Noch immer kein lokales Museum

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Seit über 20 Jahren suchen die „Escher Geschichtsfrënn“ nach einem neuen Museum. Bislang ohne Erfolg. Im Hinblick auf die Europäische Kulturhauptstadt 2022 hoffen sie nun, dass die Stadt Esch ihnen endlich ein geeignetes Gebäude zur Verfügung stellt und die Uni Luxemburg, mit Unterstützung des Staates, die Ausgrabungen am archäologischen Standort „op der Gleicht“ weiterführt.

Vor ziemlich genau 55 Jahren, am 9. April 1963, gründeten rund ein Dutzend Escher den Geschichtsverein „Amis de l’histoire et du musée de la Ville d’Esch-sur-Alzette“ (AHME). Neben Politikern wie Antoine Krier und Henri Koch sowie Geschäftsleuten wie Willy Buchholtz gehörte auch ein gewisser Norbert Theis zu den Gründungsmitgliedern. Dank seines unermüdlichen Einsatzes konnten die Escher Geschichtsfreunde zahlreiche Karten, Dokumente und Artefakte insbesondere aus der prähistorischen Zeit zusammenstellen.

Nach seinem Tod im Jahre 1991 übernahmen andere das Ruder, unter ihnen Camille Robert, der auch noch heute sehr aktiv ist. Im Laufe der Jahrzehnte trugen die „Escher Geschichtsfrënn“ Tausende Gegenstände und Dokumente zusammen, die sie auf dem Gebiet der Minettemetropole entdeckten. Fündig wurden sie insbesondere auf der „Gleicht“ unweit der Escher Waldschule, wo mithilfe des „Musée national d’histoire et d’art“ (MNHA) über 5.000 Artefakte aus sämtlichen historischen Epochen von der Urnenfelderkultur bis in die Moderne ausgegraben wurden.

Diese Artefakte deuten darauf hin, dass lange vor Beginn der Industrialisierung in Esch bereits Metall verarbeitet wurde. Den Höhepunkt der Ausgrabungen stellte im Jahr 2003 die Entdeckung eines wichtigen paläometallurgischen Bezirks und eines merowingischen Friedhofs mit 14 Gräbern auf dem „Kiirchefeld“ dar. In einem Doppelgrab wurden sogar zwei Kriegerskelette in voller Montur gefunden.

Forderung nach Ausgrabungen

„Wir haben nur an der Oberfläche gekratzt. Was noch darunter liegt, wissen wir nicht“, sagt Jean Kramp, der vor zehn Jahren das Amt des Präsidenten der AHME von Camille Robert übernommen hat. Weiter als die „archäologische Tiefe“ von 50 Metern dürfen Amateure nicht graben. Luftaufnahmen zeigen aber, dass unter dieser Oberfläche noch viele andere archäologische „Schätze“ verborgen sind. Jetzt müssten eigentlich die Profis ans Werk. Doch der Staat habe weder Geld noch Personal, um diese Arbeiten durchzuführen, bedauert Kramp.

„Deshalb fordern wir, dass die Ausgrabungen von Forschern der Uni Luxemburg mit der Unterstützung des Kulturministeriums und der Stadt Esch wieder aufgenommen werden“, betont Laurent Biltgen, Schriftführer des Vereins. „Die Geschichtsfreunde haben bewiesen, dass Esch von der Steinzeit bis in die Neuzeit quasi ununterbrochen besiedelt war. Es wäre schade, wenn keine weiteren Untersuchungen durchgeführt würden“, sagt Biltgen.

Auf der „Gleicht“ hat die Stadt Esch mittlerweile eine Schrebergartenanlage gebaut. Das Merowingergrab ist im Garten der „Fondation Linster“ in Hellingen ausgestellt. Dort lagern auch die meisten der anderen Artefakte, die aber nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Das lokale Museum, das die Geschichtsfreunde 1981 im Ettinger-Haus in der rue du Faubourg eingerichtet hatten, wurde bereits 1996 vom damaligen Schöffenrat geschlossen. Das Haus wurde anschließend von der Gemeinde verkauft.

Einer Universitätsstadt nicht würdig

Seitdem ist ein Großteil der AHME-Sammlung verschwunden. Vieles sei geklaut worden. Bei einem Rohrbruch in der „Dellhéicht“-Schule, wo die Dokumente zeitweise zwischenlagert waren, wurde vieles zerstört, berichtet Kramp. Inzwischen haben die „Escher Geschichtsfrënn“ außer einem zehn Quadratmeter großen Büro in der „Casa d’Italia“ keinen Raum mehr in Esch zur Verfügung. „Wir bedauern, dass die Stadt Esch bislang wenig Interesse an ihrer Vergangenheit gezeigt hat“, meint Kramp. Als Universitätsstadt könne man Forschern nicht einmal ein lokales Museum anbieten.

Seit 20 Jahren setzen die Geschichtsfreunde sich vergeblich für ein neues Museum ein. Es soll kein „totes“ Museum werden, das man einmal besucht und dann nicht mehr wiederkehrt. Wechselausstellungen zu unterschiedlichen lokalhistorischen Themen wie die Geschichte der einzelnen Stadtviertel, die Entwicklung der Geschäftswelt oder das Leben der einfachen Leute in einer bestimmten Epoche könnten pädagogisch aufbereitet werden, erklärt Biltgen. Sowohl für einheimische Schüler und Erwachsene als auch für Touristen, die im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt im Jahr 2022 nach Esch kommen werden, könne dieses Museum eine Bereicherung darstellen.

Als mögliche Standorte nennen die Geschichtsfreunde das erste Escher Krankenhaus in der rue Léon Metz, ein Gebäude auf der Brache Esch-Schifflingen, ein entsakralisiertes Kirchengebäude oder das ehemalige Friedensgericht am Brillplatz, das frei wird, wenn die Renovierung des Resistenzmuseums abgeschlossen ist.

Ob die Forderungen der AHME bei den neuen Verantwortlichen der Stadt Esch auf offene Ohren stoßen, wird sich schon heute auf der ordentlichen Generalversammlung des Vereins zeigen. Kulturschöffe Pim Knaff habe sich bereits abgemeldet, sagt Biltgen. Ob der Schöffenrat einen anderen Vertreter schicke, wisse man noch nicht.