Kurz nach 12.30 Uhr erschien CSV-Premierminister Luc Frieden nicht unangekündigt, aber doch etwas überraschend auf dem Fest der Arbeit und der Kulturen des OGBL im Neimënster. Begleitet wurde er von CSV-Sozial- und Gesundheitsministerin Martine Deprez sowie CSV-Arbeitsminister Georges Mischo, der offenbar seine Pläne kurzfristig geändert hatte. Am Vormittag hatten die drei Minister die politische Ansprache von LCGB-Präsident Patrick Dury „près de la Piscine“ in Remich über sich ergehen lassen (siehe S. 4). Im Tageblatt-Interview hatte Mischo vergangene Woche noch angekündigt, er werde nach dem LCGB den Handball Esch besuchen und erst am Nachmittag den OGBL. Vermutlich hatte der Premier ihn dazu überredet, seine Prioritäten zu überdenken.
OGBL-Präsidentin Nora Back empfing die illustren Gäste am Eingang der früheren Abtei, führte sie in Begleitung mehrerer Mitglieder des OGBL-Exekutivbüros entlang der Stände zu drei der vier Personaldelegierten von „Caritas jeunes et familles“, die in den vergangenen Monaten von der Generaldirektion der Wohlfahrtsorganisation aus fadenscheinigen Gründen suspendiert worden waren. Bei „Mettwurscht“, Burger und Fritten hielten die drei Minister und einige Gewerkschaftsfunktionäre anschließend ihren eigenen bilateralen „Sozialdësch“ ab. Viel mehr als Smalltalk kam dabei aber dem Vernehmen nach nicht heraus.

D’Regierung Frieden huet decidéiert, de Lëtzebuerger Sozialmodell, wéi e bis lo funktionéiert huet, ze attackéieren, an dat mat enger Häert, wéi mer se nach net erlieft hunn
„Méi Kollektivverträg“
Dabei gibt es eigentlich genug zu bereden. „D’Regierung Frieden huet decidéiert, de Lëtzebuerger Sozialmodell, wéi e bis lo funktionéiert huet, ze attackéieren, an dat mat enger Häert, wéi mer se nach net erlieft hunn“, hatte Nora Back anderthalb Stunden zuvor in ihrer politischen Rede im sonnenüberfluteten Hof des Neimënster den rund 250 OGBL-Mitgliedern und Sympathisanten zugerufen, die nicht davon profitiert hatten, den 1. Mai als Brückentag zu nutzen, um ein verlängertes Wochenende im Ausland zu verbringen. Auch Abgeordnete von der Opposition waren gekommen: Marc Baum und David Wagner von „déi Lénk“; Dan Biancalana, Francine Closener, Claire Delcourt, Georges Engel und Franz Fayot von der LSAP; Sam Tanson und die EU-Abgeordnete Tilly Metz von den Grünen. Gleich mehrmals schickte Nora Back Grußbotschaften „un eis Kolleege vum LCGB“, die „haut zu Réimech nach hir eege Feier hunn“. Am 28. Juni wird die Ende vergangenen Jahres gebildete „historische“ Gewerkschaftsfront gegen die Politik der CSV-DP-Regierung auf die Straße gehen. Die Gründe für den Protest legte die OGBL-Präsidentin am Donnerstag in ihrer 45-minütigen Ansprache ausführlich dar.

Statt bestimmte Themenbereiche aus dem Kollektivvertragsgesetz auszulagern und kleineren und mittleren Betrieben es zu erlauben, Ausnahmen zur Arbeitszeitregelung ohne Gewerkschaften auszuhandeln, wie die Regierung es derzeit plant, fordert der OGBL vor allem mehr sektorielle Kollektivverträge: „Eis Fuerderung ass eng Verbesserung vum Gesetz, méi Kollektivverträg an net eng weider Verschlechterung vum Kollektivvertragsgesetz.“
Mär brauchen Aarbechtszäiten, déi d’Leit net futtimaachen
„Mär brauchen Aarbechtszäiten, déi d’Leit net futtimaachen“, skandierte Nora Back und verlangte eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Georges Mischo und DP-Wirtschaftsminister Lex Delles forderte sie dazu auf, ihre „einseitigen“ Gesetzentwürfe zur Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten und der Sonntagsarbeit im Einzelhandel zurückzuziehen. Von der DP, die sich am Sonntag auf ihrem Nationalkongress als Mutter des Sozialdialogs aufgespielt hatte, fand am Donnerstag kein Minister den Weg ins Neimënster.
Caritas und CFL
Die Personaldelegationen in den Betrieben bräuchten mehr Mitspracherecht, mehr Rechte, mehr Mittel und vor allem einen besseren Kündigungsschutz, sagte die OGBL-Präsidentin. Es sei „katastrophal“, was sich derzeit „op ville Plazen um Terrain“ abspiele, mit allen Mitteln werde Druck auf Personaldelegierte ausgeübt. Und das nicht nur in der Privatwirtschaft, sondern immer häufiger auch in staatlich konventionierten Branchen wie etwa dem Gesundheits- und Sozialsektor: „Hei spillen elo beemol verschidden Employeure Grousskonzern aus der Privatwirtschaft a fuere mat Angscht a Repressiounsregimer.“ „Caritas jeunes et familles“ fordert der OGBL dazu auf, die vier suspendierten Delegierten sofort wieder einzugliedern: „Am anere Fall verlaange mir der Directrice hir Mise à pied.“
Auch bei der CFL würden Gewerkschaften und ihre Verhandlungsrechte immer häufiger übergangen: Die Einführung von Mitarbeitergesprächen, eine Verschlechterung der Schichtzeiten, die Einschränkung der Promotionsexamen und die Einführungen einer Prämie nur für Teile des Personals würden ohne Dialog mit den Gewerkschaften „durchgepeitscht“, sagte Nora Back.

Auf die Rentendebatte ging die im März für eine zweite fünfjährige Amtszeit wiedergewählte OGBL-Präsidentin erst gegen Ende ihrer Ansprache ausführlich ein. Das starke, öffentliche, solidarisch finanzierte Rentensystem werde der OGBL mit allen Mitteln verteidigen, es sei eine der wichtigsten Errungenschaften der internationalen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung. Den Plänen von Patronat und ihren „politischen Interessenvertretern“, das Rentenwesen so weit wie möglich zu privatisieren und dem privaten Handel zu unterwerfen, der zusätzlich durch Steuerabschreibungen vom Staat gefördert werden soll, wolle der OGBL sich entschieden entgegenstellen. Nach der ersten rückschrittlichen (vom damaligen LSAP-Sozialminister Mars Di Bartolomeo umgesetzten) Reform von 2012, sei man nun erneut mit einem Angriff auf das Rentensystem konfrontiert, sagte Nora Back, die ebenfalls eine „Harmoniséierung“ der beiden Rentenregimes forderte, die mit einer Aufhebung der Beitragsobergrenze beginnen müsse.
Der OGBL will sich auch für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und Präventionsangebote zum Schutz der Gesundheit der Beschäftigten sowie eine Stärkung des Industriestandorts Luxemburg einsetzen. Steuerliche Umverteilung, massive Investitionen in den öffentlichen Wohnungsbau, der Kampf gegen Immobilienspekulation, eine sozial gerechte Energietransition und ein besserer Schutz der Menschenrechte lauten weitere Forderungen, die der OGBL schon seit Jahren vorbringt.
„Grondrechter verteidegen“
Nicht zuletzt will der OGBL auf der Protestveranstaltung am 28. Juni auch gegen die Verschärfung des Demonstrationsrechts durch CSV-Innenminister Léon Gloden demonstrieren. „Mir wäerten eis demokratesch Grondrechter verteidegen a mir reechen hei der gesamter Zivilgesellschaft d’Hand, fir dee Match zesummen ze maachen!“
Zum 19. Mal feierte der OGBL dieses Jahr das Fest der Arbeit und der Kulturen am 1. Mai im Kulturzentrum Neimënster im hauptstädtischen Grund. Logistisch unterstützt wird die Gewerkschaft dabei von der ASTI, der ASTM und dem Verlagshaus Editpress, zu dem auch das Tageblatt gehört. Der 1. Mai sei die Generalprobe für den 28. Juni, sagte Isabel Scott, beigeordnete Zentralsekretärin für das Syndikat Dienstleistungen und Energie, am Donnerstag in ihrer Einleitung zur Rede der Präsidentin. Der 28. Juni werde eine Kombination aus dem 9. Oktober 1973 und dem 16. Mai 2009 sein, meinte Nora Back später. Einerseits wolle man soziale und demokratisch fortschrittliche Reformen, andererseits stelle man sich dem sozialen und demokratischen Rückschritt entgegen. 1973 war es dem OGBL-Vorgänger LAV vor der Stahlkrise gelungen, rund 40.000 Menschen auf dem Knuedler zu versammeln. 2009 hatten OGBL, LCGB, CGFP, Aleba, FNCTTFEL, Syprolux und FGFC in einer gemeinsamen Gewerkschaftsfront „Zehntausende Menschen“ in der Hauptstadt mobilisiert. Für den 28. Juni gab der OGBL, im Gegensatz zum LCGB, am Donnerstag keine Teilnehmerzahl als Ziel aus.
De Maart

@ Jung Luc : Wo'u mengt dir dass dann di Su'en hiir kommen fir een iwerdriwenen Sozialstaat !
Een deen Problemer huet kann 6 Meint gehollef krei'en, mee dono muss deen awer och rem vum selwen go'en kennen !
Dat huet de Nosferato ower net gär héieren.
Jedes Jahr dasselbe Showgetue.
Des Regierung attakeiert eisen Sozialstaat an dat net ze knapps. Et ass dei schlemsten Attaque zanter ganz langem. Wann et esou weider geet dann brauchen se sech an der Regierung net ze wonneren wann geschwenn eng Keier zum Streik opgeruf get. Dat schengt mir dat eenzecht wat des Regierung versteht.