Sonntag9. November 2025

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EU-ParlamentRauswurf mit Ansage: ADR-Politiker Fernand Kartheiser aus der EKR-Fraktion ausgeschlossen

EU-Parlament / Rauswurf mit Ansage: ADR-Politiker Fernand Kartheiser aus der EKR-Fraktion ausgeschlossen
Fernand Kartheiser (am Rednerpult) begrüßte Viktor Orbans (im Vordergrund) Reise zu Putin, sehr zum Leidweisen der EKR-Fraktion Foto: Alain Rolland/European Union 2024/EP

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Der luxemburgische EU-Parlamentarier Fernand Kartheiser wurde am Mittwoch im Europäischen Parlament (EP) aus seiner Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) ausgeschlossen. Ein schwerer Schlag für den ADR-Abgeordneten und mitunter auch für seine Partei.

Es war ein Rauswurf mit Ansage: Seit Monaten taten sich die Spitzen der EKR-Fraktion schwer mit dem ADR-Abgeordneten aus Luxemburg, der hinsichtlich des Umgangs mit Russland und dem russischen Aggressionskrieg in der Ukraine partout nicht auf der Linie der Fraktion war. Bei Abstimmungen über die Unterstützung der Ukraine durch die EU stimmte Fernand Kartheiser als einer von wenigen aus seiner Fraktion immer gegen die EKR-Mehrheit. In Redebeiträgen sprach er sich für Diplomatie anstatt weiterer Waffenlieferungen und Finanzhilfen an die Ukraine aus oder begrüßte die sogenannte „Friedensmission“ des ungarischen Regierungschefs und damaligen EU-Ratsvorsitzenden Viktor Orban im Herbst 2024 in Moskau.

Das ärgerte zwar viele in der EKR-Fraktion, vor allem die 20 polnischen PiS-Abgeordneten, die die zweitstärkste Delegation der 80 Parlamentarier zählenden Fraktion stellen. Doch es reichte nicht, um entschieden gegen den Luxemburger vorzugehen. Der jüngste Besuch des ADR-Abgeordneten in der russischen Duma brachte jedoch das Fass zum Überlaufen. In einem Brief wurde Fernand Kartheiser von Fraktionskollegen aus verschiedenen Ländern dazu aufgefordert, die Reise nach Moskau nicht anzutreten. Und sie drohten mit Konsequenzen. Er ignorierte jedoch das „Ultimatum“, wie der ADR-Politiker die Aufforderung nannte.

Eine „praktisch einstimmige“ Entscheidung

Nicht einmal eine halbe Stunde dauerte die Sitzung am Mittwochnachmittag, während der über die Zugehörigkeit des ADR-Politikers zur EKR-Fraktion entschieden wurde, wie uns ein Fraktionssprecher erklärte. Die Entscheidung sei „praktisch einstimmig“ getroffen worden, meinte Kartheiser im Anschluss, wobei längst nicht alle Fraktionsmitglieder an der Abstimmung teilgenommen hätten.

Der ADR-Politiker gab sich nach dem Rauswurf betont zufrieden: „Ich bin froh, dass ich nun meine Unabhängigkeit habe“, so Kartheiser, der damit sogleich deutlich machte, dass er einstweilen als Fraktionsloser im EU-Parlament bleiben werde. Damit wird er jedoch unter anderem weniger Redezeit im Plenum haben und nicht von den – auch finanziellen – Möglichkeiten profitieren können, die eine Fraktion bietet. Er aber stellt seine „Freiheit“ in den Vordergrund, die er nun mit dem Ausschluss erhalte. Und kritisiert sogleich seine ehemalige Fraktion. Seit 16 Jahren gehöre er der EKR an, die an sich konservative Werte vertrete, nun aber versuche, ihm politische Positionen aufzuerlegen. Das wolle er nicht, habe er den Fraktionskollegen während der Sitzung erklärt. Dabei ärgert sich der ADR-Politiker über ein 24-seitiges Papier, in dem die EKR-Fraktion die Vorwürfe gegen ihn „wie eine Anklageschrift“ zusammengetragen habe. Er werde das Papier der Transparenz halber im Netz veröffentlichen, versprach Kartheiser.

Seine Reise nach Moskau verteidigte er und bedauert angesichts der Konsequenzen nicht, trotzdem gefahren zu sein: Mittelfristig müsste wieder mit der russischen Seite geredet werden, würde es wieder Kontakte geben. Er wolle dazu beitragen, Brücken zu schlagen. Inwieweit die Führung in Moskau jedoch daran interessiert ist, zeigt sie täglich auf den Schlachtfeldern in der Ukraine und mit dem Beschuss weit von der Front abgelegenen Städten und zivilen Einrichtungen. Und auch in der EKR wird das anders gesehen. In einer Mitteilung spricht der Ko-Fraktionsvorsitzende Nicola Procaccini durchaus von „Werten“, wenn es um die Ukraine geht, sowie um „unsere Überzeugungen: Souveränität, Sicherheit, Gerechtigkeit“. „Eine politische Gruppe kann nicht funktionieren, wenn ihre Grundprinzipien von innen heraus infrage gestellt werden. Deshalb war diese Entscheidung notwendig“, so Procaccini weiter in der Mitteilung.

Nun droht auch ADR Rauswurf aus EKR

Möglicherweise jedoch könnte es mit dem alleinigen Rauswurf des ADR-Abgeordneten nicht getan sein. Wie uns ein EKR-Sprecher sagte, würden einige nationale Delegationen auch für einen Ausschluss der ADR aus der EKR-Parteienfamilie plädieren. Immerhin hatte sich die ADR-Parteipräsidentin Alexandra Schoos demonstrativ hinter Fernand Kartheisers Reisetätigkeit gestellt und dessen Moskau-Besuch verteidigt. Einen „offiziellen Brief“ über einen eventuellen Ausschluss der ADR aus dem europäischen Parteienverbund habe sie noch nicht erhalten, erklärte uns Schoos, die dennoch über ein solches Ansinnen im Bilde ist. Die ADR selbst will einem Ausschluss aus der EKR offensichtlich noch nicht durch einen Austritt zuvorkommen. „Prinzipiell ist die EKR noch immer unsere politische Heimat“, sagte die ADR-Präsidentin. „Wir teilen noch immer die Werte der EKR“, auch wenn die Positionen in Sachen Krieg in der Ukraine und dem Umgang mit Russland weit auseinander gingen, so Alexandra Schoos.

Doch auch wenn er erst einmal als Fraktionsloser weitermachen wolle, würde Fernand Kartheiser Angebote zum Eintritt in eine andere Fraktion prüfen und mit „den Kollegen in Luxemburg“ besprechen. Allerdings bleibt nicht mehr viel Auswahl. Infrage kämen im EU-Parlament nur noch die Fraktion „Patrioten für Europa“ (PfE), in der der französische „Rassemblement national“ von Marine Le Pen den Ton angibt. Die PfE, der unter anderem noch Viktor Orbans Fidesz-Partei aus Ungarn sowie die „Partei der Freiheit“ des Niederländers Geert Wilders angehört, hätte für die ADR zumindest den Vorteil, dass sie dem russischen Machthaber Wladimir Putin sehr angetan ist. Eine andere Option wäre die Fraktion „Europa souveräner Nationen“, in der die rechtsextreme AfD aus Deutschland die absolute Mehrheit der Abgeordneten stellt.

Nicht ganz frei von Schadenfreude ist die Reaktion der EP-Abgeordneten Tilly Metz. „Zu extrem für die Extremen – das muss man erst einmal hinbekommen“, meint die Grünen-Politikerin in einer Mitteilung. Sie verspricht mit den vier anderen luxemburgischen EU-Parlamentariern, „das positive Ansehen Luxemburgs im Europäischen Parlament und darüber hinaus in Europa wieder zu festigen“.

Luxmann
5. Juni 2025 - 10.55

Phil
Die abgeordnete Metz scheint zu glauben,dass wenn sie mit einer gruppe gleichgesinnter im parlement Vive Zelenski ruft,dies das internationale ansehen Luxemburgs festigt.
Soll man lachen?

Guy Mathey
5. Juni 2025 - 7.57

Ich habe eher den Eindruck, dass eine Win-Win Situation für die beteiligten Akteure vorliegt.
Die EKR inszeniert sich als eine zuverlässige Fraktion mit klaren roten Linien gegenüber dem Putin-Regime. Der Verlust ihres wohl irrelevantesten Abgeordneten ist leicht zu verkraften.
Auch Kartheiser geht als Gewinner hervor, brachte ihm die Angelegenheit doch eine enorme Publicity ,von welcher er ansonsten bloss hätte träumen können. Seine Beliebtheit bei seinen Anhängern hat mit Sicherheit keinen Schaden genommen, ganz im Gegenteil.
Fazit. Es wäre kluger gewesen, die Angelegenheit einfach zu ignorieren, anstatt die irrelevanten Aktionen eines Provinzpolitikers unnötig zu thematisieren.

Phil
4. Juni 2025 - 22.55

Die Aktion von Herr Kartheiser ist sehr löblich. Jeder Versuch, in dem Ukrainkonflikt eine Verhandlungsbasis zum Frieden zu schaffen - sei er auch noch so klein - sollte nicht von selbsternannten EU Juroren und Richtern zunichte gemacht werden.
Ausgerechnet die Grünen-Abgeordnete Tilly Metz hat nach ihrer Protestaktion auf dem belgischen Militärflughafen "Kleine-Brogel“ gegen die Stationierung amerikanischer Atomwaffen in Europa absolut keinen Grund sich aufzuregen. Auf der Luftwaffenbasis sollen laut dem belgischen Rundfunk BRF 20 taktische Atomwaffen des US-Militärs lagern.