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ÜberblickDer Weg zum Brexit-Referendum und dem EU-Austritt

Überblick / Der Weg zum Brexit-Referendum und dem EU-Austritt
Der damalige britische Premierminister David Cameron bei seinem letzten EU-Gipfel am 28. Juni 2016 Foto: European Union

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Vor fünf Jahren verließ das Vereinigte Königreich die Europäische Union. Für Nationalisten und Souveränisten erfüllte sich damals ein lang gehegter Traum. 

Die Briten haderten von Beginn an mit ihrer Mitgliedschaft, zuerst in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), später in der Europäischen Union. Bereits zweieinhalb Jahre nach ihrem EWG-Beitritt wurde die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs im Juni 1975 erstmals über einen Verbleib im gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum befragt. Damals stimmten noch 67 Prozent dafür. Beim zweiten Referendum am 23. Juni 2016 fiel das Resultat denkbar knapper aus, dieses Mal allerdings für den Austritt aus der EU: 51,89 Prozent stimmten dafür, 48,11 Prozent dagegen.

Die Stimmung dafür wurde jahrzehntelang geschürt, unter anderem von einem späteren Hauptakteur der „Leave“-Kampagne. Von 1989 bis 1994 war der spätere britische Premierminister Boris Johnson Korrespondent in Brüssel, von wo er offenbar nicht immer zutreffende Geschichten über die vermeintliche Regulierungswut Brüssels für den Daily Telegraph schrieb. Es war vor allem die konservative Tory-Partei, die nicht sehr glücklich mit der Richtung war, die die Europäische Union mit dem Vertrag von Maastricht 1992 einschlug. Mit dem im Dezember 2007 unterzeichneten Lissabonner Vertrag, und der darin enthaltenen Losung einer „immer engeren Union“ (ever closer Union), konnten sich die Briten nie richtig anfreunden. Der Vertrag enthielt allerdings erstmals auch eine Ausstiegsklausel.

2009 zog der damalige Tory-Chef David Cameron seine Partei aus der Europäischen Volkspartei (EVP) zurück und gründete eine neue, EU-skeptische Fraktion im Europäischen Parlament (EP). Die EVP war Cameron zu föderalistisch ausgerichtet. Damals bereits trieb die rechtspopulistische „United Kingdom Independence Party“ (UKIP) mit ihrem Vorsitzenden Nigel Farage die Torys vor sich her, indem sie sich für einen EU-Austritt stark machte. Dieser Druck verstärkte sich, nachdem UKIP bei den Europawahlen 2014 mit 27 Prozent der Stimmen stärkste Partei wurde. David Cameron, seit 2010 Premierminister, wollte es nun wissen, da ihm zunehmend auch Hinterbänkler seiner eigenen Partei wegen der EU-Mitgliedschaft im Nacken saßen. Cameron wollte die Beziehungen Großbritannien zur EU neu ausverhandeln. Die anderen 27 EU-Staaten gestanden London im Februar 2016 unter anderem zu, dass sich das Land nicht zu einer weiteren politischen Integration verpflichten müsste. Auch bei der geforderten Begrenzung der Einwanderung kamen die EU-Partner dem britischen Premier entgegen.

Mit einer nur knappen Mehrheit wähnte David Cameron die Umfragewerte auf seiner Seite und setzte das Referendum für den 23. Juni 2016 an, Luxemburgs Nationalfeiertag. Und es kam anders, nach einer Kampagne, die von den Austritts-Befürwortern zuweilen mit Falschdarstellungen und fremdenfeindlichem Unterton geführt wurde. Der Schock über das Ergebnis der Volksbefragung ging tief und wirkte in der gesamten EU lange nach. Nun betraten alle Neuland. Und es stellte sich heraus, dass die britische Regierung und die gesamte politische Klasse des Landes keinen Plan hatte. Die Brexiteers, die Befürworter des EU-Austritts, beharrten auf ihrer Maximalforderung: kompletter Ausstieg, auch aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion. David Cameron, der sich für einen Verbleib in der EU ausgesprochen hatte, trat zurück. Ihm folgte Theresa May. Sie brauchte bis zum 29. März 2017, bevor sie offiziell den Austrittsantrag in Brüssel einreichte. Damit blieben nur mehr zwei Jahre bis zum endgültigen Bruch. Vorläufig.

Problem: innerirische Grenze

Im November 2018 lag ein Austrittsabkommen vor, das vom Europäischen Rat gebilligt wurde. Doch Theresa May schaffte es nicht während turbulenter Monate Anfang 2019, das Abkommen durchs Parlament zu bringen. Die Premierministerin musste die EU-Staaten um eine Verlängerung bitten, erstmals bis zum 12. April, danach wurde ihr bis zum 31. Oktober Zeit gewährt. Zwischenzeitlich mussten die Briten noch einmal Europawahlen abhalten, da sie noch immer EU-Mitglied waren. Und Theresa May warf Ende Mai entnervt das Handtuch.

Es folgte Boris Johnson – und das Chaos nahm seinen Lauf. Ein Krisentreffen Mitte September in Luxemburg zwischen ihm und dem damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker brachte die Kuh auch nicht vom Eis. Das Problem: Zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland sollte keine neuerliche Grenze entstehen. Wie aber sollten Zollkontrollen zwischen beiden organisiert werden? Die Lösung aus Brüssel, die Zollkontrollen in die Irische See zu verlagern, stieß bei den Brexiteers und Nordiren auf Ablehnung. Wurde aber später so ähnlich appliziert. Widerwillig musste Ende Oktober auch Johnson eine Verlängerung beantragen, die ihm bis zum 31. Januar 2020 gewährt wurde. Um 24.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit erfolgte an diesem Tag der Austritt. Am 1. Januar 2021 verließ das Vereinigte Königreich nach einer Übergangszeit auch den EU-Binnenmarkt und die Zollunion. Spätestens seitdem wissen die Briten Umfragen zufolge, dass das die falsche Entscheidung war.