Einsam, verwitwet, sucht Student

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ESCH - Einsame Senioren und finanzschwache Studenten sollen künftig ein Zweckbündnis eingehen, um den Alltag besser meistern zu können.

Unter dem Motto generationenübergreifendes Wohnen will die Initiative „Cohabit’Âge“ künftig junge Studenten bei Rentnern zu Hause unterbringen. Von dieser Wohngemeinschaft sollen am Ende beide profitieren.

Charta

Artikel 1

Benehmen und Anstand müssen gewährleistet sein. Gegenseitiger Respekt, Diskretion und Vertrauen sowie Dialog und Toleranz werden großgeschrieben.

Artikel 2

Regeln werden sowohl für den Vermieter als auch für den Mieter erstellt.

– Die Person, der die Wohnung gehört, verpflichtet sich dazu, dem Studenten eine akzeptable Unterkunft zur Verfügung zu stellen und nötige Reparaturen in einem vernünftigen Zeitraum durchführen zu lassen.
– Der Student hält sein Zimmer in Ordnung und stört nicht die Nachbarn. Er darf die Wohnung betreten und verlassen, wann er möchte.
– Die Regeln und Bedingungen der Kohabitation werden in einem gemeinsamen Dokument festgehalten, das für beide Parteien verpflichtend gilt.

Artikel 3

– Eine gesetzlich anerkannte Vereinigung ist mit der Suche nach interessierten Rentnern und Studenten beauftragt. Sie vermittelt zwischen beiden Parteien, prüft die Begründungen eines jeden am Projekt teilnehmenden und vergewissert sich, dass die zur Verfügung gestellte Wohnung den hygienischen Mindestanforderungen entspricht.
– Zusammen mit der Vereinigung erstellen beide Parteien einen Verhaltenskodex, in dem die Organisation des Alltagslebens und die Bedingungen des Zusammenlebens gemeinsam festgehalten werden. Ebenfalls wird verpflichtend festgelegt, welche Räume des Hauses der Student nutzen darf, welchen finanziellen Beitrag er zu leisten hat und wie lange das Vertragsverhältnis dauern soll.

Artikel 4

Die zuständige Vereinigung beauftragt einen Mediator, der beiden Parteien zur Verfügung steht. Im Falle von Problemen kann der Mediator von beiden Parteien zu Rate gezogen werden. Er überprüft, ob die Vereinbarung eingehalten wurde und versucht eine für alle annehmbare Lösung zu finden. Sollte es zu schweren Verstößen kommen oder die Mediation scheitern, wird die Vereinbarung aufgelöst, nachdem beide Parteien gehört wurden.

(Quelle: „Un toit, deux générations“, frei übersetzt aus dem Französischen)

Durch den Wohlstand der westlichen Gesellschaften und die Fortschritte der Medizin werden die Menschen seit einigen Jahrzehnten immer älter und viele erfreuen sich selbst noch im hohen Alter bester Gesundheit. Parallel dazu leben infolge der zunehmenden Individualisierung viele ältere Menschen allein in einem Haus oder einer großen Wohnung, einerseits, weil sie ihren Lebenspartner durch Trennung oder Tod verloren haben und die Nachkommenschaft, falls es eine gibt, sich nicht um sie kümmern kann (oder will), andererseits, weil sie es sich dank eines (noch) guten Rentensystems leisten können. Doch das Alleinsein stellt für Senioren oft eine nur schwer erträgliche Belastung dar. Um dem Abhilfe zu schaffen, hat Moussa Seck von der französischen Vereinigung „Un toit, deux générations“ vor einigen Monaten in Luxemburg die Initiative „Cohabit’Âge“ gegründet. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, das Zusammenleben von älteren und jüngeren Menschen zu fördern.

Freundschaftliche und solidarische Beziehung

Das Projekt von Moussaka Seck wurde von der Stadt Esch und der Bank ING und im Jahr 2013 von der Business-Initiative „1, 2, 3 Go“ (gemeinsames Projekt von „Chambre de commerce“, Fedil und Luxinnovation) ausgezeichnet.

In der Hauptsache geht es darum, Rentner zu finden, die Studenten oder andere junge Menschen, die sich keine Wohnung leisten können, umsonst bei sich aufzunehmen. Im Gegenzug verpflichten sich die Studenten dazu, den Senioren bei der Hausarbeit zur Hand zu gehen und ihnen ab und zu Gesellschaft zu leisten. Beide Parteien verpflichten sich zu gegenseitigem Respekt. Im Idealfall entwickelt sich eine freundschaftliche und solidarische Beziehung zwischen dem Rentner und dem Student.

Damit das Zusammenleben funktioniert, hat die Vereinigung „Un toit, deux générations“, die ähnliche Projekte bereits erfolgreich in Frankreich umgesetzt hat, eine Charta mit Regeln und Verpflichtungen ausgearbeitet, die sowohl die Senioren als auch die Studenten beachten müssen (siehe Infokasten).

Mit der Eröffnung der Uni auf Belval im kommenden Jahr werden viele neue Studenten nach Esch kommen. Nicht alle werden sich eine eigene Wohnung leisten können oder eine Studentenwohnung abbekommen. Diese Studenten möchte Moussaka Seck ansprechen.

Legale Basis finden

Doch bevor er das tun kann, muss er erst eine legale Basis für seine Vereinigung „Cohabit’Âge“ finden und ein Finanzierungsmodell vorlegen. Anschließend geht es darum, Senioren zu finden, die bereit sind, an dem Projekt teilzunehmen.

Diese Themen wurden am Montag im Rahmen eines Konferenztages von Arbeitsgruppen bestehend aus Mitarbeitern der zuständigen Ministerien und des sozialen Sektors im Escher Stadthaus diskutiert.

Die Stadt Esch werde „Cohabit’Âge“ jedenfalls Büroräume im „Centre Albert Schweitzer“ auf dem Gelände des Altersheims „CIPA op der Léier“ zur Verfügung stellen, wie Sozialschöffe Dan Codello am Montag dem Tageblatt bestätigte.