Berlusconi bezahlte Mafiabosse

Berlusconi bezahlte Mafiabosse

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Im Nachlass des ermordeten Antimafiarichters Falcone fand sich eine Notiz, nach der Berlusconi Gelder an Bosse der Cosa Nostra zahlte.

Von unserem Korrespondenten Wolf H. Wagner, Florenz

Im Nachlass des ermordeten Antimafiarichters Falcone fand sich eine Notiz, nach der Berlusconi Gelder an Bosse der Cosa Nostra zahlte. Eben erst sind die Ermittlungen zu den Geheimverhandlungen zwischen Staat und Mafia abgeschlossen worden.

Italien tut sich schwer mit der Aufarbeitung seiner jüngeren Geschichte. Insbesondere die Zeit Anfang der 90er Jahre bleibt bislang äußerst nebulös. Die Regierung des Christdemokraten Giulio Andreotti, die sich aus „Angst vor dem Kommunismus“ auch mit dem organisierten Verbrechen arrangiert hatte, nahm nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Ostens nun auch die Mafia aufs Korn. Die reagierte prompt mit Anschlägen und Morden.

Der italienische Richter und Top-Mafia-Jäger Giovanni Falcone

Doch 1993 hört der Krieg zwischen der Mafia und dem Staat plötzlich auf. Die erste Republik und mit ihr Andreotti und die Democrazia Cristiana gehen unter, ein neuer Stern erstrahlt: Silvio Berlusconi und die Forza Italia. Ein nun aufgetauchtes Dokument könnte die Zusammenhänge erhellen: Berlusconi hatte engste Beziehungen zur Cosa Nostra, die aktiv am Aufbau der neuen politischen Bewegung beteiligt war. Im Nachlass des 1992 von einer Bombe getöteten Antimafiarichters Giovanni Falcone fand sich ein Verhörprotokoll, in dem notiert ist, dass Berlusconi Gelder an Mafiabosse zahlte und gute Beziehungen zu ihnen unterhielt.

Enthüllung durch Kronzeugen

Die Gesprächsnotiz hatte Falcone bereits am 6. November 1989 niedergeschrieben, drei Tage vor dem Fall der Berliner Mauer. Der Richter verhörte an diesem Tag den „Pentito“ (Kronzeugen) Francesco Marino Mannoia. Der gehörte dem Clan Toto Riinas von Corleone an. Als dieser seinen Bruder töten ließ, erklärte er sich zur Zusammenarbeit mit der Justiz bereit.

Während Mannoias Aussagen notierte Falcone: „Berlusconi hat gute Beziehungen zu Cinà“. Und: „Berlusconi zahlte 20 Millionen an Grado und dasselbe an Vittorio Mangano“. Mit 20 Millionen sind damalige Lire gemeint, also etwa 4.000 Euro. Keine sehr große Summe, aber doch ein deutlicher Hinweis, dass der bereits dem Gipfel seiner Karriere zustrebende Bauunternehmer Berlusconi enge Beziehungen zur Cosa Nostra und deren Bossen Gaetano Grado und Vittorio Mangano unterhielt. Mangano wurde später als „Stallmeister“ in Berlusconis Villa Arcore angestellt und hielt so den Kontakt nach Sizilien.

Bei dem in der Notiz von Falcone erwähnte „Cinà“ – Gaetano Cinà – handelt es sich um einen engen Freund Marcello Dell’Utris, engster Vertrauter und Graue Eminenz Berlusconis. Gegenwärtig verbüßt Ex-Senator Dell’Utri eine siebenjährige Haftstrafe wegen krimineller Beziehungen zur Mafia. In dem gegen ihn erlassenen Urteil heißt es, Berlusconi habe unter seiner Vermittlung bereits in den 70er Jahren ein „Schutzabkommen“ mit der Cosa Nostra abgeschlossen.

Der ehemalige italienische Regierungschef Silvio Berlusconi

Forza Italia unter Mafia-Protektion gegründet

Unter der Protektion der Bosse Toto Riina und Bernardo Provenzano – beide inzwischen verstorben – gründeten Dell’Utri und Berlusconi nach Beenden der Mord- und Attentatsserie 1993 die Partei Forza Italia, mit der Berlusconi im Folgejahr seine erste Regierung bildete.

Dieser Prozess, so zeigten die nun abgeschlossenen Ermittlungen, verlief parallel zu den Verhandlungen, die hohe Staatsvertreter mit den Bossen der Mafia führten, um ein Ende der Anschläge und ein Befrieden Italiens herbeizuführen. Im Verfahren Verhandlungen Staat-Mafia sind außer Dell’Utri auf Staatsseite die Minister Callogero Mannino und Nicola Mancino, ein Carabiniere-General, und Oberst Mario Mori, der Sohn des Bürgermeisters von Palermo Vito Ciancimo Massimo, angeklagt. Auf Seiten der Mafia die Bosse Riina und Provenzano, Cinà sowie Leoluca Bagarella.

Gerichtsbeobachter rechnen damit, dass die Urteile im Frühjahr gefällt werden. Berlusconi könnte Glück haben, dass dies nach den Parlamentswahlen geschieht und Forza Italia möglicherweise nochmals gut abschneidet – sollte nicht aufgrund der aufgefundenen Notiz Falcones ein neues Verfahren eröffnet werden.