Schilda in der Grenzregion

Schilda in der Grenzregion
(Fabrizio Pizzolante)

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Taxen, die nicht über die Grenze fahren dürfen, oder Post, die in Exklaven nicht zugestellt wird. Das Leben auf der Grenze lässt häufig den gesunden Menschenverstand vermissen.

Die Bürger von Schilda sind bekannt dafür, dass stets besonders kluge Entscheidungen trafen. Sie versenkten ein Glocke im See und schnitzten eine Kerbe in das Boot, das die Glocke trug, um den Ort wiederzufinden. Als sie merkten, dass das nicht so ganz richtig gewesen war, schnitzten sie die Kerbe aus der Bootswand heraus, was zu einem großen Loch in der Bootswand führte.

Mit einem Lächeln eröffnete die Vizepräsidentin des saarländischen Landtags, Isolde Ries, im Luxemburger Nationalmuseum die Sitzung der Verkehrskommission der Großregion und sprach von Schilda, das die Kommission weitgehend beschäftigen sollte. In einem Fall allerdings zeigte sich, was gesunder Menschenverstand in der Großregion bewirken kann. Die „Schmuggelbud“ ist ein Café und Tabakladen in einer saarländischen Exklave. Das Saarland hat drei davon: in Großrosseln, in Überherrn und in Behren. Die deutsche Post bedient die Exklaven nicht mehr, weil man über eine 700 Meter lange Straße fahren muss, die zu Frankreich gehört. Der Grund: Die Post müsste für die „Schmuggelbud“ Alkohol und Zigaretten transportieren. Und das tut sie nicht, weil sie diese Waren, auf die Akzisen zu zahlen sind, durch das Ausland transportieren muss. Betroffene Saarländer, die dort neben der „Schmuggelbud“ leben, lassen sich derzeit die Post bei der Oma im „richtigen“ Saarland zustellen.

„Schmuggelbud“

„Wir haben“, sagt der Direktor der Zollbehörde in Metz, Christian Leblanc, „von diesem Fall durch die Presse erfahren. Wir sind nie auf die Idee gekommen, dort zu kontrollieren, wir haben wirklich Wichtigeres zu tun. Wir haben uns mit unseren Kollegen im Saarland in Verbindung gesetzt und eine Lösung gefunden. Immer, wenn die „Schmuggelbud“ Alkohol und Zigaretten bestellt, schickt sie eine Kopie an den deutschen Zoll. Die Post stellt die Kartons in eine gesonderte Ecke des Wagens und die Sache ist erledigt.“ Der deutsche Zoll hat das mittlerweile mit der deutschen Post geregelt. Leblanc gegenüber Tageblatt.lu: „Wir kannten den Fall überhaupt nicht. Das musste auch gar kein Fall werden. So etwas regeln wir mit unseren deutschen Kollegen mit gesundem Menschenverstand.“

Der gesunde Menschenverstand hat sich in über 20 Jahren Kooperation zwischen den Zollbehörden in Metz und Saarbrücken entwickelt. Aus vereinzelten Praktika von Zoll-Inspektoren in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist eine enge Kooperation mit gesundem Menschenverstand in Arbeitsgruppen und gemeinsamem Grenzkommissariat geworden.

Ärger mit der Gendarmerie

Den gesunden Menschenverstand schien die Gendarmerie knapp hinter der Grenze für einen Augenblick vergessen zu haben. Auf den Spicherer Höhen, in Kriegen stets hart umkämpft, befindet sich das Restaurant Woll, als Speiserestaurant von Saarländern geschätzt. Als eine saar-pfälzische Gruppe nach einem guten Abendessen in die von ihnen bestellten deutschen Taxen einsteigen wollte, war die Gendarmerie der Meinung, dass die deutschen Taxifahrer in Frankreich keine Fahrgäste aufnehmen dürften. Es kam zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf sich die Deutschen durchsetzten. Aber: Diese Auseinandersetzung hatte Artikel in der saarländischen Presse zur Folge. Der Landtag in Saarbrücken beschäftigte sich damit und nun auch die Parlamentarier aus Luxemburg, Wallonien, Lothringen, dem Saarland und Rheinland Pfalz.

Dieses Nicht-Ereignis, das in der Vergangenheit zwischen den Parlamentariern Spannungen erzeugt hätte, sorgte jetzt für Kopfschütteln. Und als der Saarländer Eugen Roth, Ex-Polizist und DGB Chef, fragte, was in aller Welt diese Gendarmen denn wohl geritten haben könnte, gab es eher eine amüsierte Reaktion. Die Entspannung und Versachlichung der Diskussion gegenüber früheren Jahren geht auf eine Entscheidung aus dem Jahre 2011 zurück. Im Arbeitsministerium des Saarlandes ist eine „Task Force“ angesiedelt, die solche Fragen grundsätzlich bearbeitet. Céline Laforsch aus der Task Force hatte sich des Falles angenommen und dabei festgestellt, dass deutsche Taxifahrer tatsächlich nach Frankreich fahren dürfen und Passagiere aufnehmen dürfen … wenn sie bestellt sind und einen schriftlichen Auftrag vorweisen dürfen. Andersherum geht das aber nicht. In Deutschland bedürfen ausländische Taxifahrer generell einer Sondergenehmigung, die es bei einem Bundesamt in Köln gibt. Allerdings weiß niemand so genau, wie das geht.

Taxifahrer-Streit

Um aus der Situation herauszukommen und französichen Taxifahrern das Fahren im Saarland zu erlauben, hat die saarländische Landesregierung eine Duldung für französische Taxen ausgesprochen. Die saarländische Regierung wurde aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass das deutsch-französische Verkehrsabkommen aus dem Jahre 1964 modernisiert wird. Roger Negri aus Luxemburg schlug angesichts der Komplexität der Materie eine große Konferenz mit den Verbänden der Taxen und Fachleuten aus allen Ländern der Großregion vor, um zu prüfen, wie die Situation insgesamt ist und wie man allgemein Durchlässigkeit unter den Regionen erzielen kann. So ganz unbekannt ist diese Situation auch luxemburgischen Taxifahrern nicht. Die wurden im vergangenen Jahrhundert in Frankreich von ihren wütenden französischen Kollegen auch schon gestoppt, wenn sie Industruelle vom Luxemburger Flughafen in ihre Fabriken nach Lothringen fahren wollten. Das Problem ist heutzutage zwischen Luxemburg und Frankreich gelöst.

Nicht Schilda oder fast ist das, was sich – einmal mehr – zwischen dem Saarland und Lothringen abspielt. Eine Straßenbahn fährt auf Eisenbahnschienen von Saarbrücken nach Saargemünd. Es war mühsam, diese Idee überhaupt zu verwirklichen, weil eine Straßenbahn Sicherheitsvorstellungen der Eisenbahn überhaupt nicht erfüllen kann. Aber: es gelang. Seit Jahren fährt sie nun und steht jetzt vor dem Aus. Die Liberalisierung des Eisenbahnverkehrs führt dazu, dass ausländische Züge in jeweils heimischen Bahnhöfen Gebühren zahlen müssen. „Das gilt für die CFL in Frankreich wie für die SNCF in Luxemburg“, sagt Roger Negri gegenüber Tageblatt.lu. Das soll nun auch für die Saarbahn in Saargemünd gelten. In den vergangenen zwei Jahren war es gelungen, die SNCF dazu zu bewegen, der Saarbahn die Gebühr zu erlassen. Jetzt aber stehen 140.000 Euro zur Bezahlung an. Sollten die Saarländer die Summe tatsächlich berappen müssen, wird die Straßenbahn nicht mehr nach Saargemünd fahren, sondern noch bis zur Grenze. Die Wirtschaft in Saarbrücken macht sich bereits Sorgen. Die Strecke wird von Grenzgängern genutzt und vor allem von vielen Lothringern zum Einkaufen in Saarbrücken.

Traum geplatzt

Dennoch fährt das Prestigeprojekt Verluste ein, sagt Isolde Ries, die den über 15 Jahre alten Traum erzählt, dass die Straßenbahn auf Eisenbahnschienen auch nach Forbach fahren könnte. Ursprünglich hatte man auch die Idee, dass die Straßenbahn den gesamten ostlothringischen Industrieraum für die 20.000 Grenzgänger ins Saarland erschließen könnte. Ein Traum, der sich nicht realisieren wird, weil diese Eisenbahnstrecke mit Frachtzügen, Personenzügen, TGV und ICE so überlastet ist wie die Strecke zwischen Luxemburg und Metz. Immerhin: Der Präsident der Region Lothringen, Jean Pierre Masseret, will seinerseits nicht zulassen, dass dieses deutsch-französische Aushängeschild an der Grenze gestoppt wird. Er hat zugesagt, dass er sich mit der SNCF in Verbindung setzen wird. Obwohl: Es kann natürlich nicht sein, dass Prestigeprojekte nur durch Subventionen leben können.