Orban entgegentreten

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Ungarns Regierungschef auf Anti-EU-Kurs

Der ungarische Regierungschef Viktor Orban hat diese Woche wieder unter Beweis gestellt, dass er sein Land eigentlich von jenen europäischen Prinzipien entfernen will, zu denen er sich bei den jüngsten Feierlichkeiten in Rom bekannt hat. Zum einen ließ er zu Beginn der Woche im Parlament im Eiltempo eine Novellierung des Hochschulgesetzes abstimmen, die darauf abzielt, die Central European University (CEU) in Budapest zu schließen. Dabei hat Orban auch seinen erklärten Erzfeind, den US-Investor George Soros, im Visier, der die Universität in Budapest gegründet und zeitweise finanziert hat. Doch es ist auch die Ausrichtung der Universität – die sich den Vorstellungen ihres Gründers folgend einer offenen Gesellschaft, der Verteidigung von Demokratie und Bürgerrechten verschrieben hat –, die dem ungarischen Premierminister ein Dorn im Auge ist.

Zum anderen konsultiert seine Regierung mittels eines Fragebogens und unter dem Motto „Stoppt Brüssel!“ die Bevölkerung u.a. zur Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen in Ungarn und der Wirtschafts- und Steuerpolitik des Landes. Die Fragen und die zur Auswahl gestellten Antworten triefen allerdings nur so von Unterstellungen und Suggestionen. Es geht Orban mit seinem Fragebogen wohl weniger darum, die Meinung der Bürger einzuholen, als vielmehr Stimmung gegen „Brüssel“, die Kommission, die EU schlechthin zu machen. „Brüssel“ würde Ungarn dazu zwingen, illegale Flüchtlinge aufzunehmen, die selbstverständlich mit den jüngsten Terroranschlägen in Europa in Zusammenhang gebracht werden. Und die Kommission wolle den Ungarn ihre Steuer- und Wirtschaftspolitik „diktieren“, wie es in den Antworten heißt. Kurz: Die „Konsultation“ ist eine weitere aus Halbwahrheiten und Lügen bestehende Variante jener Propaganda, wie sie von den Brexit-Befürwortern und Donald Trump in ihren jeweiligen Wahlkämpfen angewandt wurde oder von autokratischen Herrschaftsmethoden zugeneigten Präsidenten wie Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan als Regierungsinstrumente eingesetzt werden.

Zwar will sich die EU-Kommission am kommenden Mittwoch mit den neuerlichen Ausschweifungen Orbans befassen. Doch sie wird nur wenig ausrichten können, da sie keine Handhabe gegen den Ungarn hat. Sie braucht daher Unterstützung. In erster Linie muss jetzt die Europäische Volkspartei, der Orbans Fidesz-Partei angehört, dieser den Stuhl vor die Tür setzen. Dieser Schritt der europäischen Konservativen ist überfällig. Doch auch die Regierungen der anderen EU-Staaten müssen Stellung beziehen und Orbans illiberalen und Anti-EU-Kurs klar als nicht vereinbar mit einer Mitgliedschaft in der Union verurteilen. Dabei muss deutlich werden, dass nicht die ungarische Bevölkerung, sondern lediglich das Handeln ihrer Regierung das Problem ist. Dem ungarischen Regierungschef würde damit auch die Möglichkeit entzogen, die von außen kommende Kritik als Diktat aus Brüssel abzutun und die EU-Kommission mit dem Zentralkomitee der KPdSU gleichzustellen, so wie er es bereits in der Vergangenheit getan hat.

Während sich in immer mehr EU-Staaten und Städten sonntags Bürger versammeln, um ein Zeichen für die EU und gegen den grassierenden Populismus zu setzen, wäre es mehr als angebracht, wenn die Regierungen in der Union ein ebensolches Zeichen auf ihrer Ebene setzen und Orban entgegentreten würden.