Kaderschmiede für die Mächtigen

Kaderschmiede für die Mächtigen
(AFP)

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Die "École Nationale d'Administration" (ENA) gilt in Frankreich als Kaderschmiede der Präsidenten. Wer auf diese Schule geht braucht sich um seine Zukunft keine Sorgen zu machen.

Die barocken Räumen der Pariser Verwaltungshochschule ENA sind jener Ort, an dem sich die künftige Elite Frankreichs trifft. Auch François Hollande, der aussichtsreiche Präsidentschaftskandidat der Sozialisten für die Stichwahl am 6. Mai, studierte an der „Ecole Nationale d’Administration“ (ENA). Die ENA brachte zwei Präsidenten, sieben Ministerpräsidenten und unzählige Minister und Präfekten hervor.

Diplomaten, Beamte des französischen Rechnungshofes und Berater im Elysée-Palast haben zur großen Mehrheit ebenfalls die ENA besucht: Wer auf diese Schule geht, braucht sich um einen gut bezahlten Job und einflussreiche Kontakte fürs Leben keine Sorge mehr zu machen. Auch Hollande machte hier bedeutsame Bekanntschaften für sein Leben: Zuvorderst natürlich die mit Ségolène Royal, der Mutter seiner vier Kinder und Präsidentschaftskandidatin der Sozialisten 2007.

Kein „Enarque“

Während seiner Zeit in der ENA traf Hollande so auch den späteren Ministerpräsidenten Dominique de Villepin oder auch den späteren mehrfachen sozialistischen Minister Michel Sapin. Auch Alain Juppé, Lionel Jospin und Edouard Balladur studierten in den ehrwürdigen getäfelten Sälen. Der amtierende Präsident Nicolas Sarkozy ist zwar kein „Enarque“, wie die Absolventen der ENA genannt werden, der Konservative ist allerdings trotzdem keine Ausnahme der französischen Elite-Macht: Er besuchte die „Science Politique“ in Paris, eine vor allem den Sozialwissenschaften gewidmete Hochschule.

Zwar hat Sarkozy den Abschluss nie geschafft – nach Medienberichten scheiterte er an seinem mangelhaften englischen Sprachkenntnissen – aber wertvolle Kontakte waren ihm auch hier sicher. Auch die Science Politique brachte einige Staatenlenker hervor, zum Beispiel den konservativen Präsidenten Georges Pompidou.

Schwere Aufnahmeprüfung

Frankreichs Hochschulsystem ist insgesamt sehr viel elitärer als in den Nachbarländern: Es gibt eine strenge Hierarchie unter den Universitäten und schon mit dem Eintritt in das Studium entscheiden sich für viele die späteren Karriereaussichten. Abiturienten besuchen häufig direkt nach dem Abitur Vorbereitungskurse, um die schwere Aufnahmeprüfung der „écoles nationales“ zu schaffen. Diese Kurse können bis zu zwei Jahren dauern.

Letztendlich, so bemängeln viele französische Bildungsforscher, ist die französische Elite sehr klein, undurchdringbar und „reproduziert sich und ihre dominante Weltsicht“ immer wieder selbst, wie es beispielsweise der Soziologe Pierre Bourdieu ausdrückte. Der zweimalige konservative Präsident Jacques Chirac beispielsweise studierte gleichzeitig mit Michel Rocard, dem späteren Ministerpräsidenten Frankreichs. Und wenn sich die Vertreter verschiedener Parteien in der Nationalversammlung auch harsche Rededuelle liefern, haben viele von ihnen schon so manche durchzechte Studiennacht miteinander verbracht.

Exklusiver Lebensstil

Einige Schüler der ENA können sich über einen Lebensstil freuen, den es sonst wohl nur auf Schweizer Privat-Universitäten gibt: Während ihrer Pflicht-Praktika werden sie im überaus teuren Paris in komfortablen Wohnungen installiert, in denen sie sogar von Köchen oder Putzfrauen bedient werden, während ihre gleichaltrigen Kommilitonen der gewöhnlichen Universitäten für ein Zimmer unterm Dach in der Hauptstadt bis zu 1.000 Euro bezahlen müssen. Zumal die ENA als eine der wenigen europäischen Hochschulen ihre Schüler sogar während der Ausbildung bezahlt; sie erhalten knapp 1.400 Euro netto pro Monat – die Summe entspricht dem französischen Mindestlohn.

Aber offenbar hat Hollande schon damals ein Gespür für die fehlende Chancengleichheit, mit dem er jetzt in den Wahlkampf zieht: Er gründete ein „Aktionskomitee zur Reform der ENA“, in denen er den Empfängern dieser Privilegien nahe legte, einen Teil ihres Einkommens für mittellose Studierende zu spenden. Als künftiger Präsident könnte er die Elite-Hochschule direkt reformieren – bislang sind aber alle französischen Staatschefs am Widerstand der einflussreichen „Enarquen“ gescheitert.