Ein Stück Fußballgeschichte

Ein Stück Fußballgeschichte

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Luxemburg verfügt lediglich über eine Handvoll Sportstätten, die als legendär bezeichnet werden können. Das „Stade du Thillenberg“ gehört mit Sicherheit dazu. Fußballromantiker können nun aufatmen, denn das Stadion wird denkmalgeschützt.

Der Differdinger Gemeinderat und die „Commission des sites et monuments nationaux“ sind sich bereits einig. Das „Stade du Thillenberg“ muss erhalten bleiben und gehört geschützt. Die endgültige Entscheidung, ob das Areal zum nationalen Denkmal erklärt wird, fällt in den kommenden Wochen. Wie es heißt, handelt es sich jedoch nur noch um Formalitäten.

Das „Stade du Thillenberg“ war über Jahrzehnte die Heimat der Differdinger Red Boys und nach der Fusion bestritt der FC Differdingen 03 seine Heimspiele in dem Stadion. Das letzte offizielle Fußballspiel der ersten Mannschaft fand hier am 18. Mai 2012 statt. Zu Gast war damals der Rivale von der Escher „Grenz“. Seitdem wird die Sportstätte nur noch für Trainingseinheiten und Spiele der Reservemannschaften genutzt. Unter Denkmalschutz werden die überdachte Tribüne, die gegenüberliegende Stehplatztribüne, der Eingangsbereich und das Spielfeld gestellt.

„Durch diese Maßnahme wird die Sportstätte nicht nur für die Zukunft erhalten bleiben, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach auch renoviert“, freut sich Erny Muller, langjähriger Präsident der Red Boys und Vorstandsmitglied des Fusionsvereins FC Differdingen 03.
Der Weg zum „Stade du Thillenberg“ führt heute durch ein Gewirr von engen Einbahnstraßen bis zur Stadtgrenze, dort, wo der Wald beginnt. Früher prägten die Hochöfen der Firma Hadir das Bild des Viertels. Eine hohe graue Mauer verweigert den neugierigen Passanten von außen jeglichen Blick ins Stadioninnere. Doch spätestens nachdem der Besucher das hölzerne Eingangsportal durchquert hat, lässt das Stadion die Herzen aller Fußball-Liebhaber höher schlagen.

Freiwillige bauen Tribüne

„Der damalige Kapitän Michel Mosinger hat um 1920 in England studiert. Die Haupttribüne und das Eingangsportal wurden deshalb nach englischem Vorbild geplant und errichtet“, erklärte Erny Muller gegenüber dem Tageblatt. Die Haupttribüne wurde aus Holz und Metallträgern gebaut. Sie ist in den Farben Rot, Weiß und Schwarz gehalten.

Gegenüber wurde eine große Stehtribüne in die Felswand gehauen. Mittlerweile erobert sich die Natur diese Tribüne wieder zurück. Unkraut wächst dort, wo einst die Fans den Spielern einheizten. „Die Stehtribüne wurde 1921 von Freiwilligen gebaut. Der Platz war nicht eben, sondern es mussten drei Hügel und insgesamt 4.200 m3 an Bauschutt und Eisenerz abgetragen werden. Die Arbeiten dauerten rund neun Monate. Dieser soziale Aspekt des Stadions darf nicht vergessen werden“, so Muller weiter.

Zu Spitzenspielen kamen früher regelmäßig 6.000 Zuschauer. Auch heute kann man die Stimmung erahnen. Die Menschen standen dicht gedrängt am Spielfeldrand und konnten somit lautstark Einfluss auf den Spielverlauf oder Schiedsrichterentscheidungen nehmen. „Die Ligaspiele wurden immer sonntags um 15 Uhr angepfiffen. Bis in die 70er Jahre kamen die Zuschauer immer gut gekleidet zu den Spielen. Eine Krawatte war meistens Pflicht. Ein Spiel hat damals 25 Luxemburger Franken auf der Stehtribüne gekostet“, erzählt Emile Schmit, einer der beiden ehrenamtlichen Archivare des FC Differdingen 03.
„Besonders tückisch war das Stadion im Winter. Die Seite, wo sich die Haupttribüne befindet, lag dann in der Sonne. Die Stehplatztribüne war im Schatten. Die Spieler und die Zuschauer mussten sich dann mit dem auf dieser Seite gefrorenen Boden auseinandersetzen“, erinnert sich Schmit.


Ein Leben für den Differdinger Fußball

Erny Muller und Emile Schmit waren jahrelang im Vorstand der Red Boys aktiv. Muller war sogar Präsident des Fußballclubs. Emile Schmit ist im Schatten des Thillenberg aufgewachsen und seit seiner Kindheit Fan des Klubs. „Mit sechs Jahren wurde ich von einem Auto angefahren. Dabei erlitt ich schwere Verletzungen am Kopf und die Ärzte verboten mir das Fußballspielen. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich die Spiele nur noch als Zuschauer erleben. Meinen Stammplatz auf dem Thillenberg habe ich auf der Gegengeraden. Doch ich mag es auch, hinter dem gegnerischen Tor zu stehen“, schwärmt Schmit.

Die beiden Anhänger haben während der 80er Jahre für die Klubzeitung „Penalty“ geschrieben und diese in Eigenregie herausgegeben. Der FC Differdingen 03 hat mit Erny Hilgert und Emile Schmit zwei ehrenamtliche Archivare. Beide haben in den vergangenen Jahrzehnten alte Fotos, Spieltagsplakate und Resultate des Klubs gesammelt. Ihre Sammlung konnten sie bei einer Ausstellung zum 100. Jubiläum des Vereins zeigen.


Im Besitz von ArcelorMittal

Lange hat sich die Gemeinde gesträubt, in das Areal des „Stade du Thillenberg“ zu investieren, da sich das Grundstück noch immer im Besitz des Stahlkonzerns ArcelorMittal befindet. „Ich hoffe, dass sich die Gemeinde so schnell wie möglich mit dem Stahlgiganten an einen Tisch setzt und somit die Verhältnisse auf dem Thillenberg endgültig geklärt werden“, sagt Erny Muller.


Keine internationalen Stars

Die Red Boys sowie auch der spätere Fusionsverein FC Differdingen 03 können auf eine lange Geschichte in den Europäischen Wettbewerben zurückblicken. Die Red Boys traten unter anderem gegen den AC Mailand, Olympique Lyon und Ajax Amsterdam an. Gegen Omonia Nikosia konnten sich die Differdinger sogar über einen Heimsieg (2:1) freuen. „Europacup-Feeling“ kam jedoch nie auf dem Thillenberg auf. Aus Sicherheitsgründen mussten diese Spiele im „Stade municipal Differdange“ in Oberkorn angepfiffen werden.