Die Krypto-Gefahr: Zentralbanken geraten zunehmend unter Druck

Die Krypto-Gefahr: Zentralbanken geraten zunehmend unter Druck

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Das Aufkommen von Kryptowährungen wie Bitcoin hat für viel Aufregung gesorgt. Unter Druck gesetzt fühlen sich die Zentralbanker jedoch erst mit der neuen Generation von „Stablecoins“.

Eine ganze Reihe hochkarätiger Experten hatten die Luxemburger Zentralbank und die Toulouse School of Economics am Dienstag nach Luxemburg eingeladen. Satte 800 Zuhörer waren in das neue Konferenzzentrum auf Kirchberg gekommen.

Debattiert wurde über die Zukunft des internationalen Währungssystems. Zwei große Fragen standen im Raum. Erstens die Rolle des Euro als internationale Währung (siehe Kasten unten) und zweitens die Rolle der neuen digitalen Währungen.

Nicht überzeugt: Alle Redner erteilten Bitcoin und Co. eine Abfuhr (Foto: Keystone/Ennio Leanza)

Von den gewöhnlichen Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum oder Ripple hatten alle Redner eine schlechte Meinung. Sie stuften sie als volatile Spekulationsobjekte ein, die keine Stabilität bieten.

Stabilität jedoch verspricht nun Facebook mit der angekündigten „Währung“ Libra. Alle gekauften Libra sollen, der Idee zufolge, mit einem Währungskorb unterlegt werden. So sollen starke Preisschwankungen vermieden werden. Facebook erklärt, in Libra würden internationale Transaktionen schneller und billiger abgewickelt werden können. Zudem könne es Menschen in Schwellenländern ans Finanzsystem anschließen. Zinsen sollen die Besitzer von Libra nicht erhalten.

Nach der Ankündigung von Facebook sind in den Zentralbanken die Warnlichter angegangen. Einige Länder haben sich bereits negativ geäußert. Auf Ebene der G7-Staaten wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Geleitet wird diese von EZB-Ratsmitglied Benoît Coeuré.

Sicherheit geht vor

Am Dienstag erklärte Coeuré in Luxemburg, dass Stablecoins wohl schneller, billiger und womöglich auch inklusiver seien. Trotzdem: „Wir setzen auf Sicherheit.“ Die Frage, wie praktisch ein Medium sei, werde erst danach gestellt. „Eine Währung muss stabil sein, damit sie Vertrauen erhält.“ Man werde die Latte sehr hoch legen.

Zudem gebe es viele offene Fragen, so Coeuré weiter. So habe Europa etwa eigene Regeln beim Datenschutz. Auch die Frage, ob die Staaten so die Macht der Geldpolitik aus der Hand geben würden, steht im Raum.

Drei Möglichkeiten

Für die Zukunft sieht Coeuré drei Möglichkeiten. Erstens: Alles bleibt, wie es ist, und die Projekte erhalten keine Erlaubnis. Die bestehenden Zahlungssysteme werden verbessert. Zweitens: Zentralbanken weltweit setzen sich zusammen und schaffen ein eigenes System. Drittens: Es entstehen unterschiedliche regulierte Digitale-Währungs-Regionen, die sich dann wohl mit den reellen Währungs-Regionen überschneiden würden.

Coeurés Schlussfolgerung lautet folgendermaßen: „Wir müssen uns mehr anstrengen, um die bestehenden Systeme so attraktiv wie Stablecoins zu machen. Sicher und stabil.“

„Es ist ein Weckruf“

Auch der Ökonom Jean Tirole, der 2014 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde, sieht viele ungelöste Fragen und Probleme: Wie steht es um den Schutz der Verbraucher? Wer schützt die Anlagen? Wie kann ein Staat noch Kapitalkontrollen umsetzen? Im Endeffekt schließt er sich Benoît Coeuré an: „Die Staaten sind ins Hintertreffen geraten. Es ist ein Weckruf.“

Eine Reihe hochkarätiger Experten sprachen auf Kirchberg vor 800 Zuhörern (Foto: Editpress/Julien Garroy)

Maurice Obstfeld von der University of California, Berkeley, unterstrich, dass die Risiken größer als die Vorteile seien. Er stellt beispielsweise die Frage nach den Kosten des Ausstiegs von Libra in die eigene Währung. „Ich bin daher nicht sicher, ob es wirklich billiger wird.“ Und weiter: Kleine offene Volkswirtschaften könnten ihre geldpolitische Unabhängigkeit verlieren. Es bestehe das Risiko, dass Libra gewinnt – und die Verbraucher verlieren.

„Ich verstehe überhaupt nicht, warum es so etwas überhaupt gibt“, so Hélène Rey von der London Business School über die neuen Währungen. „Ich sehe, dass Firmen damit Gewinne machen – die Gemeinnützigkeit sehe ich nicht.“ Das Thema digitale Währungen an sich findet sie „viel interessanter“. Das sei aber auch umsetzbar, ohne eine neue Währung zu schaffen.


Der US-Dollar wird weiter dominieren

Seit rund 50 Jahren wird das internationale Währungssystem vom US-Dollar dominiert. Wegen der Größe des Marktes und der Schlagkraft der US-Wirtschaft machte dies Sinn. Zur Absicherung vor Währungsschwankungen werden die Mehrheit der grenzüberschreitenden Käufe und Verkäufe in US-Dollar abgewickelt.

Mit dem Aufkommen des Euro stellte sich die Frage, ob die Gemeinschaftswährung das Potenzial habe, um die Dominanz der US-Währung zu brechen. Auf der Konferenz am Dienstag gaben sich die Experten jedoch pessimistisch für die europäische Währung. Die nahe Zukunft werde aussehen wie die letzten 50 Jahre, prognostizierte IWF-Chefvolkswirtin Gita Gopinath. „Es wird viel geredet – aber es gibt nicht viele Veränderungen.“

Kurzfristig sah es aus, als ob der Euro weltweit eine wichtigere Rolle spielen könnte. Nach der Finanzkrise brachen die Zahlen allerdings wieder ein. Wer die Dominanz der US-Währung brechen wolle, der müsse drei miteinander verbundene Schritte vollbringen, so die Expertin.

Vertrauen in die Zukunft der Währung

Zuerst geht es darum, dass der internationale Handel in der betreffenden Währung abgewickelt wird. Dann muss die Währung weltweit zum Sparen und zum Geldleihen benutzt werden. Und schlussendlich müssen Zentralbanken die Währung als Reserve benutzen. Doch selbst Europas Exporte in die Welt werden derzeit nur zu 60 Prozent in Euro abgewickelt.

Der Knackpunkt für eine größere Rolle für den Euro sei das Vertrauen in die Zukunft der Währung, so Gita Gopinath. Heute würde die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenbruchs der Gemeinschaftswährung auf rund zehn Prozent geschätzt. In früheren Krisen war die Quote bereits auf eine Wahrscheinlichkeit von rund 50 Prozent gestiegen. Doch um die dominierende Währung zu werden, müsse diese Frage ganz verschwinden. „Die Frage der Existenz darf in der nächsten Krise nicht mehr gestellt werden.“

USA verliert Anteile an der Weltwirtschaft

Hélène Rey von der London Business School erläuterte, dass Veränderungen theoretisch möglich sind. Immerhin war das britische Pfund (vor dem US-Dollar) die international dominierende Währung gewesen. Sorgen bereiten ihr dabei der derzeit schrumpfende Anteil der USA an der Weltwirtschaft. Eine klare Alternative zum US-Dollar sehe sie momentan jedoch nicht. „Wir werden also wohl noch eine Zeit lang in einer Dollar-Welt leben“, so Hélène Rey.

Auch Claudio Borio, Leiter der Währungs- und Wirtschaftsabteilung bei der BIZ aus der Schweiz, glaubt, dass das internationale Währungssystem in Zukunft „wohl so aussehen wird wie heute“. Er fügt jedoch an: „Abgesehen von großen Schocks, das gab es bereits in der Geschichte. (…) Das System wäre dann jedoch ein ganz anderes. Und ich bin mir sicher: Die Welt wäre kein besserer Platz.“ Immerhin sei das heutige System – auch wenn es nicht perfekt sei – die Basis des heutigen Wohlstands.

Aender T.
22. September 2019 - 10.12

hm..ich frage mich, wie man eine Wirtschaft am Leben hält, die eigentlich nur "tertiaire" ist. In Europa wird nicht viel wirklich von Null auf produziert, wir sind eine saubere kleine Werkstatt, in der alle primären Teile die anderswo aus dem Boden genommen wurden, nur noch zusammengeschraubt werden. Also abhängig. Außer subventionierter Landwirtschaft entsteht in Europa doch gar nichts mehr? Industrie schrumpft, Handwerk schrumpft, und die Maschinen/Roboter, Windräder und Solarpanele. . . kommen auch aus Asien... Meinesachtens kann man mit "Veredlung" allein keine Währung mit Wert füllen. Irgendwann werden all diese Arbeitschritte auch anderswo ausgeführt. Wo noch Kinder geboren werden... Aber ich bin kein Wirtschaftsexperte. Auch ich produziere nur Big Data. Also warme Luft.

Nomi
21. September 2019 - 11.55

D'EU muss hir Importer majoritaer an € bezuehlen an hir Exporter an € bezuehlt krei'en ! Eweg vum Dollar ! Wo'u sin d'Garanti'en vum Dollar wann d'USA 1000den Milliarden Scholden hun !

Fred Reinertz Barriera z.Z London
20. September 2019 - 7.50

Langfristig gesehen muss der Dollar ersetzt werden weil die Politik der USA dort zu sehr mitspielt; siehe Iran und die Handelspolitik der Welt kann nicht davon abhängig sein wer im Weißen Haus sitzt, allerdings wird es nur gehen wenn der Anteil der USA am Welthandel drastisch abnimmt....und z.B. die Erdöl produzierenden Länder keinen USD Bezahlungen mehr verlangen....usw...

MartyMcFly
19. September 2019 - 22.47

Der Dollar wird NICHT dominieren bei den neuen digitalen Währungen. Weil fast die ganze Welt inzwischen sein Risiko von Störungen durch US Handelssanktionen erkannt hat.