Die Fusionsmuffel

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MEESEBUERG/SAEUL – Die Geschichte von Verlierern und Gewinnern.

Seit 2004 rollt die Fusionswelle über Luxemburg weg. Versüßt mit mindestens 2.000 Euro pro Einwohner haben sich elf Gemeinden zur Fusion entschlossen. Mehr politisches Gewicht im Parlament und ein zu enges Personal-Korsett beim Bürgerservice sind die am häufigsten vorgebrachten Argumente pro Fusion. Es gibt aber auch Gegner.

In der Geschichte der Fusionsgegner gibt es auf dem politischen Niveau nur Verlierer und einen Gewinner. Es waren die Bürger der Gemeinden Nommern und Fischbach, die sich gegen eine Fusion ihrer Gemeinden mit Fels entschieden haben. Nach dem klaren „Nein“ im Referendum vom November 2014 war der Traum von „Meesebuerg“ geplatzt. Die drei langjährigen Bürgermeister, die sich dafür eingesetzt hatten, treten nicht mehr an. Die Enttäuschung darüber ist ihnen auch drei Jahre danach immer noch anzumerken, ist aber nicht der alleinige Grund für den Rückzug aus der Politik.

Nur Fels war für die Fusion

Lediglich Fels, dem der Ruf vorauseilt, das „portugiesischste“ aller Dörfer in Luxemburg zu sein, stimmte mit 66,3 Prozent für die Fusion. Die „ausgestreckte“ Hand der „Fielser“ von damals ist heute kein Thema mehr. Das sagt (Noch-) CSV-Bürgermeister Pierre Wies (71), der sich ansonsten mit Vermutungen zu den Gründen des Scheiterns zurückhält. Er hätte es damals gerne gesehen, wenn die drei Gemeinden zwischen Nordstadt, Junglinster und Mersch ihre Kräfte gebündelt hätten. Es sollte nicht sein. Wies zieht sich aus Altersgründen nach mehr als einem Vierteljahrhundert als Bürgermeister aus der Kommunalpolitik zurück. Zwölf Kandidaten stehen bereit.

„Wir wären flächenmäßig die fünftgrößte Gemeinde in Luxemburg geworden“, sagt Marc Eicher (60), parteiloser (Noch-)Bürgermeister in Nommern noch immer enttäuscht. Er spricht sehr offen über die Gründe für das Scheitern. „Bei den Diskussionen ging es zum Schluss gar nicht mehr um die Fakten“, sagt er, „die Fusion ist an vereinfachenden Argumenten versandet.“ Die Fakten sind schnell erzählt. Seit langem gibt es interkommunale Zusammenarbeiten wie beim Sportzentrum und beim Schwimmbad oder bei einer Vision für den Tourismus, Stichwort: Naturpark Müllerthal. Alle drei Gemeinden sind Mitglied in den gleichen Syndikaten. Nicht zusammengearbeitet wurde im Bereich Grundschule. Jedes der drei Dörfer hat seine eigene.

„Das sollte auch nach der Fusion so bleiben“, sagt Eicher, „aber die Bürger haben das der Politik nicht geglaubt.“ Daran hat auch die Tatsache, dass die autonome Schulorganisation der drei Dörfer für mindestens zwei Legislaturperioden sogar im Fusionsgesetz festgeschrieben war, nichts geändert. Unter den nach Angaben des Bürgermeisters vielen „besser“ verdienenden Bürgern in Nommern ging die Angst um, die Schulqualität könne leiden, wenn in den Klassen zu viele portugiesische Kinder sind. Auch Eicher will sich nicht mehr zur Wahl stellen. Er macht nach eigener Aussage einer jüngeren Generation Platz. Für die neun Gemeinderatsposten gibt es 17 Kandidaten.

Nicht-fusioniert ist ohne Zukunft

Marianne Brosius-Kolber, die CSV-Bürgermeistern von Fischbach tritt ebenfalls nicht mehr an. Die Enttäuschung von damals ist immer noch präsent. „Ich habe immer gesagt, Fischbach hat nur als fusionierte Gemeinde eine Zukunft“, sagt sie, „viele meinen zwar, es können ruhig so weitergehen, ich nicht.“ Hinzu kommt, dass sich ihr berufliches Engagement als Direktorin des SOS-Kinderdorfes nicht länger mit dem politischen Amt vereinbaren lässt. Zehn Kandidaturen gibt es für die neun Gemeinderatsposten.

Brosius-Kolber erinnert sich gut an das Debakel. „Die Bürger haben die Vorteile der Fusion gar nicht mehr gesehen, sondern nur noch das Negative“, sagt sie und verweist wie ihr Kollege Eicher auf die Schuldiskussion. „Ins Gesicht gesagt, hat mir das niemand so direkt“, sagt sie, „aber ich habe das aus zweiter und dritter Hand gehört.“ Hinzu kam damals ein unglücklicher Umstand: Kurz vor dem Referendum machte eine Regierungsentscheidung die Pläne der Gemeinde für die „Zone artisanale“ außerhalb von Angelsberg zunichte. Das Gewerbegebiet sollte laut neuem „Plan sectoriel“ mitten im Ort entstehen – ein No-Go für die Bürgermeisterin. Auch der Gemeinderat lehnte diese Pläne später ab. Trotzdem hat das dem Misstrauen in die Politik in die Hand gespielt.

Sehr zufrieden mit dem „Nein“

Der letzte Fusionsmuffel sitzt weiter westlich und ist sehr zufrieden mit dem „Nein“. Der parteilose Saeuler Gemeindechef Raoul Clausse (68) regiert die mit 780 Einwohnern kleinste Gemeinde in Luxemburg. Sie ist, wenn man ihm glauben kann, nicht-fusioniert und wunschlos glücklich. Das Fusionsangebot von Boewingen und Tüntingen hat im Referendum von 2011 eine hauchdünne Mehrheit dagegen zunichtegemacht. Die Gemeinde hat sich seitdem ganz bescheiden nach ihrer Decke gestreckt und auch ohne „Fusions-Eurobonbons“ investiert. Festsaal statt „Centre culturel“ und Sportsaal statt Olympiastadion, um nur zwei Beispiele zu nennen. Gemeinsamer Maschinenpark, Bürgerservice, größeres politisches Gewicht, all das ist für Clausse und die sechs Gemeinderäte kein Argument.

„Wir wollten nicht geschluckt werden“, sagt der Gemeindechef, „wir wollen weiterhin nah am Bürger sein und auch nicht von Parteipolitik beeinflusst werden“. Die Mitgliedschaft im Syndikat „Réidener Kanton“ biete genug Möglichkeiten, um einen vielfältigen Bürgerservice zu garantieren. Das „Nein“ zur Fusion illustriert er gerne mit einer Geschichte. Camille Gira, Staatssekretär im Umweltministerium, ist einer, der Clausse die Fusion seinerzeit ans Herz gelegt hatte. Nach einem Fest in Saeul war das kein Thema mehr. Die Atmosphäre und der Zusammenhalt im Dorf der Fusionsgegner hatten den einstigen Fusionsbefürworter Gira überzeugt, den autonomen Status quo beizubehalten. Das sagt alles.