Viele fühlen sich berufen

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KAYL – Bleibt es beim aktuellen Kräfteverhältnis und folglich bei der aktuellen Parteienkonstellation im Kayler Schöffenrat? Wenige Tage vor der Wahl scheint die Antwort klar zu sein. Obwohl...

Vorausgesetzt die Wähler geben seiner Partei den Auftrag dazu, sehe er für eine Fortsetzung der aktuellen Koalition keine großen Probleme, erklärt Bürgermeister John Lorent (LSAP) seinen Wunsch etwas umständlich.

Seit 2011 leiten die beiden Parteien mit zusammen acht von 13 Sitzen (sechs LSAP, zwei „déi gréng“) die Geschicke der fast 9.000 Einwohner zählenden Gemeinde im Landessüden. Man habe zusammen gute Arbeit geleistet, insbesondere in den Bereichen Schule und „Maison relais“, betont Lorent. Nicht zu vergessen der fulminante Ausbau des kulturellen Angebots in der Gemeinde.
Die Chemie zwischen beiden Mehrheitsparteien stimmt, auch sechs Jahre nach der Koalitionsabsprache. Die Zusammenarbeit sei reibungslos verlaufen, lobt Lorent. Ähnlich äußert sich Schöffin Viviane Petry („déi gréng“), zuständig für die Ressorts Schule, Jugend, Kultur und Umwelt. „déi gréng“ hoffen, das Ergebnis von 2011 wiederholen zu können. Schön wäre natürlich ein drittes Mandat, fügt Petry hinzu.

Optimismus versprüht auch die Konkurrenz. Insbesondere die CSV. In seiner Partei rechne so mancher mit zwei zusätzlichen Mandaten, sagt Sektionspräsident und Spitzenkandidat José Gonçalves unumwunden. Er seinerseits gibt sich vorsichtiger. Ein zusätzliches Mandat sei aber drin. Und dann in die Gemeindeführung? „Wenn man uns fragt, warum nicht?“, so Gonçalves. Dazu wäre man auch 2011 schon bereit gewesen. Immerhin wurde die CSV damals zweitstärkste Partei. Aber da nach dem Gesetz auch Absprachen mit kleineren Parteien möglich seien, habe man den Kürzeren gezogen, hadert Gonçalves. Er könnte sich jedoch auch andere Konstellationen vorstellen. Sollte der DP ein Sitzgewinn gelingen, schließt er eine schwarz-blaue Koalition nicht aus. Die CSV verstehe sich mit jedermann, meint er. Das dürfte er nicht unbedingt auch auf „déi gréng“ bezogen haben. Immerhin waren CSV-Vertreter durch etliche unelegante Äußerungen gegenüber der neuen Partei im Kayler Rathaus, unter anderem in den sozialen Netzwerken, aufgefallen.

Sie könne sich ein gemeinsames Koalitionsprogramm mit der CSV nur schwer vorstellen, sagt Viviane Petry. „Unsere Art ist es, sachlich zu bleiben“, so Petry. Da müsste sich (bei der CSV) noch vieles ändern.

Koalitionsoffene DP

Die DP gibt sich ihrerseits nach allen Seiten offen. Sie könnte sowohl mit der CSV als auch mit der LSAP, so Patrick Krings, einer der zwei liberalen Spitzenkandidaten. „Wir erwarten uns einen Stimmenzuwachs und hoffen auf ein drittes Mandat“, sagt er. Und dann auf eine Rückkehr in den Schöffenrat.
Bereits 1993 hatten CSV und DP die Kommandobrücke „um Widdem“ bestiegen. Fred Coullen und dann Jules Wilhelm hießen die CSV-Bürgermeister. 1999 hielten sie sich noch an der Macht, als die LSAP die Wahlen eindeutig gewonnen hatte. 2005 kam dann der Umschwung. Mit 58,14 Prozent und acht Mandaten, der absoluten Mehrheit, hatte die LSAP ein Traumergebnis eingefahren. Zu den damaligen Zugpferden zählte auch der heutige Vizeregierungschef und Wirtschaftsminister Etienne Schneider. Er hatte sich in jenem Jahr mit 300 Stimmen weniger knapp hinter Lorent platziert, aber immerhin dreimal mehr Stimmen bekommen als der Bestplatzierte auf der CSV-Liste.

Doch 2011 fehlte der Joker Schneider. Hinzu kam die grüne Konkurrenz. Den „klassischen“ Parteien bescherten „déi gréng“ im ersten Anlauf mit 16,41 Prozent erhebliche Stimmeneinbußen. Insbesondere die LSAP musste bluten. Sie sackte von 58,14 auf 44,04 Prozent ab. Die CSV rutschte von 26,5 auf 23,02 Prozent.

Kein Husarenritt der LSAP?

Ein Husarenritt wie 2005 dürfte der LSAP dieses Mal nicht gelingen. Obwohl die Partei laut Spitzenkandidat Lorent eine starke Liste zusammengestellt hat. Mit ihr brauche sich die Partei keine Sorgen um die politische Wachablösung zu machen, betont er. Zugunsten der LSAP dürfte sich auch die fehlende Konkurrenz auf der Linken auswirken. „déi Lénk“ konnte in Kayl bisher kaum Fuß fassen. Die KPL, während langer Jahre Juniorpartner der LSAP im Schöffenrat, konnte sich nach den verheerenden Niederlagen in den 1990ern nicht mehr aufraffen.

Problematisch bleibt in der Ortschaft der Durchgangsverkehr. Täglich quält sich die Blechlawine aus dem nahen Frankreich durch das Kayltal in Richtung Autobahnauffahrt. Abends schlägt die Prozession die umgekehrte Richtung ein und beschert der Ortschaft stundenlang Staus und Verkehrschaos. Patentrezepte dagegen hat keine der antretenden Parteien. Die Verkehrssituation allein auf Gemeindeebene zu beruhigen, sei frommes Wunschdenken, sagt Bürgermeister John Lorent. Den Bau einer Umgehungsstraße schließt er angesichts der Naturschutzbestimmungen aus. Auch Krings sieht eine Lösung ausschließlich auf staatlicher Ebene und in Zusammenarbeit mit den Nachbargemeinden. Entlastung bringen könnte die Umwandlung der CFL-Gleise Rümelingen-Noertzingen in eine Straßenbahnlinie.

Dass das Verkehrsaufkommen den Anrainern auch eine erhebliche Umweltverschmutzung beschert, ist bekannt. Die Grenzwerte etwa für Stickoxide würden permanent überschritten, sagt Lorent. Sollte sich die Situation nicht entspannen, droht er mit radikalen Maßnahmen in Absprache mit den Nachbargemeinden.

Ein Tunnel

Auf ihre Art radikal und zum Teil exotisch sind auch die Vorstellungen von CSV-Kandidat und CSV-Präsident José Gonçalves. Wenn Schifflingen es wage, den Verkehr durch einen Tunnel fließen zu lassen, warum sollte man das nicht auch für Kayl vorschlagen: ein Tunnel unter dem Kreisverkehr im Stadtzentrum, Ursache des zu Spitzenzeiten enormen Rückstaus in Richtung Tetingen und Noertzingen. Oder warum nicht ausgediente oder nur noch wenig benutzte Gleise entfernen und die Streckenführung für neue Straßen nutzen? Auch eine Umgehungsstraße zur Collectrice kann sich Gonçalves vorstellen. Sollte jedoch das Wohnungsbauprojekt Kayl-Nord realisiert werden, müsste die Idee begraben werden. Wo dann neuen Wohnraum schaffen? Auf dem Gelände der ehemaligen Schlackenhalde in Tetingen, sagt Gonçalves.

Doch für Bürgermeister Lorent bleibt Kayl-Nord eine Herzensangelegenheit. Das Projekt will er umsetzen. Auch in Sachen Wohnungsmangel und mögliche Lösungen zeigt er sich realistisch. „Dieses Problem lässt sich nicht so ohne Weiteres lösen. Zumal die Gemeinde über sehr wenig eigenes Gelände verfügt. Die Gemeinde muss zu einem Player in diesem Bereich werden und in Zukunft mögliches Bauland erwerben“, sagt Lorent. Kayl-Nord? So richtig weiß der potenzielle Koalitionspartner DP nicht, was es damit auf sich hat. Zu wenige Details, sagt Krings. Durchaus konkret sind jedoch die DP-Vorstellungen einer Seniorenresidenz mit Pflegeheim. Das müsste eine Priorität für den neuen Schöffenrat unter liberaler Beteiligung sein.

Doch das ist vorerst noch Zukunftsmusik. Falls nichts Unvorhergesehenes passiert, dürfte der Bürgermeister von Kayl am kommenden Montag weiterhin John Lorent heißen. Ob er das Mandat dann auch zu Ende führen wird? In der Ortschaft machte das Gerücht die Runde, er trete wohl zur Wahl an, werde aber das Mandat nicht fortsetzen. Lorent weist derlei Gedanken entschieden von sich. Das Amt werde er weiterführen, wenn der Wähler ihm den Auftrag erteile. Zumal er ab kommendem Jahr, wenn er in Rente gehen wird, seiner Stadt noch mehr Zeit widmen kann. Dann werde endlich Schluss sein mit der Doppelbelastung Berufstätigkeit/Bürgermeisteramt, so Lorent.