Freitag31. Oktober 2025

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KonflikteEiszeit zwischen Spanien und Israel: Eine diplomatische Krise eskaliert

Konflikte / Eiszeit zwischen Spanien und Israel: Eine diplomatische Krise eskaliert
Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez zählt zu den schärfsten Kritikern der Vorgehensweise der israelischen Regierung innerhalb der EU Foto: AFP/Pierre-Philippe Marcou

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Die Beziehungen zwischen Spanien und Israel haben einen neuen Tiefpunkt erreicht. Nachdem Ministerpräsident Pedro Sánchez Israel wegen der Lage in Gaza und auch wegen der Angriffe auf den Iran kritisierte und die sofortige Aussetzung des Assoziierungsabkommens mit der EU forderte, reagierte Israels Botschaft in Madrid mit ungewöhnlich drastischen Worten und warf Spanien einen „antiisraelischen Kreuzzug“ vor.

Spaniens Außenministerium bestellte daraufhin den Geschäftsträger der israelischen Botschaft in Madrid ein – bereits zum dritten Mal innerhalb weniger Wochen. Ein Zeichen, dass die Spannungen steigen. Ein regulärer israelischer Botschafter ist seit Mai 2024 nicht mehr in Madrid. Israel hatte ihn aus Protest gegen Spaniens offizielle Anerkennung Palästinas als unabhängigen Staat abgezogen. Spanien zählt zu den schärfsten Kritikern der israelischen Regierung innerhalb der EU.

Der Sozialdemokrat Sánchez hatte in den vergangenen Tagen mehrfach Israels Vorgehen mit deutlichen Worten infrage gestellt. Die Lage im Nahen Osten könne nicht mit militärischer Gewalt gelöst werden, so der spanische Regierungschef. Wörtlich sagte er: „Militärisches Handeln bringt keinen Frieden. Nie. Die Priorität ist daher, eine Eskalation zu vermeiden und zur Diplomatie zurückzukehren.“

Er warnte zudem eindringlich vor einer humanitären Katastrophe in Palästina: „Was in Gaza passiert ist, und was jetzt im Westjordanland geschieht, ist die Hölle auf Erden – unter freiem Himmel.“

Mit Blick auf den Assoziierungsvertrag zwischen der EU und Israel sagte Sánchez: „Israel verletzt aus unserer Sicht Artikel 2 des Abkommens, der den Respekt vor den Menschenrechten verlangt.“ Hinsichtlich Israels Gaza-Kriegs sagte er: „Heute – bei über 55.000 Toten, viele davon Kinder – sehen viele Länder die Notwendigkeit, konkrete Maßnahmen zu ergreifen.“ Für die genaue Zahl der Opfer gibt es keine unabhängige Bestätigung. Die Angaben stammen von den örtlichen Behörden, die von der palästinensischen Terrororganisation Hamas kontrolliert werden.

„Genug ist genug.“

Zum Vorwurf aus Israel, Spanien habe die Angriffe der Hamas-Terroristen im Oktober 2023 nicht verurteilt, sagte Sánchez: „Das stimmt nicht. Wir haben sie vom ersten Tag an verurteilt – genauso wie wir die sofortige Freilassung der Geiseln gefordert haben.“ Dennoch müsse man nun klare Worte an die Regierung von Benjamin Netanjahu richten: „Genug ist genug.“

Spanien hatte sich zudem vor Kurzem gemeinsam mit der Palästinensischen Autonomiebehörde und weiteren Staaten für eine Resolution in der UN-Generalversammlung eingesetzt, die den Einsatz von Hunger als Waffe verurteilt, einen Waffenstillstand fordert und die Einhaltung des Völkerrechts verlangt. 149 Länder stimmten zu – darunter 23 der 27 EU-Mitglieder. Völkerrechtlich bindend sind solche Resolutionen nicht, sie haben nur empfehlenden Charakter.

Die israelische Botschaft in Madrid reagierte nun auf Sánchez’ Kritik mit einer ungewöhnlich harschen Stellungnahme. „Die Haltung der spanischen Regierung stellt Spanien an den extremsten Rand der europäischen Position im Nahostkonflikt. Das bringt Spanien leider auf die falsche Seite der Geschichte.“

Zudem wird Spaniens Forderung, Sanktionen gegen Israel zu verhängen, verurteilt: Spanien fordere, „das europäische Abkommen mit Israel auszusetzen und ein Waffenembargo gegen ein Land zu verhängen, das angegriffen wird. Das ist nicht nur bedauerlich – es ist moralisch unhaltbar.“

Hunger als Mittel der Kriegsführung

Die spanische Regierung protestierte umgehend gegen das Kommuniqué der israelischen Botschaft und bestellte den Geschäftsträger der israelischen Botschaft in Madrid ein. Außenminister José Manuel Albares bezeichnete die israelische Erklärung als „inakzeptabel“.

Spanien stützt sich bei seinen Vorwürfen gegen Israel vor allem auf einen aktuellen Bericht des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD), des außenpolitischen Arms der EU. Das Dokument zur Menschenrechtslage in Gaza kommt zu dem Schluss, dass Israel möglicherweise gegen zentrale Werte des Abkommens verstoße.

Der Bericht des EAD, der sich auf UN-Quellen stützt, zeichnet ein alarmierendes Bild der Lage in den palästinensischen Gebieten. Demnach könne die anhaltende Blockade des Gazastreifens durch Israel eine Form kollektiver Bestrafung darstellen, die nach humanitärem Völkerrecht unzulässig sei. Es gebe Hinweise darauf, dass dabei gezielt Hunger als Mittel der Kriegsführung eingesetzt werde.

Darüber hinaus dokumentiert der Bericht Angriffe auf medizinische Einrichtungen wie Krankenhäuser, eine Vertreibung der Bevölkerung – rund 90 Prozent der Bewohner seien inzwischen auf der Flucht – sowie eine gezielte Ausgrenzung ausländischer Journalisten aus dem Gazastreifen.

Obwohl in dem EAD-Bericht von schweren Verstößen Israels in Sachen Menschenrechte die Rede ist, war der letzte EU-Gipfel in seinen Schlussfolgerungen vage geblieben: Man „nehme den Bericht zur Kenntnis“ und wolle im Juli bei einem Treffen der EU-Außenminister weiter beraten. Einige Länder, darunter Deutschland und Österreich, treten weiter für Zurückhaltung ein. Andere wie etwa Spanien, Irland, Belgien, Schweden fordern hingegen ein härteres Vorgehen gegen Israel. Eine Suspendierung des Assoziierungsabkommens erfordert die Zustimmung aller 27 EU-Mitgliedstaaten – und ist daher derzeit unwahrscheinlich.