Kampf um Stahl-Zukunft

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Der französische Staatspräsident Francois Hollande empfängt am Montag eine Gewerkschaftsdelegation aus dem lothringischen Florange.

Am kommenden Dienstag wird der französische Staatspräsident eine Delegation der Gewerkschaft der leitenden Angestellten empfangen. Die leitenden Angestellten hatten um einen getrennten Besuch gebeten.

Die Stahlwerker erwarten die Unterstützung des Präsidenten im Kampf um ihre Arbeitsplätze. François Hollande hatte während des Präsidentschaftswahlkampfes, wie andere Kandidaten auch, den Stahlwerkern in Florange einen Solidaritätsbesuch abgestattet.

Der Hintergrund für den Besuch: Die Hochöfen P3 und P6 und die Beschichtungsstraße für Verpackungsmaterial bleiben bis zum Ende des Jahres geschlossen. Die Leitung von ArcelorMittal Frankreich hatte diese Entscheidung am 1. Juni während einer Sitzung mit dem Gesamtbetriebsrat des Unternehmens verkündet. Die Hochöfen waren im Juni 2011 und im Oktober 2011 heruntergefahren worden. Von der Stilllegung der Hochöfen und der Beschichtungsstraße sind 600 Mitarbeiter betroffen. In Florange arbeiten insgesamt 2.900 Mitarbeiter von ArcelorMittal und etwa 2.000 Mitarbeiter von Zulieferfirmen.

Protestaktionen

Im Februar 2012 haben die Stahlarbeiter begonnen, mit zahlreichen Aktionen ihr Schicksal in den französischen Präsidentschaftswahlkampf einzubringen. In Frankreich entstand der Eindruck, dass mit Florange die französische Stahlindustrie sterben würde. ArcelorMittal wiederum praktiziert in Florange die scheibchenweise Kommunikationspolitik, die auch in Luxemburg bei den Stahlwerken von Rodange und von Schifflange praktiziert worden ist. Während vor Ort der Eindruck entsteht, dass die Entscheidung zur Schließung längst getroffen ist, gibt das Unternehmen immer nur periodenweise den Stillstand der Produktion bekannt.

Der Finanzchef des Unternehmens, Aditya Mittal, hatte im vergangenen Jahr mitgeteilt, dass nur 16 der 25 Hochöfen ein Bedarf am Markt bestehe. Die Gewerkschaft Force Ouvrière schlägt zur Lösung der Krise vor, dass die Produktion an allen Standorten so weit heruntergefahren wird, dass es an allen Standorten zwar weniger aber immerhin Arbeit für die Stahlwerker gibt. Eine andere Idee der Gewerkschaft ist, Florange zu verstaatlichen. Hoffnung ruht auf dem Projekt Ulcos, ein Projekt mit dem der Kohlendioxid Ausstoß in der Erde komprimiert werden soll. Die Gewerkschaft hält im Gegenteil wenig davon, Florange in ein neues Gesetzesprojekt der Sozialisten einzubeziehen. Danach soll ein Unternehmer, der ein Werk schließen will, es verkaufen müssen, wenn sich ein Interessent findet.

15 Millionen Euro

In der Doppelstadt Florange/Hayange steht ein integriertes Stahlwerk, das aus zwei Hochöfen besteht, einer Warmwalzstraße, drei Kaltwalzstraßen, und eine Kokerei. ArcelorMittal hat ein Budget von 15 Millionen Euro zur Investition in die Anlagen in Florange vorgesehen.

Bei den Stahlgewerkschaften ist am 1. Juni in St. Denis der Eindruck entstanden, dass in Frankreich nicht allein der Standort Florange zur Disposition steht, sondern die gesamte französische Stahlindustrie. Nach Aussagen des Generalsekretärs des Gesamtbetriebsrates, Jean-Marc Veckring, sei es durchaus denkbar, dass der Hochofen in Dünkirchen nicht wieder angefahren wird nach seine Refektion im Sommer 2012. Die Galvanisationsstraßen in Montataire (französische Ardennen) und in Mardyck, im Norden sollen in ihrem Fortbestehen bedroht sein. In Montataire wird der besonders gehärtete Stahl „Usibor“ für die Automobilindustrie hergestellt, wie auch in Düdelingen.

Kurzarbeit

Für den neuen Präfekten in Lothringen, Nacer Meddah, der gerade erst sein Amt übernommen hat, wird sich aus der Situation in Florange ein Problem ergeben. Er bekommt von ArcelorMittal Florange in der kommenden Woche einen Antrag auf Kurzarbeit vorgelegt. Bislang hat der französische Staat bereits Ausgleichzahlungen für über zwei Millionen Arbeitsstunden Kurzarbeit geleistet. Verweigert der Präfekt die Kurzarbeitszahlungen, würden die Beschäftigten 60 Prozent Arbeitslosengeld erhalten.

Geheimgespräche

Staatspräsident Francois Hollande und Minister Arnaud Montebourg befinden sich in einer wenig beneidenswerten Position. Am vergangenen Mittwoch hat der Generaldirektor von ArcelorMittal Frankreich, Hervé Bourrier, den für die Re-Industrialisierung und die Rettung von Arbeitsplätzen in Frankreich zuständigen Minister Arnaud Montebourg zu einem Gespräch getroffen, aus dem nichts an die Öffentlichkeit drang. Die Gewerkschaften wollen am Montag ausloten, wie groß der Spielraum der französischen Politik ist. Der Vertrag von Lissabon verbietet es den Regierungen der Mitgliedsländer der Europäischen Union, sich direkt in die Angelegenheiten eines Privatunternehmens einzumischen.

Aus der Sicht der Gewerkschaften war die Privatisierung der französischen Stahlindustrie ein Fehler. Sie verlangen, dass der Staat eine Liste mit strategischen Unternehmen erstellt, an denen er Anteile halten soll, um sich einmischen zu können. Für die Gewerkschaften besteht kein Zweifel daran, dass Stahl strategisch ist.