Gilles Estgen bezeichnet sich selbst zwar als „Bäigeprafftenen“, doch in den vergangenen Jahrzehnten ist er zu einer prägenden Persönlichkeit der Moselregion geworden – insbesondere im Bereich Tourismus. Als langjähriger Präsident des regionalen Tourismusverbands hat er den Önotourismus entscheidend mitentwickelt. Nun wurde der gelernte Maschinenbauingenieur und frühere Direktor des „Maacher Lycée“ von Tourismusminister Lex Delles (DP) zum Koordinator für die Ausarbeitung einer nationalen Strategie im Bereich Önotourismus ernannt.
Tageblatt: Wir sind zwar nur Hobbywinzer mit einer kleinen Parzelle, deshalb aber gleich eine Frage vorweg: Kann Önotourismus auch eine Option für ganz kleine Winzer sein?
Gilles Estgen: Zunächst einmal finde ich es eine tolle Sache, dass ihr als Tageblatt eine Parzelle bewirtschaftet. Das ist ein außergewöhnliches Projekt, was meines Erachtens vielen den Weinbau näherbringt. Das ist ja auch ein Teil des Önotourismus, der sehr vielfältig ist. Von daher kann man sich schon einiges vorstellen, was vielleicht auch für kleine Betriebe machbar ist. Unsere neue Strategie, die sich momentan in der Ausarbeitung befindet, hat genau hier ihre Daseinsberechtigung. Es geht darum, zu schauen, was die Kunden wollen, was für die Winzer machbar ist und was auch von Gemeinden oder anderen Institutionen unterstützt werden kann.

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Das Projekt ist ambitioniert und soll Einblicke in die Welt der Winzer verschaffen. Die Tageblatt-Redaktion wird in den kommenden anderthalb Jahren versuchen, ihren eigenen Wein herzustellen, in einer wöchentlichen Serie über Erfolg und Misserfolg berichten und dabei tiefere Einblicke in die Welt des Weinbaus geben.
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Das Konzept des Weintourismus ist ja nicht ganz neu. Welche Erfahrungen hat man bislang damit gemacht?
Die Erfahrungen sind sehr positiv. Vor allem stellen wir ein stark wachsendes Interesse am Önotourismus fest. Die Nachfrage steigt schon seit einigen Jahren. Da wir auf der anderen Seite international einen Rückgang des Weinkonsums feststellen, ist es vor allem für junge Winzer wichtig, ein zweites Standbein aufzubauen, und das kann für einige im Tourismus liegen. Es geht also auch darum, Betriebe am Leben zu halten und einer jüngeren Generation eine Perspektive aufzuzeigen, ob das jetzt durch Unterbringungen, durch Gastronomie oder andere touristische Konzepte ist.
Önotourismus lässt sich jedoch nicht von oben herab verordnen – ,a scho guer net aus der Stad‘
Die meisten Winzerbetriebe in Luxemburg sind kleine Familienbetriebe. Für die würde die Unterbringung von Touristen einen großen Mehraufwand bedeuten.
Das stimmt. Sowohl was die personellen als auch die finanziellen Ressourcen angeht. Aber dafür gibt es ja auch staatliche Hilfen. Klar ist, dass man erst investieren muss, doch es geht letztendlich darum, etwas zu schaffen, was sich wirtschaftlich für die Betriebe rechnet. Außerdem sollte uns einiges daran liegen, das aktuelle Landschaftsbild beizubehalten. Was haben wir davon, wenn immer mehr Weinberge brachliegen und braune Flecken in der Landschaft entstehen? Der Weinbau prägt nicht nur diese Region, sondern macht sie auch attraktiv.
Unterdessen im Tageblatt-Wéngert ….
Die stressigste Zeit im Weinberg ist im vollen Gange und das bekommen auch wir zu spüren. Dass wir unseren Redaktionsalltag nur schwer mit den Arbeiten im Weinberg kombiniert bekommen, ist bekannt. Wie wir uns das Leben zusätzlich selbst schwermachen, lesen Sie hier.
Gibt es Länder, die im Bereich Önotourismus bereits weiter sind als Luxemburg?
Österreich ist in dieser Hinsicht sicher Vorreiter, aber auch in Deutschland und Frankreich kommt der Önotourismus immer mehr auf. Man sieht dort einfach, dass es ein gewisses Potenzial gibt.
Wenn wir von Touristen sprechen, denken wir oft zuerst an Gäste aus dem Ausland. Aber auch bei Einheimischen – insbesondere bei den ,Expats‘ – gibt es noch ein großes Potenzial.
Welche Zielgruppen will man mit dem Önotourismus ansprechen?
Bei Weintouristen unterscheiden wir im Wesentlichen zwei Typen: Zum einen gibt es jene, für die der Wein eher Nebensache ist. Sie besuchen eine Region, ein Land aus anderen Gründen, nutzen aber die Gelegenheit, an einer Verkostung oder einer Führung teilzunehmen. Zum anderen gibt es Touristen, die gezielt wegen des Weines oder des Weinbaus in eine Region reisen. Genau in diesem Bereich sehe ich noch viel Potenzial für unsere Mosel. Diese Menschen wollen mehr über unseren Weinbau erfahren und suchen den direkten Kontakt zu den Winzern. Und genau hier sind Länder wie Österreich und Deutschland uns voraus – sie haben zahlreiche Angebote geschaffen, die speziell diese weinaffine Kundschaft ansprechen. Außerdem: Wenn wir von Touristen sprechen, denken wir oft zuerst an Gäste aus dem Ausland. Aber auch bei Einheimischen – insbesondere bei den „Expats“ – gibt es noch ein großes Potenzial.

Sie wurden vom Wirtschaftsministerium als Koordinator für Önotourismus eingesetzt und sollen helfen, die neue Strategie auszuarbeiten. Was sind die nächsten Schritte?
Die ersten Impulse im Bereich Önotourismus gab es ja bereits vor rund 15 Jahren. In diesem Zusammenhang ist übrigens das „Wine taste enjoy“ ins Leben gerufen worden, was am Pfingstwochenende wieder stattfindet. Seither hat sich schon in puncto Weintourismus einiges getan, doch auch die Erwartungen der Kundschaft, deren Konsumverhalten sowie die Weinkultur haben sich verändert. Deshalb ist es wichtig, eine neue Strategie zu entwickeln. Önotourismus lässt sich jedoch nicht von oben herab verordnen – „a scho guer net aus der Stad“. (lacht) Jetzt geht es erst einmal darum, mit den verschiedenen Akteuren ins Gespräch zu kommen – ob Winzer, Weinhandel, Gemeinden oder touristische Verbände. Auch Vertreter aus den Bereichen Horeca und Kultur sind in diesem Zusammenhang interessante und wichtige Gesprächspartner. Anschließend werden Workshops organisiert, in denen wir gemeinsam ausloten, wo Verbesserungen möglich sind und welche neuen Ideen für unsere Region umsetzbar wären. Es wurde zwar schon einiges aufgebaut, aber es gibt definitiv noch Luft nach oben, ich denke da besonders an Übernachtungsmöglichkeiten beim Winzer oder im Weinberg. Das vorhandene Potenzial können wir jedoch nur ausschöpfen, wenn alle Beteiligten eingebunden sind.
Gibt es bereits einen konkreten Zeitplan?
Noch vor dem Sommer sollen Gespräche mit den einzelnen Akteuren stattfinden – eventuell auch schon erste Workshops. Bis September sollen sich dann die großen Linien der Strategie herauskristallisieren. Nach der Traubenlese geht es an die Detailarbeit, sodass die neue Strategie spätestens im Dezember stehen soll.
Tipps und Feedback
Wollen Sie uns bei unserem Projekt unterstützen, uns Tipps und Feedback geben, dann kontaktieren Sie uns über unsere Facebook-Seite oder per E-Mail an [email protected].
De Maart

Egal wie man die Form von Tourismus "Oenotourismus" nennt,
im allgemeinen ist der "Moseltourismus" inklusiv "Ländletourismus" zurückgeschrumpft,seit Jahren wurde vieles
verpennt und dieses Problem schläft weiter vor sich hin.
Während den Wochentagen überall tote Hose, nur an Wochenenden tauchen ein paar Tagestouristen auf,die abends
dann wieder verschwinden, all das konzeptlose politisches
Getue und Gelaaber trotz Steuergeldverschwendung macht wenig Sinn. Nägel mit Köpfen kennt niemand mehr.
Önotouristisch unterwegs war ich schon mit 16. Habe einen Monat beim Winzer Mich und Familie in Ahn verbracht. Herrlich, jeden Morgen zum Frühstück ein Glas Riesling Grand Premier Cru! 😊