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Luxemburg-Stadt„Gemeinderat hat verhältnismäßig gehandelt“: Ein Jahr Bettelverbot – mit elf Verstößen

Luxemburg-Stadt / „Gemeinderat hat verhältnismäßig gehandelt“: Ein Jahr Bettelverbot – mit elf Verstößen
Seit Mitte Dezember 2023 ist das Betteln in der Hauptstadt an bestimmten Orten und zu bestimmten Uhrzeiten verboten Foto: Editpress/Julien Garroy

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Vor einem Jahr trat mit dem sogenannten „Bettelverbot“ eine umstrittene Regelung in Luxemburg-Stadt in Kraft. Die Bilanz der Stadt fällt nach zwölf Monaten positiv aus. Konkrete Zahlen fehlen aber weiterhin.

Viel wurde darüber diskutiert, inzwischen ist die Diskussion darüber abgeflacht: das sogenannte Bettelverbot in Luxemburg-Stadt. Seit dem 15. Dezember 2023 ist es in der Hauptstadt an bestimmten Orten zwischen 7 und 22 Uhr nicht mehr erlaubt, Vorbeigehende um Kleingeld zu bitten. Die Bürgermeisterin der Gemeinde Luxemburg, Lydie Polfer (DP), ist so weit zufrieden mit der Regelung, die seit einem Jahr gilt. „Es ist besser geworden mit der organisierten Bettelei. Es gibt diese zwar noch, aber es ist weniger geworden“, so die Politikerin. 

Wie viele solcher mutmaßlich organisierten Banden es vor und nach Einführung des umstrittenen Artikels 42 der hauptstädtischen Polizeiverordnung in der Hauptstadt gab und noch gibt, kann die Stadt nicht beantworten. Denn: „Über diese Daten verfügt ausschließlich die Polizei“, so die Pressestelle der Gemeinde Luxemburg. Diese stellt fest: „Wenn man im Alltag in der Stadt unterwegs ist, merkt man, dass sich die Situation generell verbessert hat. Es erreichen uns insgesamt weniger Beschwerden von den Leuten aus der Stadt.“ 

Keine Konsequenzen

Konkrete Zahlen nennt die Justiz: Elf Verstöße gegen das Bettelverbot hat die Polizei seit Inkrafttreten der Regelung zu Protokoll gegeben und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet – wie die Pressestelle der Justiz auf Nachfrage mitteilt. Bei einem dieser elf Fälle handelt es sich um die Selbstanzeige von Christian Kmiotek, der sich Anfang des Jahres wegen Bettelei selbst der Polizei stellte und dessen Fall schnell zu den Akten gelegt wurde.

Lediglich ein Verstoß war tatsächlich vor Gericht Thema. Denn, so heißt es von der Pressestelle der Staatsanwaltschaft: „In dem Fall lief ein Mann auf die Straße – was gefährlich ist. Er steht nicht wegen des Bettelns vor Gericht, sondern wegen seines Verhaltens im öffentlichen Raum.“ Bis auf ein weiteres Dossier mit einer unbekannten tatverdächtigen Person wurden laut Justiz alle Protokolle nach deren Analyse zu den Akten gelegt. Diese hatten also keine weiteren Konsequenzen, wie zum Beispiel das Zahlen eines Bußgeldes.

Zahlen zur Anzahl der Personen, die betteln, haben wir nicht

Pressestelle der Polizei

Die Pressestelle der Polizei bestätigt die Anzahl von elf Verstößen, die diese zu Protokoll gegeben hat. Ob die Bettelei abgenommen hat, kann sie nicht sagen. Denn, so heißt es von der Pressestelle: „Zahlen zur Anzahl der Personen, die betteln, haben wir nicht. Die Polizei erfasst diese nicht statistisch.“ Sogenannte aggressive Bettelbanden – gegen die die politischen Verantwortlichen mit der neuen Regelung vorgehen wollen – sind den Behörden aktuell nicht bekannt. In den Augen der Polizei ist das den regelmäßigen Fußpatrouillen der neuen Lokalpolizei zu verdanken.

Verlagerungen nicht untersucht

Wie viele Menschen im Rahmen des Bettelverbots kontrolliert wurden, kann die Polizei nicht sagen. Diese erklärt: „Wenn eine Person gegen die Gemeindeverordnung verstößt, wird ihre Identität kontrolliert. Das wird allerdings nicht statistisch erfasst, deshalb haben wir keine Zahlen dazu.“ Bekannt ist nur, dass die aggressive Bettelei in den Augen der Polizei laut deren Pressestelle einen „aufdringlichen und aktiven Charakter“ hat. Und dass es im Ermessen der Beamtinnen und Beamten vor Ort liegt, die Situation einzuschätzen. 

Eine klare Antwort gibt es ebenfalls nicht auf die Frage, ob es durch die neue Regelung zu Verlagerungen gekommen ist und nun an anderen Orten gebettelt wird. „Auch dazu können wir keine statistisch relevanten Daten liefern. Sicherlich bringt sichtbare Polizeipräsenz aber mit sich, dass es stellenweise zu mehr oder weniger starken Verlagerungen der Bettelei und allgemein auch von verschiedenen Formen der Kriminalität kommt.“

Strafgesetzbuch wird überarbeitet

In der Diskussion um das umstrittene Bettelverbot waren immer wieder Unklarheiten in der Gesetzgebung Thema. In dem Zusammenhang kündigte Justizministerin Elisabeth Margue (CSV) eine Reform des Strafgesetzbuches an. Der entsprechende Gesetzesentwurf n°8418 wurde im Juli in der Abgeordnetenkammer hinterlegt. „Mit diesem Text wird eine erste Modernisierung des ‚Code pénal’ vorgenommen und es werden überflüssige sowie nicht mehr zeitgemäße Bestimmungen entfernt – darunter auch die über das Betteln“, heißt es auf Nachfrage von der Pressestelle des Justizministeriums. Und weiter: „Damit aber die aggressive Bettelei wirksam bekämpft werden kann, wird ein neuer Artikel hinzugefügt.“ Aktuell wartet das Ministerium auf das Urteil des Staatsrats. In einer zweiten Phase der Reform sollen die im Strafgesetzbuch festgelegten Strafen vereinheitlicht werden. Anschließend wird dann die Terminologie angepasst und definiert, welche neuen Vergehen strafrechtlich verfolgt werden können. 

Zu eventuellen Verlagerungen meint die Gemeinde Luxemburg ausweichend: „Es gab und gibt immer noch Orte in anderen Vierteln, in denen es aggressive Bettelei gibt. Aber es wurde entscheiden, dass Artikel 42 ausschließlich an den Orten gilt, an denen das Phänomen so angewachsen war, dass es nur durch eine Begrenzung kontrolliert werden konnte.“ Abschließend heißt es: „Der Gemeinderat hat dementsprechend verhältnismäßig gehandelt.“ Das Bettelverbot soll auch weiter bestehen bleiben und erst dann geändert werden, wenn dies angesichts der Reform des Strafgesetzbuches oder des verstärkten Platzverweises nötig wäre.


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