Größtes Problem: Die fehlende Lobby

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Paolo Frising ist einer der wenigen Luxemburger, die bei einem internationalen Sportverband in der Exekutive sitzen. Am Freitag beginnt der Kongress der Europäischen Turnunion und Frising strebt ein weiteres Mandat an. Nicht das einfachste Unterfangen für einen Kandidaten aus einem kleinen Mitgliedsland. Das Tageblatt hat sich im Vorfeld mit dem Sportfunktionär unterhalten.

Paolo Friesing

Ab Freitag findet im kroatischen Split der 27. Kongress der Europäischen Turnunion (UEG) statt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Neuwahlen des Vorstandes. Fest steht bereits jetzt, dass die UEG ab Samstag einen neuen Präsidenten haben wird, denn der Franzose Georges Guelzec kandidiert nach acht Jahren im Amt nicht mehr. Mit Paolo Frising ist seit vier Jahren auch ein Luxemburger Mitglied der Exekutive und geht ein weiteres Mal mit in die Wahlen.

Frising ist einer der wenigen Luxemburger, die in einem größeren internationalen Sportverband einen Sitz in der Exekutive bekleiden. Am Samstag stellt er sich sowohl für das Amt des Vizepräsidenten als auch für einen Platz in der Exekutive zur Wahl. Sechs Kandidaten für drei Vizepräsidenten-Posten und sogar 14 für sieben Plätze in der Exekutive treten an. Keine einfache Angelegenheit für ein Mitglied aus einem der kleinen Verbände. Doch Frising hat sich in den letzten Jahren innerhalb der UEG einen Namen gemacht. Zwölf Jahre war er Mitglied der Kontrollinstanz, davon vier als Präsident. Vor vier Jahren dann die Wahl in die Exekutive, zudem ist er verantwortlich für die Statuten. Aufgaben, die ihm innerhalb des Kontinentalverbandes Respekt verschafft haben.

Nicht beliebt bei Sponsoren

Kunstturnen in Luxemburg

In den letzten Jahren konnte er so Einblick in viele wichtige Projekte erhalten: „Der Unterschied zu einem Weltverband ist der, dass man als Kontinentalverband diesem immer untergeordnet ist. An den ‚Code de pointage‘ (das Wertungssystem) dürfen wir uns beispielsweise nicht wagen. Doch im Marketing-Bereich haben wir zum Beispiel viel geschafft. Bei den ersten Europaspielen waren wir mit sechs Disziplinen vertreten, als einziger Verband auch mit welchen, die nicht olympisch sind. Zudem unterstützen wir die Verbände mehr bei der Ausrichtung von Europameisterschaften. Wir stellen ihnen Experten wie Sport-Manager oder professionelle Speaker an die Seite, die wir auch finanzieren.“

Dass der Turnsport bei den Sponsoren nicht die beliebteste Sportart ist, dessen ist sich Frising bewusst, umso mehr freut es ihn, dass man auch im Bereich der Medienübertragung große Fortschritte machen konnte. „Wir haben in den letzten Jahren einen Vertrag mit der EBU (European Broadcasting Union) geschlossen und können die Wettbewerbe jetzt per Livestream übertragen. Hierdurch ist man mit dem Kunstturnen auch in die European Championships hineingekommen.“

Taktische Entscheidung

Ab 2018 veranstalten sieben Sportarten – Radsport, Golf, Kunstturnen, Rudern, Triathlon, Schwimmen und Leichtathletik – ihre Europameisterschaften zur gleichen Zeit. In den laufenden Jahren soll auch der Ort der gleiche werden, denn während sechs Sportarten im kommenden August in Glasgow ausgetragen werden, gehen die Leichtathletikwettbewerbe noch in Berlin über die Bühne. Von einem gemeinsamen Übertragungspackage sollen dabei aber alle Sportarten profitieren.

Dass es am Samstag bei den Wahlen für das Amt des Vizepräsidenten reichen wird, davon geht Frising nicht unbedingt aus. Zwei der Personen, die aktuell einen dieser Posten bekleiden, treten noch einmal an. Dass der Schweizer Rudolf Hediger und die Schwedin Malin Eggertz Forsmark nicht gewählt werden, erwartet Frising nicht.

Mit dem Franzosen Michel Boutard gibt es zudem einen starken direkten Konkurrenten. Weitere Kandidaten sind der Bulgare Iordan Iovtchev, der den Olympia-Teilnahmerekord von Josy Stoffel gebrochen hat, sowie Athanasios Vasileiadis, Präsident des griechischen Verbandes. „Man kann schon sagen, dass diese Bewerbung auch taktischer Natur ist, um wieder in die Exekutive gewählt zu werden“, gibt Frising zu. Denn er weiß, dass es in Luxemburg an einer wichtigen Sache mangelt: der nötigen Lobby. „Es fehlen einfach die Kontakte zu diversen Präsidenten und Verbänden. Interesse gab es in den letzten Jahren in Luxemburg hier nicht. Die Lobbyarbeit fällt somit alleine auf mich zurück.“ Dass dies nicht so einfach ist, macht Frising an einem Beispiel deutlich. Sowohl bei der WM in der Rhythmischen Sportgymnastik im italienischen Pesaro als auch bei der WM im Kunstturnen in Montreal konnte er in diesem Jahr nicht dabei sein, die Kosten hierfür hätte er alleine stemmen müssen.

Kaum Unterstützung aus Luxemburg

Seine Konkurrenten konnten hier vor Ort jedoch auf Stimmenfang gehen. Frising musste diese Arbeit hingegen mühevoll per E-Mail von zu Hause aus erledigen. Wie in anderen Verbänden auch zählt dies oft mehr als die tatsächliche Arbeit, die man bereits innerhalb eines Gremiums geleistet hat. Frising würde sich jedoch gerne noch mehr engagieren, deshalb nach 2013 eine weiteres Mal die Entscheidung, als Vizepräsident zu kandidieren: „In der Exekutive hat man drei bis vier Sitzungen im Jahr. Wenn man das Glück hat, ist man vielleicht noch in der ‚Jury d’appel‘ einer EM. Auch hinsichtlich der Statuten gibt es nur ein Treffen pro Jahr. Ich würde gerne mehr tun, und dies geht nur, wenn man öfters dabei sein kann.“ Für den ehemaligen Generalsekretär und Präsidenten der FLGym, der sich schon immer mit Leidenschaft für den Turnsport in Luxemburg einsetzte, ist es zudem von großer Bedeutung, dass ein kleiner Verband wie Luxemburg auf Kontinentalebene vertreten ist. „Mir geht es auch um die Entwicklung des Turnsports in Luxemburg selbst. Wenn der Verband zum Beispiel etwas organisieren möchte, kann man ihm die nötigen Kontakte weitergeben. Das ist für ein Land wie Luxemburg enorm wichtig.“

Dass Sportfunktionäre nicht unbedingt den besten Ruf haben und in den letzten Jahren vor allem mit Korruptionsskandalen in Verbindung gebracht wurden, hält Frising nicht von seinem Engagement ab. „Ethik spielt für mich eine große Rolle. Ich bin im Europäischen Turnverband nah an der Spitze dran, doch ich mache das aus Überzeugung für den Sport. Natürlich gibt es Leute, die nur aus Prestigegründen da sitzen. Das stört einen schon, da diese anderen Personen, die sich gerne engagieren wollen und gute Ideen haben, einen Platz wegnehmen.“

Mehr Anerkennung aus dem eigenen Land, das wünscht sich Frising aber schon: „Was mich stört, ist die Tatsache, dass wenn man als Luxemburger in einem internationalen Gremium ist, hier im Land kaum Unterstützung bekommt. Weiß überhaupt jemand, wer alles in einem solchen Gremium sitzt? Das bedauere ich, denn die Erfahrung, die diese Leute sammeln, werden hier im Land nicht wirklich genutzt. Die einzige Anerkennung, die ich bekomme, ist in Form von ‚Congé sportif‘. Hier gab es nie ein Problem.“

Zwei Kandidaten

Vieles für die zukünftige Ausrichtung der UEG hängt nun von der Wahl des neuen Präsidenten ab. Zwei Kandidaten treten morgen an. Farid Gayibov aus Aserbaidschan, aktuell einer der drei Vizepräsidenten, und Edvard Kolar aus Slowenien.

Frising ist unschlüssig, wie die Wahl ausgehen wird: „Viele westliche Länder haben hinsichtlich des Kandidaten aus Aserbaidschan schon Bedenken, weil das Land durch seine Politik skeptisch gesehen wird. Vor seiner Wahl zum Vizepräsidenten ist Gayibov nicht weiter in Erscheinung getreten. Der Slowene ist für mich ein super Kandidat. Sportlich hat er sehr viel drauf, war Trainer von Weltmeistern und Olympiasiegern. Er ist Sportprofessor an der Uni, hat einen Doktortitel, war Generalsekretär vom Olympischen Komitee in Slowenien, hatte hier auch weitere hohe Funktionen inne. Im sportlich-administrativen Bereich besitzt er eine sehr hohe Kompetenz. Gayibov bringt hingegen Erfahrung aus vier Jahren Vizepräsidentschaft mit und vor allem Geld. Dies könnte meiner Meinung nach den Unterschied machen. Die Vorstellungen der verschiedenen Verbände sind hier ganz unterschiedlich, man weiß nicht genau in welche Richtung es schlussendlich gehen wird.“


Eine große Tradition

Luxemburg und die UEG haben seit jeher eine traditionsreiche Beziehung. Im März 1982 wurde die Europäische Turnunion in Luxemburg gegründet. Luxemburg war somit auch eines von insgesamt 15 Gründungsmitgliedern. Einer von zwei Co-Vizepräsidenten wurde in dem Jahr Roger Schleimer. Seither haben sich immer wieder Luxemburger bei der UEG engagiert.

François Muller war von 1982 bis 2001 Präsident der Kontrollinstanz. Ab 1993 war Marie-Paule Hoffmann Mitglied der Technischen Kommission, deren Vorsitz sie von 2002 bis 2007 innehatte. Paolo Frising war von 2001 bis 2013 Mitglied der Kontrollinstanz, von 2009 bis 2013 auch deren Präsident, zuvor für kurze Zeit ebenfalls Präsident ff. 2013 wurde er in die Exekutive der UEG gewählt.