Kopf des Tages: Das glanzlose Ende der britischen Premierministerin Theresa May (62)

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Am Ende wurde die sonst stets gefasst auftretende Theresa May doch von Emotionen überwältigt. Mit brüchiger Stimme und den Tränen nahe kündigte sie gestern in London ihren Rücktritt an. Am 7. Juni tritt sie als Parteichefin der Konservativen zurück. Bis Ende Juli gibt sie auch das Amt der britischen Regierungschefin ab – das Amt, „das auszuüben die Ehre meines Lebens war“, wie sie sichtlich bewegt erklärte.

Mit großer Beharrlichkeit hatte Theresa May in den vergangenen Monaten um ihr Brexit-Abkommen gekämpft. Dreimal war sie mit ihrem Vorhaben im Parlament gescheitert. Am Ende wurde der Druck zu groß, der Rücktritt unumgänglich. Wie zäh sie ist, zeigte sie bei ihren Auftritten im Parlament: Während ihr offene Feindseligkeit entgegenschlug, stand die Premierministerin meist nur da und lächelte starr. May verbrachte fast ihr gesamtes Berufsleben in der Politik. Nach ihrem Geografie-Studium in Oxford, wo sie ihren Mann Philip kennenlernte, arbeitete sie kurz bei der Bank von England. Doch schon 1986 zog es sie als Gemeinderätin im vornehmen Londoner Stadtbezirk Merton in die Politik.

1997 wurde sie ins Unterhaus gewählt – als Abgeordnete des wohlhabenden Wahlbezirks Maidenhead. Von 2002 bis 2003 war sie die erste Generalsekretärin der Konservativen. Theresa Mays großer Lebenstraum war es von klein auf, Premierministerin zu werden. Das war der Pfarrerstochter aus der Provinz nicht in die Wiege gelegt. Ehrgeizig, aber nie charismatisch, arbeitete sich die inzwischen 62 Jahre alte Politikerin Stück für Stück hoch.

May ist weder eine mitreißende Anführerin, die auf den Tisch haut, noch ist sie geschickt darin, Kompromisse zu schmieden. Sie selbst bezeichnete sich einmal als „bloody difficult woman“, als eine verdammt schwierige Frau. Beim Brexit-Referendum am 23. Juni 2016 hatte sie sich für den Verbleib in der EU ausgesprochen, aber so zaghaft, dass es kaum jemand merkte. Das machte sie zur idealen Kompromisskandidatin. May schlug von Anfang an einen harten Brexit-Kurs ein. „Brexit bedeutet Brexit“ wurde zu ihrem Mantra. Was sie damit meinte, machte sie in ihrer ersten großen Rede nach dem Referendum zum EU-Austritt Anfang 2017 deutlich: Austritt aus dem EU-Binnenmarkt, Austritt aus der Zollunion und keine Rolle mehr für den Europäischen Gerichtshof in Großbritannien.

Nach einer katastrophalen Parteitagsrede im Herbst 2017 wurde sie schon abgeschrieben. Sie litt unter Hustenanfällen, ein Komiker überreichte ihr ein Entlassungsschreiben – angeblich im Namen des damaligen Außenministers Boris Johnson – und hinter ihr fielen die Buchstaben des Parteitagsmottos von der Wand. Doch May gab nicht auf.

Nun nimmt ihre politische Karriere ein glanzloses Ende. Am 7. Juni will sie ihr Amt als Parteichefin abgeben. Doch das Rennen hat längst begonnen. Britische Medien rechnen mit bis zu 20 Tories, die ihren Hut in den Ring werfen werden. Der Brexit, den sie nie wollte, hat die Frau, die schon mit zwölf Jahren wusste, dass sie in die Politik gehen möchte, zu Fall gebracht.