Garküche erhält Michelin-Stern

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Die Thailänderin Supinya Junsuta kocht seit mehr als 40 Jahren in ihrem Straßenrestaurant - das jetzt einen Michelin-Stern erhalten hat.

Die Thailänderin Supinya Junsuta kocht seit mehr als 40 Jahren in ihrem Straßenrestaurant. Jetzt haben die Restauranttester von Michelin das unscheinbare Lokal in Bangkok mit einem Stern ausgezeichnet. Die 72-jährige Chefköchin hat eine simple Erklärung für ihren Erfolg.

Von unserem Korrespondenten Mathias Peer

Der Arbeitsplatz von Supinya Junsuta sieht nicht so aus, wie man sich die Küche eines Sternerestaurants vorstellt: Eierschalen schleudert die 72 Jahre alte Köchin vor sich auf den Boden, ihre Zutaten lagert sie in Styropor-Boxen auf offener Straße. Die Garnelen werden in einer kleinen Seitengasse geschält und landen dann in einem Plastikeimer. Ein Meeresfrüchtegericht brutzelt im Wok, das Öl spritzt auf den Asphalt.

Verflieste Wände statt weißer Tischdecken

Supinyas Lokal, das sie nach ihrem eigenen Spitznamen Jay Fai benannt hat, wirkt auf den ersten Blick wie eine der üblichen Garküchen in der thailändischen Hauptstadt Bangkok. Glaubt man den Juroren des renommierten „Guide Michelin“, ist es aber etwas ganz Besonderes: In der ersten Thailand-Ausgabe des Restaurantführers, die vergangene Woche veröffentlicht wurde, erhielt Jay Fai als einzige Garküche einen der begehrten Sterne.

Unter den 16 anderen Sterneküchen Bangkoks finden sich die noblen Restaurants von Fünf-Sterne-Hotels und hochpreisige Gaststätten wie das von zwei Deutschen geführte Sühring. Jay Fai hebt sich von den anderen Preisträgern deutlich ab: Statt weißer Tischdecken und Silberbesteck prägen verflieste Wände und alte Ventilatoren den Gastraum. Manche Besucher bekommen auch nur auf Plastikstühlen am Gehweg einen Platz. Jay Fais Stammgästen macht das nichts aus: Sie kommen für traditionelle thailändische Gerichte wie Krabbenomelett und Meeresfrüchtecurry, die nach Meinung der Jay-Fai-Fans in der ganzen Stadt nirgendwo so gut gekocht werden wie hier.

Skibrille gegen Ölspritzer

Das könnte an der umfangreichen Erfahrung der Chefköchin liegen: Seit mehr als vier Jahrzehnten steht Frau Supinya hauptberuflich am Wok. Sie trägt eine Skibrille, um ihre Augen vor den Ölspritzern und Chiliwolken zu schützen. Angesprochen auf ihren Erfolg gibt sie sich bescheiden. Die Beliebtheit ihres Lokals erklärt sie nicht mit den eigenen Fähigkeiten. Es seien die hervorragenden Zutaten, die ihre Alltagsgerichte zu etwas Besonderem machten, sagt sie am Tag nach ihrer Auszeichnung. Viel Zeit, um zu sprechen, hat sie aber nicht. Ihr Stern hat sich schnell herumgesprochen, die Warteschlange ist lang: Bis zu drei Stunden warten die Gäste auf Jay Fais prämiertes Essen.

Die 34-jährige Tochter der Chefköchin, Yuwadee Junsuta, die seit Schulzeiten in dem Familienbetrieb mitarbeitet, liefert eine Erklärung, warum es so lange dauert. „Sie bearbeitet jede Bestellung einzeln und bereitet alle Gerichte selbst zu.“ Das ist gut für die Qualität, der Geschwindigkeit ist es weniger zuträglich. „Wahrscheinlich schmeckt es den Leuten hier nur deshalb so gut, weil sie nach der Warterei so hungrig sind“, witzelt der Foodblogger Pitchaya Posoong, der sich Jay Fais Vorzeigegericht, das Krabbenomelett, bestellt hat. Nach dem ersten Bissen hat er eine andere Meinung: „Es schmeckt wirklich gut, sie hat ihren Stern echt verdient.“ Weil Jay Fai für das Gericht eine große Portion Krabbenfleisch verwendet, ist es deutlich teurer als in den anderen Garküchen Bangkoks. 20 bis 25 Euro kostet umgerechnet ein Teller.

Restaurant soll bleiben, wie es ist

Vorbereiten konnte sich Jay Fai auf die plötzliche Berühmtheit kaum: „Es war eine große Überraschung für uns“, erzählt Yuwadee. Sie verspricht, dass ihr Restaurant seinen alten Charme behalten wird: „Ich glaube, der Stern wird unser Restaurant gar nicht ändern“, sagt Yuwadee. „Abgesehen davon, dass jetzt mehr Gäste aus aller Welt kommen werden.“ Um mit dem Andrang zurechtzukommen, wäre eine Änderung im Restaurant aber erwägenswert: Die eine oder andere Küchenhilfe für die Chefköchin würde dem Lokal bestimmt nicht schaden.

Zum Autor: Seit 2012 lebt Mathias Peer in Thailand und berichtet über die turbulente politische und wirtschaftliche Entwicklung Südostasiens.