Montag3. November 2025

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Ukraine-KriegKiew bereitet sich auf Rückeroberung von Melitopol vor 

Ukraine-Krieg / Kiew bereitet sich auf Rückeroberung von Melitopol vor 
Ein Kind spielt mit einer ukrainischen Flagge im Hof eines Familienhauses in dem im November befreiten Dorf Kyseliwka am Stadtrand von Cherson Foto: Bernat Armangue/AP/dpa

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So viele Waffen hat das ukrainische Städtchen Huljajpole das letzte Mal vor 101 Jahren gesehen, als die Rote Armee die aufmüpfigen ukrainischen Bauern unter dem Anarchistenführer Nestor Machno bekriegte.

Seit Wochen zieht diesmal die ukrainische Armee ohne viel Aufhebens Artillerie und Soldaten in der Steppe zwischen Saporischschja und Donezk zusammen, ausgerechnet wieder in Huljajpole. Denn hier verläuft seit März eine bisher eher ruhige Front zwischen den von Kiew gehaltenen Gebieten im Norden und dem russisch besetzten Küstenstreifen am Asowschen Meer.  

Doch mit der Ruhe ist es nun dahin: Am Donnerstag haben die Russen Huljajpole beschossen, das regionale Landwirtschaftszentrum mit seinen gut 13.000 Einwohnern vor der russischen Invasion. Sie wollen die Ukrainer bei ihrer Truppenkonzentration in der Region stören. Das Städtchen selbst ist seit Mai weitgehend ausgestorben. „Nur ganz wenige alte Leute harren in den Kellern ohne fließendes Wasser und Strom aus“, erzählt der ehemalige Volksschullehrer Wasyl am Telefon.  

Mangels besserer Alternativen hat die ukrainische Armee die dünn besiedelte Steppenlandschaft zum Aufmarschgebiet von Norden her auf den rund 60 Kilometer südlich gelegenen Verkehrsknotenpunkt Melitopol auserkoren. Denn ein Angriff auf die 150.000-Einwohner-Stadt von Westen her, ist weit schwieriger zu bewältigen. Nicht nur rund 100 Kilometer im frühen Winter noch matschige Schwarzerde liegen zwischen dem vor Monatsfrist befreiten Cherson und dem bereits seit dem 26. Februar besetzten Melitopol, sondern vor allem auch der Fluss Dnipro als natürlicher Verbündeter der russischen Besatzer. Diese haben nämlich vor ihrem Abzug aus den Gebieten westlich des Dnipro sämtliche drei Brücken in der Region unbrauchbar gemacht.  

Wir haben wenig Munition, also werden wir wenige Waffen einsetzen, aber bald geht es los

Valeri Zaluzhny, ukrainischer Generalstabschef

Würden die Ukrainer über Pontonbrücken massiv nach Südosten vorstoßen, gerieten sie in den Kugelhagel der Russen. Diese beschießen von dem noch besetzten südöstlichen Dnipro-Ufer aus immer noch fast täglich das Stadtzentrum von Cherson. Erst am Donnerstag fiel dort erneut das ganze Stromnetz zusammen, nachdem russische Raketen Umspannstationen getroffen hatten. Am Mittwoch wurden zwei Zivilisten im Stadtzentrum bei den Angriffen getötet.  

Offenbar viele Russen zur Aufgabe bereit

Die ukrainische Armee ist auch deshalb nach Norden ausgewichen. In sicherem Abstand zur Verwaltungshauptstadt Saporischschja und dem nahen russisch besetzten AKW am Dnipro-Ufer bei Enerhodar kommt es seit Wochenfrist zu ersten ukrainischen Vorstößen nach Süden. Kürzlich wurde dabei mit gezielten HIMARS-Raketenangriffen eine für den russischen Nachschub auf die seit 2014 besetzte Krim wichtige Brücke bei Melitopol beschädigt. Auch Polohy, der nördlichste Punkt des russisch besetzten Küstenstreifens, wird immer wieder von den Ukrainern angegriffen. Noch sind dies indes Nadelstiche, doch westliche Geheimdienste gehen von einem ukrainischen Schlag nach Südosten vermutlich noch vor Jahresende aus.  

„Wir haben wenig Munition, also werden wir wenige Waffen einsetzen, aber bald geht es los“, sagte der ukrainische Generalstabschef Valeri Zaluzhny am Donnerstag, ohne eine Angriffsrichtung zu nennen. „Es ist schon etwas Großes in Planung“, fügte Zaluzhny geheimnisvoll an. Ziel der Ukrainer dürfte sein, bei Melitopol einen Keil in den russisch besetzten Küstenstreifen zwischen der Krim und dem Donbass zu treiben. Behilflich dabei könnten auch lokale Partisanen sein, die Melitopol seit Mai unsicher machen. Dass auch die Russen selbst mit einem baldigen Angriff rechnen, zeigt der Einsatz von Häftlingen beim Bau von Panzersperren und Schützengräben rund um Melitopol. 

Seit der Eroberung von Lyssytschansk im Donbass im Juli ist der russischen Armee kein militärischer Erfolg mehr in der Ukraine gelungen. Angeblich wollen sich über 4.300 russische Soldaten mittlerweile freiwillig ergeben. Dies berichtete am Donnerstag ein Sprecher des Sonderprogramms „Schritte ins Leben“.