Es waren die schockierenden Fälle von schlimmstem Missbrauch, wie auf einem Campingplatz in Lüdge, die die damalige große Koalition zum Handeln brachten. Darüber hinaus führte der starke Anstieg von kinderpornografischen Straftaten durch ganze Netzwerke im Jahr 2021 zu einer erheblichen Strafverschärfung. Gut gemeint, aber offenbar schlecht gemacht.
Der Deutsche Richterbund (DRB) fordert von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) jetzt, endlich eine lange versprochene Gesetzeskorrektur vorzulegen. „Es ist höchste Zeit, dass der Bundesjustizminister die Hilferufe der Justiz und Betroffener aufnimmt und die Ampel-Gespräche über ein Reparaturgesetz endlich zu einem Abschluss führen“, so Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Richterbundes, zum Tageblatt.
Worum geht es genau? Seit 2021 wird als Verbrecher bestraft, wer Kinder sexuell misshandelt, Fotos und Bilder davon macht oder solche Aufnahmen verbreitet oder auch nur besitzt. Die GroKo setzte die Höchststrafe auf zehn Jahre und die Mindeststrafe auf ein Jahr herauf. Auf einen minderschweren Fall wurde verzichtet. Die konkrete Folge: Wer auch nur ein einziges eindeutiges Bild von einem nackten Kind besitzt, kann dafür angeklagt werden. Und das passiert offenbar immer öfter.
Die Strafverschärfung war seinerzeit bereits gegen den Rat vieler Experten durchgesetzt worden. Deren Bedenken haben sich laut Richterbund mittlerweile bestätigt. „Inzwischen häufen sich die Hilferufe zum Beispiel von Lehrern und Eltern, die in Klassenchats auf Fälle von Kinderpornografie aufmerksam geworden sind und die Dateien in bester Absicht gesichert oder an die Schulleitung weitergeleitet haben“, so Bundesgeschäftsführer Rebehn. Ihnen drohe wegen des drastisch verschärften Strafrechts jetzt eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr wegen Besitzes oder Verbreitens von Kinderpornografie. Schriftliche Strafbefehle oder Einstellungen von Verfahren seien gegen Auflagen nach geltendem Recht nicht mehr möglich. „Die vermeintlich gute Tat des Aufklärens wird so zum Bumerang“, beklagt der Experte.
Langes Warten auf Reparaturgesetz
Rebehn weiter: „Aus Sicht der Justizpraxis müssen die überschießenden Strafverschärfungen gegen Kinderpornografie aus dem Jahr 2021 schnellstmöglich korrigiert werden.“ Auch, um die Justiz wieder zu entlasten. Denn die müsse nun eine Vielzahl von Fällen verfolgen, die eigentlich nicht vor die Strafgerichte gehörten. „Das bindet viel Personal in den ohnehin überlasteten Staatsanwaltschaften und Gerichten, das dringend für die Bekämpfung der kriminellen Szene gebraucht würde“, betont Rebehn.
Auch die Länder hatten sich vor einiger Zeit schon dafür starkgemacht, die Reform zurückzudrehen. Aber bisher ohne Erfolg. Darüber hinaus liegen konkrete Vorschläge aus der Justizpraxis für eine Korrektur der Strafvorschriften seit Monaten auf dem Tisch. Aus Koalitionskreisen hieß es, das Ressort von Minister Buschmann sei „nicht das schnellste und blockiert gerne“. Eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums betonte auf Nachfrage, das Reparaturgesetz werde „bald“ vorgelegt. Der Richterbund traut der Ansage freilich nicht – man wartet schon zu lange auf die Änderungen. „Das Thema ist aber dringlich“, so Rebehn.
De Maart
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