Teil 2Schadenfreude und konservative Frustrationsentladung: „De Luussert“

Teil 2 / Schadenfreude und konservative Frustrationsentladung: „De Luussert“
Die „Luussert“-Glosse attackierte nicht den Politiker, sondern den Menschen Gaston Thorn Foto: Editpress

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Die „Ära Thorn“ (1974-1979) war die letzte Phase eines unerhörten Pressestreits zwischen Luxemburger Wort und Tageblatt. Wie gingen beide Medien miteinander um? Welche Rolle spielte der „Luussert“? Und wie ist dieser Pressekonflikt zu bewerten? Eine Spurensuche in drei Teilen.

Dem Luxemburger Wort wird vor allem die Publikation der sog. „Luussert“-Glosse angelastet. Sie ist es auch, die bei sozialliberalen Rezipienten des Pressekonflikts besonders häufig Erwähnung findet und als Beweis für eine überwiegend unredliche Diskursführung beim LW herhalten muss.

Das Luxemburger Wort publizierte von Herbst 1975 bis kurz nach den Landeswahlen von 1979 auf der prominenten Inlandsseite 3 die „Luussert“-Rubrik. Sie wurde anonym publiziert und zählte im Schnitt zwischen 130 und 140 Wörter. Der Titel „Lénks geluusst“, zu Deutsch „(nach) links geschielt“ bzw. „heimlich nach links geschaut“, indiziert zwei grundlegende Eigenschaften dieser Glosse: einerseits die als perfide rezipierte, weil heimlich-anonyme Art der spitzbübischen Beobachtung, andererseits den Hauptadressaten der Attacken, d.i. die Luxemburger Linke mit Tageblatt, LSAP, LAV, ZvL sowie die als linksliberal eingestufte DP und mit ihr die ebenfalls liberal ausgerichtete Tageszeitung De Journal. Die drei am häufigsten visierten Personen in den 72 untersuchten Textzeugen waren Gaston Thorn (DP), Alvin Sold (Tageblatt) und Benny Berg (LSAP).

Alle Teile der Serie:
Teil 1: Unerhörter Pressestreit zwischen Luxemburger Wort und Tageblatt: Die „Ära Thorn“
Teil 2: Schadenfreude und konservative Frustrationsentladung: „De Luussert“
Teil 3: Opferrolle vs. Sprachrohr: Wie sich Wort und Tageblatt in der „Thorn-Ära“ positionierten

Alvin Sold behauptet im Leitfadeninterview, das der Autor im Rahmen seiner Promotion mit Pressevertretern geführt hat, die LW-Glosse habe etwas Perfides, das Alvin Sold als Chefredakteur nicht hätte verantworten können. Sold vergleicht Intention und Wirkung dieser Glosse mit derjenigen des „Bommeleeër“, der in den 1980er Jahren mehrere Sprengsätze an unterschiedlichen Orten Luxemburgs gezündet hat und dessen Identifizierung wie die des „Luussert“ bis heute nicht erfolgt ist. Hinter dem „Luussert“-Anonymus wird übrigens der spätere Kabinettchef von Pierre Werner und sprachgewaltige Theaterdichter Norbert Weber vermutet.

Rob Roemen attestiert in seiner breit angelegten Darstellung des Liberalismus in Luxemburg der „Luussert-Rubrik“ schlichtweg ein negatives Alleinstellungsmerkmal innerhalb der inländischen Pressegeschichte: „Die ‚Luussert‘-Rubrik im Wort wurde allgemein als die perfideste Glosse angesehen, die es jemals in der Luxemburger Presse gegeben hatte. Sie war zugleich die schärfste Waffe der CSV-Opposition.“ (Roemen 1995: 457). In einem zeitgenössischen Beitrag des Lëtzebuerger Land ist vom „Star-Schreiber in seiner Mistecke [die Rede, der] nicht den Elementar-Mut aufbring[e], das feige Anonymat zu lüften!“ Der „Luussert“ sei ferner ein „rechtslastige[r] Heckenschütze [mit] „primitive[r] Gedankenwelt“ (j. j. 1976: 5/6).

Thematische Beliebigkeit

Die Bandbreite der behandelten Themen (AKW-Projekt Remerschen, Ökonomie, Gewerkschaftsszene, Arbeitskonflikte, Preispolitik, Bildungswesen, Gesellschaftspolitik u.a.m.) indiziert eine nicht zu leugnende Beliebigkeit der Auswahl. Nahezu jeder Anlass war mithin geeignet, um die anonym publizierten Angriffe auf teilweise namentlich genannte Regierungspolitiker, Gewerkschafter, Kommunisten und vornehmlich gegen journalistische Konkurrenten auszuagieren. Es kann keine ernsthafte, eingehende Beschäftigung mit einem bestimmten Thema festgestellt werden, wenngleich der Spitzeldienst, die Wirtschaftskrise, die Abtreibungsdebatte sowie das in Remerschen geplante AKW häufiger begegnen als andere, teilweise unikal vorkommende Themen.

Die Kürze des Formats und die damit einhergehende Notwendigkeit zur gebündelt-verzerrten Darstellung, vor allem aber die Inhalte geben Einblick in Präferenzen zumindest eines Teils der damaligen LW-Leserschaft. Die Angriffe waren schwer zu konterkarieren, da einerseits die Wahllosigkeit der Themenwahl und andererseits die hinterlistigen Angriffe bzw. Suggestionen keine spezifischen Gegenangriffe zugelassen hätten, außer der Publikation einer ähnlich perfiden Rubrik im Tageblatt. Die „Luussert-Rubrik“ war eine von Schadenfreude gekennzeichnete Rollenprosa, ein Ventil konservativer Frustrationsentladung. Die generierte Wirkung bei Anhängern ebenso wie bei den visierten Gegnern gründet nicht zuletzt in der Kürze und Prägnanz des Ausdrucks sowie in der oftmals perfid-subtilen Anspielungstechnik, gepaart mit der Maskerade der Anonymität.

Beispiele für „Luussert“-Entgleisungen

In einem Beitrag wird das kontaminierte, an Hitlers Schutzstaffel erinnernde SS-Kürzel für den Sicherheitsdienst verwendet, den die Mitte-Links-Koalition reformieren wollte. Ferner heißt es in einem anderen Textzeugen, die Vertrauenskrise sei das „Werk giftmischender Scharlatane“, womit ausschließlich die Politiker der Koalitionsparteien gemeint sind. Daneben wird Justizminister Robert Krieps als „Ehrenmitglied unserer Bruderschaft“ apostrophiert. Hintergrund war die Humanisierung des Strafvollzugs. Krieps, so wurde unterschwellig nahegelegt, fungierte als Handlanger von Schwerverbrechern.

In einem weiteren Beitrag wurde das Konkurrenzmedium Tageblatt beschuldigt, es habe 1937 die Entscheidung eines sozialistischen Ministers verteidigt, wonach verzweifelte Flüchtlinge über die Grenze des Dritten Reichs in die Fänge der Nazihenker zurückgetrieben wurden. Das heimtückische Fazit lautete, das Tageblatt sei „damals“ (1937) „wie heute“ (1974-1979) eine Regierungszeitung gewesen.

In einem mit „B. B. Thorn und Gaston Phoque“ betitelten Beitrag wird dem Premierminister vorgeworfen, er setze sich mit Brigitte Bardot für das Lebensrecht von Robben, nicht aber für ungeborenes Menschenleben in Luxemburg ein. Damit wird ein äußerst verkürzender und irreführender Brückenschlag zur Abtreibungsdebatte hergestellt. Bei Letzterer ging es der Regierung vor dem Hintergrund etlicher Abtreibungen bei sog. „Engelmachern“ um die Entkriminalisierung in Form einer Indikationslösung. Die genauen Anschriften einiger Minister nennt ein weiterer Textzeuge.

Ein eklatanter Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte und eine gewisse hetzerische Intention können hierbei nicht negiert werden. Der letzte untersuchte Beitrag legt nahe, dass im Falle einer CSV-Niederlage am 10. Juni 1979 die Gefahr einer Abschaffung des allgemeinen Wahlrechts bis 1984 bestehe. Der sozialliberalen Koalition wird mithin die Absicht unterstellt, eine Diktatur installieren zu wollen.

Zur Person

Eric Bruch wurde 1979 geboren und hat sein Abitur 1999 am LGE abgeschlossen. Danach hat er ein Studium der Germanistik und Romanistik in Luxemburg, Trier, Nancy und Perugia absolviert. Er ist seit 2010 Deutschlehrer in Esch, war von 2012 bis 2017 Sekretär der Sekundarlehrer-Gewerkschaft Apess.
Er hat im November 2019 an der Uni.lu an der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften promoviert. Der Titel seiner Dr.-Arbeit: „Polemik ante portas? Die Regierung ‚Thorn‘ im synchronen Spiegel von Luxemburger Wort und Tageblatt. Eine diskurslinguistische und -ethische Untersuchung“.

  • Roemen, Rob: Aus Liebe zur Freiheit. 150 Jahre Liberalismus in Luxemburg. Imprimerie Centrale. Luxemburg 1995, S. 457.
  • j.j. (Initialen des Autors): Berufsschreiber und andere. In: Lëtzebuerger Land. 16.1.1976, S. 5/6.
en ale Sozi
15. Februar 2020 - 13.31

Infekter und infamer wie diese, sich hinter dem Pseudonym " de Luussert " versteckende Drecksschleuder geht's nicht. Und das ausgerechnet im Bistumsblatt " für Wahrheit und Recht " im Marienland. Wenn es einem an Argumenten mangelt, wird man gerne ausfällig und aggressiv. Ausserdem hagelte es allsonntäglich in den Kirchen, mit dem Kreuz im Rücken, Hasstiraden von der Kanzel.

de Prolet
12. Februar 2020 - 9.22

Eine beispiellose Schlammschlacht mit dem feigen, hinterlistigen "Luussert " als Hauptakteur.