Es hat etwas von einer Zeitreise. Gut drei Stunden dauert die Fahrt mit dem Bus nach Mondorf am Rhein. Dort in der Lux-Werft wird Ende 1984, Anfang 1985 ein Touristenboot gebaut. Unter dem Namen „Princesse Marie-Astrid“ fährt es von 1985 bis 1992 auf der Mosel. Anschließend wird es nach Deutschland verkauft, wo das Schiff als „Regensburg“ mit Touristen über die Donau fährt. Über all dies würde heute wohl kaum mehr einer reden, wenn in den Jahren unter Luxemburger Flagge nicht die Abkommen von Schengen eben auf diesem Boot unterschrieben worden wären.
Dieses geschichtliche Ereignis macht das Schiff zu einem bedeutenden Zeitzeugen. Deswegen haben die Luxemburger Regierung und die Gemeinde Schengen das Schiff 2021 zurückgekauft. So kann es nach Luxemburg zurückkehren und spätestens am 14. Juni 2025, zum 40. Jubiläum der Unterzeichnung des ersten Vertrags von Schengen, definitiv in der gleichnamigen Gemeinde an der Mosel anlegen.
Dort, wo es gebaut wurde, wird das Schiff jetzt renoviert und modernisiert. Die Arbeiten sind weit fortgeschritten, wie der Ortsbesuch in der Werft diese Woche zeigt. Nach der kompletten Entkernung wurde Rost entfernt und zwei Elektromotoren sind statt des früheren Dieselantriebs installiert worden. Die Isolation, die elektrischen Leitungen sowie die Heizung sind neu. Der Außenanstrich ebenso. Diese Woche wird mit der Innenausstattung begonnen, dabei werden auch Originalteile, wie zum Beispiel Lampen, verwendet. Neue Fenster werden eingesetzt und am kommenden Montag wird der Lift geliefert. Das Boot wird damit komplett barrierefrei, so Elmar Miebach-Oedekoven.
Zukunft als Botschafterin
Der Geschäftsführer der 1945 gegründeten Lux-Werft erwähnt die guten Geschäftsbeziehungen, die es seit 1966 mit Luxemburg und der „Entente touristique de la Moselle“ gebe. In deren Auftrag seien nämlich alle bisherigen Marie-Astrid-Schiffe, insgesamt fünf, in Mondorf am Rhein gebaut worden. Jetzt wird die Nummer zwei in der Werft wieder auf Vordermann gebracht: „Wir sind stolz, dieses Schiff nicht nur gebaut zu haben, sondern jetzt auch renovieren und modernisieren zu können.“
Das Schiff stehe für ein bedeutendes Ereignis. Nicht nur für Luxemburg, sondern für Europa. Es passe damit genau in das von Luxemburg gewünschte Konzept des Erinnerungstourismus, so der zuständige Minister Lex Delles. Vor allem im Kontext der aktuellen Probleme mit Grenzkontrollen rund um das im Prinzip grenzenlose Europa sei es gut und wichtig, dass das Schiff jetzt zurück nach Luxemburg komme. Zu diesem Zweck solle es durchaus auch als Botschafterin des grenzenlosen Europas unterwegs sein. Dies zu besonderen Anlässen, beispielsweise dem Europatag.
Das Schiff sei aber auch Bestandteil des neuen Museumskonzeptes, das zurzeit in Schengen realisiert wird. Es dürfe also nicht zu oft seinem künftigen Kai in Schengen direkt gegenüber dem neuen Europamuseum fernbleiben, gibt Delles zu verstehen. Was seine Zukunft anbelange, seien viele Überlegungen angestellt und viel Zeit und Energie investiert worden. Dazu gehöre auch der neue Name für das Schiff. Soll es ein gänzlich neuer Name sein? Oder einer, der der Tradition verpflichtet bleibt und trotzdem anders klingt? Wichtig sei es gewesen, sich vom heute auf der Mosel fahrenden Tourismusschiff Marie-Astrid zu unterscheiden. So wurde das luxemburgische „Prinzessin“ gewählt, statt des französischen „Princesse“. Als Zusatz kam dann Europa hinzu. Das darf man wohl als klares Bekenntnis verstehen: „Nomen est omen!“
Rückkehr als Symbol
Mit der Heimkehr der Marie-Astrid gehe ein Traum in Erfüllung, so Michel Gloden, Bürgermeister von Schengen. Ein Traum, den auch einer seiner Vorgänger, nämlich Roger Weber, bereits vor vielen Jahren hegte. Einige nahmen ihn damals nicht ganz ernst. Dabei hat Weber damals auf etwas hingewiesen, was auch Michel Gloden heute in die Wagschale wirft, nämlich, dass die Besucher in Schengen sehr oft danach fragen würden, wo denn die Verträge von Schengen unterschrieben wurden. Spätestens ab dem 14. Juni nächsten Jahres wird die Antwort einfach sein. „Die Rückkehr ist ein wichtiger Beitrag für den regionalen und nationalen Tourismus und für die Verträge von Schengen. Es ist ein Symbol der Wiege des grenzenlosen Europas.“
Martina Kneip, Direktorin des Europamuseums, erinnert daran, dass das erste Museum in Schengen 2010 eröffnet wurde. Was jetzt entstehe, solle dem Bild und der Entwicklung des Schengenraums gerechter werden. Der „Spirit of Schengen“ könnte als Leitmotiv dienen.
Einige Fragen seien in dem Kontext wichtig. Zum Beispiel, wie sich die Grenzen in der EU entwickelt haben? Was ist der Schengenraum heute und welchen Einfluss hat er auf die Bürger? Es gehe auch um die Außengrenzen des Schengenraums und um seine Symbolkraft. Immerhin sei der Name des Moselortes weltweit bekannt, so Pit Péporté, der das Projekt aus Sicht des Historikers berät.
Noch einige Fragen offen
Für die Ausstattung des Museums und des Schiffes sind zwei italienische Büros ausgewählt worden. Nämlich Migliore+Servetto und Karmachina. Es soll „mehr als nur ein Museum werden“, so Mara Servetto. Es sei die Verwirklichung einer Vision. Die Geschichte und Identität Schengens stünden im Fokus. Die Architektin und Designerin spricht von „einer unvergesslichen Reise über die Grenzen von Zeit und Raum hinaus“. Eine Art Mischung zwischen klassischem Museum und Luna-Park solle es werden. Paolo Ranieri von Karmachina spricht von einem multimedialen und interaktiven Erlebnis, so wie Karmachina es in einem Museum in Mestre (Italien) umgesetzt hat. Ranieri und Servetto nennen es einen Ort, wo man hingehe und gerne zurückkehre.
Nach heutiger Einschätzung werden sich die Kosten des Projektes, also Schiff und Museum, insgesamt auf knapp 18 Millionen Euro belaufen. Sie werden integral vom Staat aufgebracht. Nun denn.
Einige Fragen bleiben noch offen. Klar ist, dass in Zukunft Eintritt gezahlt werden muss, doch wie viel? Zwischen fünf und zehn Euro für Erwachsene könnten es werden. Heute ist das Museum gratis. Klar ist auch, dass zusätzliches Personal eingestellt werden muss, um den neuen Aufgaben gerecht zu werden. Doch wer und wie viele? Klar ist auch, dass es eine Art Taufzeremonie geben soll. Wann und wie, bleibt abzuwarten. Wird zum Beispiel die leibhaftige Prinzessin Marie-Astrid so wie bisher üblich auch bei der Zeremonie anwesend sein?
Noch bleiben sieben Monate bis zum 14. Juni 2025.
Abkommen von Schengen
29 Jahre ist es her, dass die Grenzen im Schengen-Raum, im Prinzip, offiziell geöffnet sind. Seit dem 26. März 1995 gilt die Freizügigkeit für Personen, Waren und Dienstleistungen. Diese wohl größte Errungenschaft der Europäischen Union geht auf den oder die Verträge von Schengen zurück. Am 15. Juni 1985 unterzeichnen die Staatssekretäre von Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Deutschland und Luxemburg das erste Abkommen. Es handelt sich um eine Absichtserklärung. In anderen Worten: Man will die Grenzen abschaffen. Sicher ist das Ganze damals nicht. 1990 folgt das Umsetzungsprotokoll „Schengen 2“, jener Vertrag, der regelt, wie und unter welchen Bedingungen die Grenzen geöffnet werden.
1995 werden die Verträge von Schengen in die Praxis umgesetzt. Die Grenzen fallen, Zollhäuschen werden umgebaut oder entfernt. Als dritter Vertrag von Schengen gilt auch das 2005 im deutschen Prüm unterzeichnete Abkommen über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, besonders was Sicherheit und Polizeibefugnisse anbelangt.
De Maart















Bravo. Ahh Elektromotoren.Das wäre jetzt der Clou gewesen.Einfahrt in Wasserbillig unter einer grauen Dieselwolke zum Entsetzen aller applaudierenden Klimaschützer. Symbolik für ein geeintes Europa genügt aber nicht. Kommt Orban auch zur Einweihung?
Ich hätte das Schiff "Spirit of free Ukraine" genannt und dort 2025 den Friedensvertrag mit Russland unterschrieben!🕊️🙈🤐😱