Böhmischer Löwe buhlt um chinesischen Drachen

Böhmischer Löwe buhlt um chinesischen Drachen
(Reuters/David w Cerny)

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Staatsnahe chinesische Konzerne gehen in Tschechien auf Einkaufstour - von der Brauerei bis zum Fußballverein. Die Regierung in Prag freut das.

Wer heute das traditionsreiche Prager Kaufhaus Kotva betritt, der besucht zugleich auch das „Kao-Tsche-Wa“. Mit dem neuen chinesischen Namen will das Management zahlungskräftige Reisende aus dem Reich der Mitte ansprechen. „Kao-Tsche-Wa“ – das soll zum einen an das tschechische Wort Kotva (Anker) erinnern und zum anderen Assoziationen mit den chinesischen Wörtern für Außergewöhnlichkeit und Qualität wecken. Für die Touristen gibt es inzwischen Direktflüge aus Shanghai, Peking und sogar Chengdu.

Der Fokus auf China ist eine neue Entwicklung. In tschechischen Unternehmen war man traditionell eher auf deutsche Touristen und Geschäftskunden eingestellt. Wie wichtig Deutschland als größter Handelspartner für Tschechien ist, wird beim Besuch von Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag in Prag wieder hervorgehoben werden. Ein Drittel aller tschechischen Ausfuhren geht in das Nachbarland.

Fluch und Segen zugleich

Diese große Abhängigkeit kann Fluch und Segen sein – je nach Wirtschaftslage in Deutschland. Daher buhlen die tschechische Mitte-Links-Regierung und Präsident Milos Zeman um die ostasiatischen Riesen China und Korea. Beim Besuch des chinesischen Staatsoberhaupts Xi Jinping Ende März in Prag wurden zahlreiche Verträge unterzeichnet. Zeman versprach daraufhin Investitionen von bis zu 8,5 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020.

Der Hochschullehrer Tomas Hülle bemüht sich seit vier Jahren, chinesische Jura- und Wirtschaftsstudenten mit dem Land im Herzen Europas vertraut zu machen. In diesem Jahr kam die Prague Summer School auf 120 Teilnehmer. Für die meisten der Gäste ist Tschechien ein unbeschriebenes Blatt. „Als ich in China gelebt habe, wussten viele Studenten nicht einmal, wo Frankreich ist“, sagt Hülle.

Was fällt den 19- bis 20-jährigen Besuchern positiv auf? Zunächst einmal der blaue Sommerhimmel und die Natur, sagt Hülle. Er erklärt das mit der Luftverschmutzung in Chinas Großstädten. Gewöhnungsbedürftig ist für die Studenten die deftige böhmische Küche. Bei den angebotenen Kurzpraktika in Unternehmen fällt ihnen auf, dass man in Tschechien keine ausgedehnte Mittagspause macht.

Auch im Geschäftsalltag gilt es, viele größere und kleinere Hindernisse zu überwinden. „Es ist immer wieder überraschend, wie wichtig es in China ist, erst eine Vertrauensbeziehung zwischen zwei Partnern aufzubauen, bevor es zum Geschäft kommt“, sagt Hülle. In Europa sei man da direkter. Manchmal ist Tschechien mit seinen zehneinhalb Millionen Einwohnern auch einfach zu klein. „Die Projekte entsprechen nicht immer der Größe, an die chinesische Geschäftsleute gewöhnt sind“, erklärt Hülle.

Argwohn gegen China

Nicht alle gehen so unbefangen mit den asiatischen Geldgebern um. Viele Kritiker sehen das Engagement der chinesischen Staatskommunisten mit Argusaugen – vor allem vor dem Hintergrund, dass Tschechien selbst den Sozialismus erst vor knapp 27 Jahren mühsam abgeschüttelt hatte. Die Solidarität mit Tibet ist groß, die Lage der Menschenrechte in China wird mit Sorge betrachtet.

Der Politologe Lukas Jelinek sieht noch ein anderes Risiko: „Die tschechischen Politiker liefern sich einen Wettbewerb darum, wer am meisten chinesisches Geld hierher lockt. Dabei missachten sie die Sicherheitsrisiken, denn die chinesische Handelsexpansion hat regelmäßig auch sicherheitspolitische Motive.“

Es ist ein buntes Potpourri, das asiatische Investoren bisher zusammengetragen haben: Korean Air kaufte sich beim nationalen Flaggenträger Czech Airlines ein. Das chinesische Energie-Konglomerat CEFC nahm den Prager Fußballverein Slavia Prag unter seine Fittiche. Die Investmentfirma Lapasan übernahm die Lobkowicz-Brauereigruppe. Und im Kurort Pasohlavky (Weißstätten), 80 Kilometer nördlich von Wien, entsteht für rund 75 Millionen Euro ein Kurzentrum für die traditionelle chinesische Medizin.

Zeman träumt derweil von einem chinesisch-tschechischen Megaprojekt: Ein Kanal soll einmal die Flüsse Donau, Elbe und Oder an ihren Oberläufen miteinander verbinden. In seiner Größe erinnert das Vorhaben ein wenig an die Stauung des Jangtse-Stroms in Zentralchina. Der Politologe Jelinek zweifelt aber am wahren Interesse der asiatischen Partner: „Die Chinesen sind mitunter unberechenbar, aber niemals dumm.“