweite Straßenblockaden nach Verhaftungswelle und Polizeiprügelorgie
In Serbien mehren sich die Straßenblockaden aufgebrachter Bürger Foto: AFP/Oliver Bunic

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Erneut zu früh hat Serbiens unter Druck geratener Präsident Vucic seinen „Sieg“ über die gegen die Korruption protestierenden Studenten verkündet. Sein Land vermag er auch mit verstärkter Repression kaum mehr zu befrieden. Es mehren sich Straßenblockaden aufgebrachter Bürger.

Auch trainierte Gesetzeshüter kommen in Schildkrötenpanzern ins Schwitzen. Den ganzen Tag hatten die vermummten Staatsdiener in Kampfmontur in den brütend heißen Straßenschluchten der serbischen Hauptstadt Belgrad zu Wochenbeginn die Sperrmüllmänner zu mimen. Denn aus allen Stadtteilen wurden immer wieder neue Straßenblockaden vermeldet.

Sobald die Polizeikolonnen aufmarschierten und die Räumung der Barrikaden innerhalb weniger Minuten forderten, zogen sich deren Errichter zurück – und überließen der Staatsmacht das Feld. Schweißüberströmt schleppten, zogen und zerrten die Einsatzbeamten Autoreifen, Metallgatter, Müllcontainer und Stühle vom aufgeheizten Asphalt, während die abgezogenen Demonstranten die nächste Straßenkreuzung besetzten.

40 Straßenblockaden allein in Belgrad und 56 weitere im ganzen Land wurden allein am Sonntag von der Bürgerrechtsorganisation CRTA gezählt. Nicht immer ging deren Räumung trotz des gewaltlosen Widerstands der Demonstranten friedlich über die Bühne. Knapp drei Dutzend Verhaftungen wurden von Studentenorganisationen allein am Montagvormittag vermeldet.

Serbiens autoritär gestrickter Präsident Aleksandar Vucic zieht die Repressionsschraube an. „Serbien hat gesiegt“, hatte er nach der von der Polizei blutig auseinander geknüppelten Großdemonstration gegen die Korruption und für Neuwahlen verkündet – und weitere Verhaftungen von „Terroristen“ angedroht. Er werde „keinerlei Begnadigungen unterzeichnen“: „Haben diese Leute wirklich geglaubt, dass sie stärker sind als der Staat?“

Doch es scheint, als habe sich der zunehmend unter Druck geratene Präsident wieder zu früh über einen Pyrrhustriumph gefreut. Denn acht Monate, nachdem unter den Trümmern des eingestürzten Vordachs des neu renovierten Bahnhofs von Novi Sad 16 Menschen ihr Leben verloren haben, vermag der lange unangefochtene Strippenzieher sein aufgebrachtes Land nicht mehr zu befrieden. Stattdessen verliert Serbiens dünnhäutiger Dominator in dem erklärten Feldzug gegen eine angeblich vom Ausland gesteuerte „Bunte Revolution“ zunehmend die Geduld – und den Kompass.

Einreiseverweigerungen und Landesverweisungen

Mit Gehaltskürzungen sanktionierte Professoren, von der Polizei verprügelte Studenten und Journalisten, Einreiseverweigerungen und Landesverweisungen von Ausländern: Selbst ein zu einem Kongress nach Novi Sad geladener Wissenschaftler aus Kolumbien wurde am Wochenende samt Frau und zwei minderjährigen Kindern am Flughafen von Belgrad wegen des Verdachts des „Terrorismus“ bei der Einreise verhaftet.

Es sind seine abgestürzten Popularitätswerte, die Dauerwahlkämpfer Vucic von der geforderten Ausschreibung von Neuwahlen dieses Mal lieber absehen lassen. „Er traut sich nicht einmal mehr zu seinen verschobenen Wahlen“, ätzt am Belgrader König-Aleksandar-Boulevard ein Graffito. Der Staat habe „genügend Kräfte“, um die Aufrechterhaltung „von Recht und Ordnung“ zu sichern, versicherte derweil der angesäuerte Präsident zu Wochenbeginn aus dem fernen Sevilla.

Keinerlei Anstalten machen seine emsigen Polizeikräfte allerdings, in der Hauptstadt das größte und dauerhafteste Verkehrshindernis aus dem Weg zu räumen: Seit Wochen blockiert zwischen Präsidentenpalast und Parlament ein illegales, aber von den Machthabern unterhaltenes Zeltlager regimetreuer Berufscamper den Verkehr.

Nicht nur meteorologisch steht Serbien ein heißer Sommer und stürmischer Herbst bevor. Auch von Willkürverhaftungen und Polizeiknüppeln wollen die von den Regierungspolitikern wechselweise als „Verräter“, „Ustascha“, „Faschisten“ oder „Terroristen“ verunglimpften Studenten und Barrikadenbürger ihren Kampfgeist nicht brechen lassen – und rufen zu einem „Sommer des bürgerlichen Ungehorsams“ auf. Die jungen Leute hätten „Serbien bereits geändert“, sagt die Regisseurin Mila Turajlic; „Doch dies ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Grober J-P.
1. Juli 2025 - 9.22

"sondern ein Marathon.“ Stimmt, es dauert. Dragan sagte uns schon Anfang 2000, kehre erst wieder in meine Heimat zurück, wenn die Faschisten dort nicht mehr das Sagen haben. Dragan lebt immer noch hier. "Werde bis zu meinem Ende Flüchtling bleiben, wieso gibt es solche "Spatzenhirne" bei uns?" Nur bei euch?