Protest gegen EU-Kommission

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(Tageblatt-Archiv)

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Nach sechs EU-Staaten in der vergangenen Woche haben nun vier deutsche Bundesländer und der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl einen Brandbrief an die EU-Kommission gesendet und dringend eine Veränderung ihrer Stahl-Politik verlangt.

In den deutschen Stahl-Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Brandenburg und dem Saarland arbeiten über 12.000 Stahlwerker direkt in der Stahlindustrie . In Duisburg (Nordrhein-Westfalen) befindet sich der größte Stahl-Standort in Europa. Die 487.000 Einwohner zählende Stadt lebt von der Mono-Industrie Stahl. Nicht anders ist es in Niedersachsen mit dem Standort des Salzgitter-Konzerns oder im Ruhrgebiet mit den Standorten Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund.

In Brandenburg steht ein integriertes Stahlwerk an der polnischen Grenze, das zum ArcelorMittal Konzern gehört und in engem Kontakt mit der Stahlindustrie auf der anderen Seite Grenze steht, die zu demselben Konzern gehört. Bremen und Hamburg sind so genannte See-Standorte zur Anlieferung von Eisenerz und Kohle. Die deutsche Stahlindustrie ist eine Schlüsselindustrie, die, tief im Wirtschaftsleben verzweigt, in der deutschen Industrie verwurzelt ist.

Warnung vor Dumping-Importen

In einem Brief an die EU Kommission hatten sechs Wirtschaftsminister aus EU-Ländern, die über eine wesentliche Stahlindustrie verfügen, bereits vor chinesischen Dumping-Importen gewarnt und umgehend Schutzzölle als „Verteidigung gegen unfaire Praktiken“ verlangt.

Die Wirtschaftsminister der Stahl-Länder in Deutschland und der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl gehen nun einen Schritt weiter. Sie prangern eine Stahlpolitik der EU-Kommission an, die ihrer Meinung nach dazu führen wird, dass auf Dauer die Stahlindustrie gezwungen ist, in Ländern zu produzieren, die geringere Auflagen machen. Der Finanzchef des ArcelorMittal Konzerns, Aditya Mittal, hatte im vergangenen Oktober auf einem europäischen Pressetag in Paris bereits darauf hingewiesen, dass mit der Politik der EU-Kommission es in der Zukunft nicht mehr möglich sein wird, in Europa Stahl zu produzieren.

In dem auch von der saarländischen Vize-Ministerpräsidentin und Wirtschaftsministerin unterzeichneten Brief verlangen die Landespolitiker, dass die EU Kommission ihre Stahlpolitik überdenkt. Sie äußern die Furcht, dass die die Politik der EU-Kommission in Deutschland massiv Arbeitsplätze vernichten könnte.

Massiver Druck auf Kommission

Die Europäische Union will ihren Kohlenstoffdioxid-Ausstoß (C02) bis zum Jahre 2030 um 40 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 senken. Die Verschmutzungsrechte sollen deswegen in zwei Etappen gesenkt werden. Die erste Verringerung der so genannten C02-Zertifikate soll 2019 erfolgen, die zweite Etappe 2021.Die Stahlindustrie insgesamt arbeitet an Verfahren zur Verringerung des Kohlenstoffdioxid-Ausstoßes, die Konzeption eines Hochofens an sich mit dem Verfahren der Roheisen- und Stahlherstellung lässt eine Absenkung des CO2-Wertes aber nur in Maßen zu. Daher die Gedankenspiele, dass bei der Durchführung der EU-Politik die Stahlindustrie in Deutschland und äquivalent in Polen, Spanien, Frankreich, Großbritannien, der Tschechischen Republik, Österreich oder auch Rumänien keine Chance mehr haben wird.

Die Stahlindustrie hat begonnen, massiven Druck auf die EU-Kommission auszuüben. Der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl Hans Jürgen Kerkhoff, sagt nach Angaben der Deutschen Presse Agentur in einem am Montag erscheinenden Interview mit der Berliner Zeitung „Tagesspiegel: „Der Vorschlag zum Emissionshandel ab 2021 zeugt nicht von wirtschaftspolitischem Sachverstand: Arbeitsplätze, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit sind nicht mit ihm vereinbar: Wenn die Grundstoff Industrien kaputt gehen, wird es gefährlich für die Wirtschaft insgesamt.“ Die Stahl-Bundesländer äußern sich in ihrem Brief ähnlich: Der Vorschlag der Kommission würde für die deutsche Stahlindustrie eine substanzielle und existenzielle Bedrohung sein, meinen sie laut Presseagentur.

Am Montag findet in Brüssel eine Konferenz der EU-Kommission zur Lage des Stahlsektors in der Europäischen Union statt. Die deutschen Proteste unterstützen die Haltung des französischen Wirtschaftsministers Emmanuel Macron, der in Frankreich 20.000 direkte Stahl-Arbeitsplätze alleine bei ArcelorMittal verantwortet. Macron hat angekündigt, an der Sitzung teilnehmen zu wollen.

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