Stay Behind-Struktur in der Armee?

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Ex-SREL-Chef Marco Mille stand am Freitag erneut als Zeuge vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss Geheimdienst. Er habe keine Beschattung des damaligen Staatsanwalts Biever angeordnet.

Bereits zum 3. Mal muss sich der frührere SREL-Chef Marco Mille den Fragen der Abgeordneten stellen. Nicht zuletzt neue Enthüllungen der Wochenzeitung d’Land rücken Mille in ein schiefes Licht. Dort wird ihm unter anderem vorgeworfen, den Premierminister Juncker unter Druck gesetzt zu haben. In seiner Zeit sollen auch die vermeintlichen Beschattungsaktionen gegen Bommeleeër-Ermittler und Generalstaatsanwalt Robert Biever stattgefunden haben.

Er bestehe dieses Mal auf die ganze Wahrheit, so Ausschusspräsident Alex Bodry. Man fühle sich oftmals veräppelt; es sei klar, dass nicht die ganze Wahrheit gesagt werde, so Bodry zu Sitzungsbeginn.

Er habe keine Observationen gegen Ermittler und den Generalstaatsanwalt angeordnet, so Marco Mille auf eine entsprechende Frage des Präsidenten. Er schloss jedoch nicht aus, dass ein Mitglied des SREL die Observation bei einem Privatdetektiv angeordnet haben könnte. Es könnte sein, dass Quellen ohne sein Wissen erschlossen worden seien.

Dossier Pädophilie

Konkret geht es um einen gewissen D. Er sei Informant des Ex-SREL-Agenten André Kemmer gewesen. Er selbst, Mille, habe ihn nicht gekannt. Bei besagter Person soll es sich um einen Privatdetektiv handeln, der die Beschattungen durchgeführt haben soll. Die Bewilligung von Geldmitteln zur Bezahlung der Quellen stellte der Leiter der Operationen aus, betont Mille. Das war Frank Schneider. Auch Schneider war bereits als Zeuge im Untersuchungsausschuss gehört worden.

Zur angeblichen Beschattungsaktion gegen Staatsanwaltschaft Robert Biever sagt Mille, dieser Name sei im Zusammenhang mit einem Pädophilie-Dossier gefallen. Das sei aber Interpretationssache gewesen. Darüber, ob es sich bei der von einem Informanten genannten Person tatsächlich um Biever handele, gingen die Meinungen im SREL auseinander. Er, Mille, habe nicht daran geglaubt, André Kemmer schon. Mille schloss nicht aus, dass Kemmer anschließend andere Schritte unternommen habe, womit wohl die Beschattungsaktion gemeint ist.

Mille zufolge wurde das Pädophilie-Dossier an die Justiz weitergeleitet. Es handle sich nicht um eine Angelegenheit für den SREL. Von besagtem Fall hätten er, André Kemmer und Frank Schneider Bescheid gewusst. Seiner Ansicht nach deute nichts auf eine Beteiligung des Staatsanwalts, so Mille.

Beschattung von Ermittlern

Nichts wusste Mille auch von einer vermeintlichen Observation von Ermittlern in Sachen Bommeleeër. Er habe sich stets um eine Kollaboration mit dem Ermittlerteam bemüht, insbesondere seit 2004. Doch sei dies stets abgelehnt worden. Mille zufolge habe man den Ermittlern stets Informationen zukommen lassen. Eine gute Meinung von den Ermittlern hatte er damals nicht gehabt, so Mille. Diese seine Meinung rechtfertige jedoch keinesfalls eine Beschattung der Ermittler, betont Mille. Was hätte man schon rausfinden können?

2006 vertrat Mille die These, hinter der Bommeleeër-Affäre stecke wohl Stay Behind. Das hatte er damals gegenüber Premier Jean-Claude Juncker und Justizminister Luc Frieden geäussert. Warum er diese These nicht gegenüber der parlamentarischen Kontrollkommission Geheimdienst geäußert, fragt Alex Bodry. Das war ausschließlich eine These, die seit den 1990er Jahre zirkuliere, erklärt Mille und zitiert dabei aus einschlägiger Literatur. Diesen Autoren zufolge könnte eine Beziehung zwischen Anschlägen in mehreren Ländern und der Nato-Geheimarmee bestehen.

Stay Behind

Das hätte eine plausible Hypothese auch für Luxemburg sein können, so Mille. Die These sei in Luxemburg geprüft worden. Die Schlussfolgerung: Stay Behind in Luxemburg sei nicht zu den Anschlägen in der Lage gewesen. Auch seien die Motive nicht vorhanden gewesen. Was die Anschläge hätten erbringen können, habe dem SREL nicht genutzt, so Mille. Stay Behind wurde vom Geheimdienst geleitet.

Die Luxemburger Stay Behind-Leute, zwölf Personen, hätten nicht über die notwendigen Kenntnisse verfügt. Dies alles habe er dem Premierminister zugetragen, so Mille. Juncker selbst erteilte dann 2008 der parlamentarischen Kontrollkommission Geheimdienst den Auftrag, einen Bericht zu Stay Behind zu erstellen.

Parallel-Struktur zu Stay Behind

Ob es eine Parallel-Struktur zu Stay Behind gegeben hat, wisse er nicht, antwortet Mille auf eine entsprechende Frage. Mille zufolge habe die Armee das trainiert, was Stay Behind eigentlich hätte trainieren müssen, u.a. Infiltration und Exfiltration im Falle einer feindlichen Besetzung des Landes. Die Parallelstruktur hätte in der Armee bestehen können. Seiner Ansicht nach sei diese Struktur, wenn sie denn bestanden hat, ein Erbe der Nachkriegsjahre und der Auslagerung einer entsprechenden Einheit der Armee Ende der 1970er Jahre.

Auch Robert Rollinger, ehemaliger stellvertretender SREL-Direktor, hat von der möglichen Existenz eines möglichen parallelen Stay Behind gehört. Rollinger wurde im Anschluss an Mille gehört. Im SREL sei damals die Existenz dieser Parallel-Struktur nicht ausgeschlossen worden. Konkretes könne jedoch nicht vorgelegt werden, Rollinger.

Gérard Reuter als SREL-Informant geführt

Für Überraschung sorgte die Information seitens Milles, der ehemalige Rechnungshofpräsident Gérard Reuter sei als SREL-Informant geführt worden. Rekrutiert wurde er von André Kemmer. Als Belohnung bekam Reuter eine Dienstwohnung des SREL, da er nicht in anderer Form für seine Dienste entlohnt werden konnte. Aufgedeckt wurde dies, als der SREL die Wohnung für andere Zwecke habe nutzen wollen, beteuert Mille. Er habe nichts von Reuter gewusst. Für Mille war Reuter kein Informant. Kemmer habe Reuter als Rechtsberater gebraucht.

Reuter war Ende der 1990er Jahre wegen finanzieller Unregelmässigkeiten von seinem Posten entbunden worden.

Autohandel

Mille bestätigte, dass benutzte SREL-Autos verkauft wurden. Sie seien jedoch seines Wissens zufolge zu Marktpreisen verkauft worden. Der Verkauf wurde über Anzeigen bekanntgegeben. Auch SREL-Beamten konnten Autos erwerben, aber erst fünf Tage nach der Veröffentlichung der Anzeigen. Als SREL-Chef konnte er PKW zum günstigeren Preis kaufen. Dass zusätzliche Wagen im Namen des SREL gekauft wurden, wisse er nicht.

Seine Sicht der Dinge wird Gérard Reuter am Montag vor dem Ausschuss darlegen können. Er wird ab 10:30 Uhr gehört. Ob Reuter kommen würde, war bis vor wenigen Tagen ungewiss. Der Untersuchungsausschuss hatte via Medien quasi eine Vermisstenanzeigen aufgegeben und ihn daran erinnert, dass er die Parlamentarier sprechen müsse.