Schulverbot wegen Arznei

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Ein Schüler bekommt medizinischen Cannabis verschrieben, um seine Krankheit zu behandeln. Er fliegt von der Schule. Bildungsministerin Mady Delvaux-Stehres verteidigt den Ausschluss.

Ab dem 18. Februar und bis zum 29. März wird ein erwachsener Schüler des Landwirtschaftlichen Lyzeums mit direkter Wirkung vom Unterricht ausgeschlossen. Grund sei die Einnahme von medizinischem Cannabis zur Behandlung seines Krankheitszustandes, so der unabhängige Abgeordnete Jean Colombera in einer Mitteilung am Mittwoch.

Die Bildungsministerin Mady Delvaux-Stehres bringe fadenscheinige Argumente hervor, um die Entscheidung zu motivieren, so Jean Colombera. „Von aggressivem Verhalten des Schülers über mögliche Strafverfahren beim Autoverkehr, bis hin zu Gefahren auf dem Arbeitsplatz und Nichtmeldung eines Krankheitszustandes bei Beginn des Schuleintrittes, alles Mögliche wird aufgezählt um den Ausschluss zu legitimieren.“

„Menschenverachtende Politik“

Jean Colombera, der von Beruf Arzt ist, protestiert gegen diese „menschenunwürdige und menschenverachtende Politik“ und erklärt sich. Das Medikament sei notwendig zur Behandlung der Krankheit. Auch sei es von zwei Ärzten bestätigt worden. Deshalb dürfe der Schüler nicht schuldig gesprochen werden, nur weil er seine Krankheit erfolgreich behandelt.

„Bei dieser Dosis gibt es weder eine Gefahr im Verkehr, noch eine Gefahr auf dem Arbeitsplatz“, fügt der Abgeordnete hinzu. Da die Ministerin von einem „Medikament“ rede das in Luxemburg nicht verschrieben werden dürfe und nicht von einer „Droge“, sei dies Grund genug, den Schüler nicht auszuschließen.

Inklusion statt Ausschluss

Jean Colombera wirft der Regierung vor, extrem stümperhaft mit der Drogenpolitik umzugehen. Sie sei in diesem Bereich extrem inkompetent und füge mit ihren willkürlichen Entscheidungen extremen Schaden zu: „Dass die Bildungsministerin sich über ärztliche Kompetenzen hinwegsetzt, ist ein dicker Hammer und dass sie kranke Leute aus der Schule entlässt ist ein Beweis dafür, dass Inklusion nur auf dem Papier existiert“.

Der Arzt und Abgeordnete Colombera fordert die Ministerin dazu auf, ihren falschen Entschluss rückgängig zu machen: „Leute die krank sind, müssen geschützt werden und nicht bestraft“.

In Luxemburg nicht zulässig

Das THC-haltige Medikament wurde von einem deutschen Arzt zur Behandlung des ADS-Syndroms (Hyperaktivität) beim knapp 30-jährigen Schüler verschrieben. Allerdings kann dieses Medikament in Luxemburg nicht verordnet werden.

Die Ministerin weist darauf hin, dass der Schüler seine Krankheit im Einschreibungsformular der Schule nicht angegeben hatte. Als weiteres Argument für den Verweis des Schülers von der Schule nennt Delvaux die Benutzung von technischem Material wie etwa Elektosägen während des Unterrichts. Die Handhabung von derlei Gerät könnte für Schüler unter Drogeneinfluss besonders gefährlich werden.

Drogenrazzien an Schulen

Zwischen Ende 2011 und Anfang 2012 hatten mehrere Drogenrazzien an Luxemburger Schulen für Aufsehen gesorgt. In der Agrarschule in Ettelbrück mussten sich zwei Schulklassen einer Urinprobe unterziehen. Auch im Lycée technique du Centre und in der Privatschule Sainte-Anne in Ettelbrück hatten Razzien stattgefunden. Daraufhin hatte der DP-Abgeordnete André Bauler eine parlamentarische Anfrage zum Thema gestellt und wollte wissen, ob diese Razzien rechtens seien. Mady Delvaux-Stehres rechtfertigte in ihrer Anwort das Vorgehen der Polizei und betonte die Notwendigkeit solcher unangemeldeter Kontrollen, besonders dann, wenn Schüler mit schweren Maschinen arbeiten würden, wie dies in der Ackerbauschule der Fall sei.

Im März 2012 wurde das Thema „Drogen in den Schulen“ im Parlament debattiert. Eine exklusiv repressive Politik sei nutzlos, darin hatten die Redner im Parlament überein gestimmt. Die Oppositionsparteien hatten sich schockiert gezeigt, dass in den drei Lyzeen die Polizei mit Drogenhunden anrückte und die Schüler zwang, sich Drogentests zu unterziehen. Alle Parteisprecher betonten, dass die Drogenpolitik ein Teil der globalen Suchtpolitik sein müsse. Dennoch bargen die Vorschläge wenig Neues. Mady Delvaux verteidigte das Vorgehen der Schulleitungen, die bei Verdachtsfällen durchaus das Recht haben, die Polizei zu rufen.