Wurde das Opfer zum Tatort gefahren?

Wurde das Opfer zum Tatort gefahren?
(dpa/Symbolfoto)

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Im Prozess um den Mord an einem Luxemburger in Brasilien wird ein Video vom Tatort gezeigt. Es gibt Ungereimtheiten und viele Fragen.

Am Dienstag stand im Prozess gegen die Laotin Brigitte D. und die Brasilianerin Tania M., denen der Auftragsmord am damals 74-jährigen Immobilienhändler Henri Z. vorgeworfen wird, die Projektion eines Films vom Tatort in Porto Seguro im südlichen Bundesstaat Bahia in Brasilien auf dem Programm. Dort wurde Henri Z am 25. Oktober 2011 mit fünf Schüssen aus einer 7,65 mm Pistole in den Kopf regelrecht hingerichtet.

Ermittler Christian K. kommentierte den am Tatort und der Umgebung gedrehten Videoaufnahmen. Darin stellte sich heraus, dass der erste Überfall an einem nicht gerade leicht zugänglichen Strand 500 Meter unterhalb des Hotels stattfand. Im Film wurde dann die 7,5 Kilometer lange Strecke zum zweiten, fatalen Attentat mit dem Wagen abgefahren, so der Ermittler Christian K..

Schusswunde an der Hand

Eine sandige und unbeleuchtete Strecke, die das Opfer unmöglich zu Fuss zurückgelegt haben konnte, umsomehr sich keine Spuren an seinen Kleidern und besonders an seinen schwarzen Lackschuhen fanden. Auch war das Opfer Henri Z. am gleichen Tag aus dem Krankenhaus entlassen worden.

Beim weiteren Filmverlauf stellte sich ebenfalls heraus, dass Diego M., der Sohn von Tania M., der das Opfer bekanntlich hinter dessen Rücken um Tausende von Euros gebracht hatte, streng genommen kein Alibi für die Tatzeit hat. Bleibt dem jungen Abenteurer also nur das Bilderbuchmotiv, das wir bereits als wichtiges Indiz erwähnten.
Ein anderes, gesichertes und durch den Film eindrücklich bestätigtes Indiz ist wohl auch, dass das Opfer zum Tatort gefahren wurde, um dort mit fünf präzisen Schüssen in den Kopf regelrecht hingerichtet zu werden. Die Schusswunde an der Hand ist unmissverständlich auf eine Abwehrreaktion des agonisierenden Opfers zurückzuführen.

Verdeckte Abhöraktion

Der Ermittler berichtete von der geheimen Abhöraktion gegen Brigitte D., einen früheren Partner von ihr, sowie gegen Tania M. und ihren Mann Daniel L. nach der Rückkehr in Luxemburg, die aber ausser einem eher lässigen Umgang mit dem Tod von Henri Z. und der Prahlerei mit dessen Erbschaft nicht viel erbrachte.

Interessant für die Indizienlage waren die Telefonate zwischen Diego M. und seiner Mutter um die Freigabe der Erbschaft. Obwohl beide sich bewusst schienen, dass sie abgehört werden, stellte sich heraus, dass nicht nur die Witwe, sondern auch der Sohn ihrer Freundin unter akutem Geldmangel leidete.

Die Angst

Weil er wegen der Abhöraktion nicht offen von den Hintergründen reden konnte, nahm Diego M. den Kauf eines Autos zum Preis von 40.000 Euro als Anlass, um seine Mutter unter Druck zu setzen. Diese widerum warf Brigitte D. vor, nur durch ihren Sohn, der sein Leben für sie riskierte, zu Geld gekommen zu sein. Alles in allem ging es wohl darum, die Auftragsmörder in Brasilien zu bezahlen, um sie ruhig zu stellen. Das erklärt auch die manifeste Angst von Tania M., ihrem Sohn, den man in Brasilien zurückgelassen hatte, könnte das Schicksal von Henri Z. ereilen.

Auch der Vorsitzende zog die Synthese, dass Diego M. in Brasilien Todesangst ausstand und sich nicht sicher sein konnte, ob Brigitte D ihn nicht vielleicht an der Nase herum führt. Mit dem Ermittler kam er zum Schluss, dass Diego M. nicht unbedingt der Täter ist, diesen jedoch kennen müsste.

Jedenfalls wurden nach der Freigabe der Erbschaft 25.000 Euro ziemlich fix nach Brasilien überwiesen. Und wenn wir schon bei den Hypothesen sind: Angesichts der vom Zeugen beschriebenen mehr als zweifelhaften Arbeit der brasilianischen Ermittler, drängt sich die Frage auf, ob diese auch etwas davon abbekommen haben.

Der Prozess geht am Mittwoch weiter.

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