Einen größeren Kontrast gibt es nicht: Während der Landeskongress der Piraten Anfang des Jahres noch in einem gut gefüllten Saal in Hesperingen stattfand, hatten sich bei Temperaturen um den Nullpunkt deutlich weniger Personen in Petingen eingefunden. Pressevertreter, ein Kleinkind und den Hund von Daniel Frères eingerechnet, hatten lediglich um die 40 Seelen den Weg in den Süden Luxemburgs ins Kulturhaus „A Rousen“ gefunden. Ungefähr gleich viele Personen waren online zugeschaltet. Die Wahl des Ortes dürfte kein Zufall gewesen sein: Alle Vorzeichen deuteten darauf hin, dass es ein Heimspiel für den Petinger Piraten-Abgeordneten Marc Goergen werden würde. „Wenn Sven denn kommt …“, konnte man mehrfach vor Kongressbeginn aus Piratenreihen hören. Clement sollte dann doch auftauchen. Gut gelaunt scherzte der Piraten-Abgeordnete mit den Pressevertretern, wirkte im Saal jedoch weitestgehend isoliert.

Marc Goergen eröffnete den Kongress im eigenen „Wohnzimmer“ mit einer Mischung aus mahnenden Worten, Kritik an abgewanderten Piraten-Mandatsträgern und einem Verbesserungsgelöbnis an die eigenen Mitglieder, das nicht zuletzt durch die neuen Statuten umgesetzt werden sollte. „Nei Piraten, nei Statuten“ lautete folgerichtig das Motto, unter dem die Piraten sich zusammenfanden. Sich selbst nahm Marc Goergen unterdessen nicht von der Kritik aus – Worte, denen Sven Clement regungslos lauschte. Insgesamt wirkte Clement den größten Teil des Kongresses abwesend, tippte auf seinem Smartphone herum, blickte kaum zu den Piraten auf, die das Wort ergriffen, griff ab und zu zum Kaffeebecher. Er selbst wird das Wort während des Kongresses nicht ergreifen. Nur einmal sollte das Pokerface von Sven Clement nachlassen. Als Gilles Mertz als Kandidat für die neue Parteileitung mit einem schelmischen Grinsen von einer Zeit schwelgte, als sowohl er selbst als auch Marc Goergen dünner waren, entfuhr es Sven Clement: „viel dünner“. Ansonsten nahm der Abgeordnete die Entscheidungen des Kongresses regungslos hin, spendete Beifall, wenn der Rest des Saales es auch tat.
In eine neue Zukunft
„Die Piraten hatten ihren Höhenpunkt nach den Gemeindewahlen und vor den Chamber-Wahlen“, so Goergen. Die anvisierte Statutenänderung habe infolge der MALT-Affäre einen anderen „Touch“ erhalten. Es seien nicht zuletzt auch Empfehlungen des Rechnungshofes und anderer Audits umgesetzt worden. Goergen will jedoch auch einen Hoffnungsschimmer erkannt haben. Man erkenne jetzt, wem es um die Sache ging und wer nur zu den Piraten kam, um schnell Karriere zu machen. Ein „Egoismus“, dem man in den Statutenänderungen ebenfalls Rechnung tragen wolle. Dennoch warnte der Abgeordnete, der seinen Posten als Parteikoordinator aufgibt, dass es „Rückschläge geben wird“.
Nachdem das Kongressbüro gewählt wurde – allesamt Mitglieder des Südbezirkes der Piraten, die sich in den vergangenen Wochen mehrfach mit Goergen ablichten ließen –, ergriff Politikberater Tommy Klein das Wort und stellte die Statutenänderungen noch einmal vor. „Transparenz wird in den Statuten verankert“, sagte Klein. „Neue Prozeduren sollen Missstände verhindern.“ Insgesamt solle die Partei basisdemokratisch gestärkt werden, eine Ethikkommission anstelle eines nie einberufenen Schiedsgerichtes treten. „Bisher stand in den Statuten der Piraten, dass Wahlkampagnen anhand des Wahlgesetzes geleitet werden sollen“, so Klein. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre hätten aber gezeigt, dass nur ein Bruchteil der nötigen Entscheidungen im Wahlgesetz festgehalten würden. „Es wird keine Obergrenzen mehr für die jeweiligen Sektions-Komitees geben“, so Klein weiter. Und: „Ein Register wird erstellt, um sicherzugehen, dass in der Parteileitung jeder über mögliche Interessenkonflikte in der Parteileitung aufgeklärt wird.“ Die Statutenänderung wurde letztendlich mit 28 Ja-, einer Nein-Stimme und einer Enthaltung angenommen.

Mit der Statutenänderung konnten bei der anschließenden Wahl der neuen Parteileitung auch die online zugeschalteten Piraten abstimmen. Für die sieben Plätze in der Parteileitung lagen sieben Kandidaturen vor, allesamt wurden diese abgenommen. Und so obliegt es Camille Liesch, Claude Legrand (ebenfalls zum Co-Koordinator gewählt), Gilles Mertz, Joël Krack, Killian Saffran, Raymond Remakel (ebenfalls zum Co-Kassenwart gewählt) und Steve Fuchs, die Piratenpartei wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Dabei helfen sollen als Co-Koordinatoren Starsky Flor, Ben Lomel sowie Paula Couto als neue Co-Kassenwartin der Partei. Die neuen Statuten seien ein wichtiger Schritt, damit aus den Piraten wieder eine Kraft werde, mit der man rechnen müsse, hieß es von den neuen Co-Koordinatoren zum Abschluss.
Die MALT-Affäre
„MALT – Mobile Assisted Language Tool“ heißt das Projekt, das die Piratenpartei in ihre bislang größte Krise gestürzt hat. Dahinter verbirgt sich eine App, die es ermöglichen sollte, Arabisch auf Luxemburgisch zu übersetzen und somit den 2015 aus Syrien geflüchteten Personen in Luxemburg die Integration zu erleichtern.
Die Piratenpartei hatte sich 2016 dazu entschlossen, sich für das ausgeschriebene Projekt zu melden und wurde vom damaligen OLAI („Office luxembourgeois de l’accueil et de l’intégration“, heute ONA) zu den Verantwortlichen ernannt. Anschließend wurde das Projekt auf der Webseite der Piraten öffentlich ausgeschrieben. Eine Ausschreibung, die nur wenig Resonanz erhielt, sodass das Projekt schließlich, „nach den Regeln einer solchen Prozedur“, an die Firma von Jerry Weyer und Sven Clement – beide damals Piraten-Mitglieder – vergeben wurde.
Das „Office national d’accueil“ fordert heute jedoch eine Zahlung von 92.316,14 Euro, weil einige Leistungen nicht wie verbucht erbracht worden sein sollen. Dem vorausgegangen ist ein Audit des Wirtschaftsprüfungsunternehmens KPMG, das der „Commission d’exécution budgétaire“ in der Chamber vorgelegt wurde. Mittlerweile hat die Europäische Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen.
Alles verlief nach Plan. Es gab keine Abweichungen von der Inszenierung.
Die treuen erlesenen Parteisoldaten, welche noch verblieben waren, erhielten die begehrten verantwortungsvollen Pöstchen.
Das wird wohl nichts mehr mit den piraten...besonders da Freres hund wahrscheinlich nicht kandidieren darf.