Amazon soll Obdachlosigkeit bekämpfen

Amazon soll Obdachlosigkeit bekämpfen

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Von unserem Korrespondenten John Dyer

Seattle leidet unter zunehmender Obdachlosigkeit. Der Wohlstand durch Unternehmen wie Amazon hat gleichzeitig die Armut verstärkt, zeigt ein McKinsey-Bericht. Daher sollen große Firmen Projekte für Obdachlose finanzieren. Amazon droht mit dem Wegfall von Stellen.

Seattle wird voraussichtlich eine sogenannte Amazon-Steuer einführen. Das Geld soll für den Kampf gegen die finanzielle Ungleichheit in der Stadt an der amerikanischen Pazifikküste genutzt werden. Die Maßnahme gehört zu den ersten ihrer Art in amerikanischen Städten, in denen sich Obdachlosigkeit, Einkommensungleichheit und andere städtische Missstände im Schatten florierender Technologieunternehmen ausgebreitet haben. „Wir haben Mitbürger, die sterben“, so das Stadtratsmitglied Teresa Mosqueda. „Sie sterben heute auf unseren Straßen, weil es nicht genug Unterkünfte gibt.“

Amazon droht

Die Stadträte von Seattle haben am Montag die Maßnahme mit erwarteten Einnahmen von 44,7 Millionen Dollar (37,4 Millionen Euro) verabschiedet. Bürgermeisterin Jenny Durkan hatte sich bei Verhandlungen erfolgreich dafür eingesetzt, die ursprünglich geplante Steuer auf die jetzige Summe zu halbieren. Sie sagte, dass sie das Gesetz unterzeichnen werde.
Amazon und andere große Unternehmen lehnen die Steuer hingegen ab. Insgesamt 131 Firmen in der Stadt haben einen Brief unterzeichnet, in dem sie es als „dumm“ bezeichnen, dass die Stadt Erfolg bestrafen will. Der weltgrößte Online-Händler hat sich für die weitere Planung eines neuen 17-stöckigen Hochhauses in Seattle entschieden. Führungskräfte haben jedoch erklärt, dass sie weitere Expansionspläne überdenken, durch welche tausende neue Arbeitsplätze in die Stadt kommen könnten.

„Wir sind enttäuscht von der heutigen Entscheidung des Stadtrats, eine Steuer auf Arbeitsplätze einzuführen“, erklärte Amazon. „Wir bleiben sehr besorgt über die Zukunft, die durch die feindselige Haltung des Rates und die Rhetorik gegenüber größeren Unternehmen entsteht, die uns zwingt, unser Wachstum hier in Frage zu stellen.“

Wohlstand führt zu Armut

Durch die Steuer sollen 585 Unternehmen in Seattle mit einer jährlichen Steuer von 275 Dollar pro Vollzeitarbeitsplatz belegt werden. Die Abgabe ist auf fünf Jahre begrenzt, kann aber erneuert werden. Rund ein Drittel der Steuereinnahmen soll für Notunterkünfte, sanitäre Einrichtungen, medizinische und andere Dienstleistungen für Obdachlose sowie für die Subventionierung von Löhnen privater Hilfseinrichtungen genutzt werden. Rund 2 Millionen Dollar sollen für die Förderung des Wohnungsbaus für Familien eingesetzt werden, deren Einkommen 30 Prozent des regionalen Durchschnitts nicht überschreitet.

Diese Maßnahmen spiegeln die Ergebnisse eines Berichtes der Handelskammer von Seattle wider. Demnach hat der Wohlstand, den Amazon und andere Firmen in die Stadt gebracht haben, auch Nachteile. Laut dem von McKinsey verfassten Bericht ist die Obdachlosigkeit in den meisten amerikanischen Städten zurückgegangen, in Seattle dagegen gestiegen. Durch die digitale Wirtschaft würden Arbeitnehmer mit höheren Löhnen in die Stadt gelockt. „Eine Folge dieses konzentrierten Wohlstands sind steigende Mieten und ein Wettlauf um Wohnraum, der benachteiligte Bürger in Gefahr bringt – wie die steigende Wohnungslosigkeit in Städten wie Seattle zeigt.“

Der McKinsey-Bericht hat der Stadt Seattle empfohlen, rund 400 Millionen Dollar pro Jahr zu investieren, um das Problem der Obdachlosigkeit anzugehen. Die geplante Steuer wird diese Summe nicht einbringen. Stadträtin Kshama Sawant weist darauf hin, dass die ursprünglich geplante Steuer hingegen ausgereicht hätte. Bürgermeisterin Durkan hätte sich jedoch für die Halbierung eingesetzt, nachdem sie eine Wahlkampfspende über 350.000 Dollar von Amazon erhalten habe. „Um das klarzustellen: Im Kapitalismus ist Geld nun mal Macht“, so die Politikerin der Partei Socialist Alternative.