Hollande und der lange Schatten Mitterrands

Hollande und der lange Schatten Mitterrands
(Imago)

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Bis auf den Vornamen und die Partei haben sie wenig gemeinsam: François Hollande und François Mitterrand.

Die Lobrede des Präsidenten zum 100. Geburtstag seines verstorbenen Vorgängers Mitterrand am Mittwochabend sieht mancher schon als Abgesang auf Hollandes eigene Amtszeit. Während sich Frankreichs Sozialisten im Gedenken an ihr Idol versammeln, wird vielen schmerzhaft bewusst, wie führungslos die Partei sechs Monate vor der Präsidentschaftswahl erscheint.

Umso intensiver wird hinter den Kulissen über Alternativen zu Hollande nachgedacht. Mitterrand: Das ist in den Augen vieler Franzosen der Präsident, der von 1981 bis 1995 die fünfte Republik prägte. Der mit seiner aristokratischen Art die „Grande Nation“ verkörperte, als sie noch wahrhaft groß wirkte. Der Hand in Hand mit Helmut Kohl an den Gräbern von Verdun Weltgeschichte schrieb. Und der 1988 mit satten 54 Prozent wiedergewählt wurde.

Zahlreiche Peinlichkeiten

Dagegen Hollande, mit dem nach einer Umfrage nur noch vier Prozent der Franzosen zufrieden sind. Der die Antwort auf die Frage hinauszögert, ob er erneut als Kandidat der Sozialisten bei der Wahl im Frühjahr antreten will. Und über den in der Partei der Unmut wächst – nicht erst seit der Veröffentlichung einer Interview-Sammlung mit dem Titel „Un président ne devrait pas dire ça…“ („Ein Präsident sollte so etwas nicht sagen…“), in der Hollande zahlreiche Peinlichkeiten ausbreitet.

Selbst Regierungssprecher Stéphane Le Foll stellte mit Blick auf das Ansehen des Präsidenten erstmals resigniert fest, es könne nicht mehr von einer Abwärtskurve die Rede sein: „Wir sind ganz unten angekommen.“ Der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron hat mit seinem Rücktritt im August bereits offen den Bruch mit Hollande vollzogen.

Die Gretchenfrage

Ob er als Kandidat der Mitte antritt, lässt der frühere Investmentbanker bisher offen. Dabei hatte schon Mitterrand die politische Mitte verächtlich die „weiche Abart der Rechten“ genannt. Einige Sozialisten hoffen, dass sich Manuel Valls aus der Deckung traut. Der Premierminister wäre „ein möglicher Präsidentschaftskandidat“, meinte etwa Parteichef Jean-Christophe Cambadélis.

In der Tat bemüht sich Valls seit Monaten demonstrativ um die Einheit der Genossen. In einem Radiointerview drückte sich der 54-Jährige allerdings um die Gretchenfrage herum, wie er zu einer weiteren Kandidatur Hollandes stehe. Dies sei die „persönliche Entscheidung“ des Staatschefs, sagte er. Er verwies auf die zuletzt deutlich gesunkenen Arbeitslosenzahlen, an die Hollande sein politisches Schicksal geknüpft hat.

„Regieren heißt nicht, zu gefallen“

Ob Valls die Sozialisten tatsächlich aus dem Umfragetief reißen könnte, ist laut Umfragen nicht gesagt. Gleiches gilt für Ségolène Royal, die ein sozialistischer Hinterbänkler als mögliche Alternative zu Hollande ins Gespräch gebracht hat.

Die frühere Lebensgefährtin des Präsidenten und heutige Umweltministerin quittierte dies mit Spott: „Man sucht jemanden, der sich opfert“, sagte Royal einer Zeitung. „Die Lage muss wirklich verzweifelt sein.“ Zumal Royal der Ruf einer Verliererin anhaftet, seit sie bei der Präsidentschaftswahl 2007 mit rund 47 Prozent gegen Nicolas Sarkozy unterlag.

Solange kein aussichtsreicher Konkurrent in Sicht ist, wartet das Umfeld Hollandes einfach ab. Gerne zitieren seine Vertrauten Mitterrand, der einmal sagte: „Regieren heißt nicht, zu gefallen.“