Rive gauche

Rive gauche
(Alain Rischard/editpress)

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EDITORIAL Amüsiermeile in der Escher Brillstraße

In Esch/Alzette gibt es zurzeit um die 120 Cafés. Das macht rund 10 Prozent aller Kneipen im Großherzogtum aus. Für die etwas mehr als 500 Studenten, die derzeit im Süden leben, und ihre 2.500 Kollegen, die täglich aus anderen Landesteilen und aus der Großregion anreisen, reicht dieses Angebot offenbar nicht aus. Zumindest bekommt man diesen Eindruck, wenn man sich bestimmte Medienberichte ansieht, die in den vergangenen Wochen die Runde gemacht haben.

Luc Laboulle
llaboulle@tageblatt.lu

Es mag stimmen, dass die Einrichtung einiger dieser 120 Schankwirtschaften nicht den Geschmack von hippen Sprösslingen aus der luxemburgischen Mittelschicht trifft. Doch selbst für sie gibt es stylische und/oder originell gestaltete Etablissements sowohl im Universitätsviertel Belval (Urban, Coppers, Mix’n Kawa) als auch im Escher Stadtzentrum (Pitcher, Casablanca, Gino’s, Mise en scène, Escher Brasserie, Le Journal, Brasserie Rex, Taverne Battin, Saloon, Ratelach usw.).

Auch unter den im luxemburgischen Volksmund abschätzig als „Portugisecafé“ verschrienen Bars gibt es so manche Perle, die es zu entdecken gilt. Im Gegensatz zu den meisten vorher erwähnten Cafés verfügen viele dieser Kneipen sogar über einen ordentlichen Kicker- und Billardtisch, Accessoires, die in vielen anderen Städten bei Studenten durchaus beliebt sind. Nun scheint es Bürger zu geben, die Angst oder Scheu empfinden, wenn sie mit anderen Menschen in Kontakt treten müssen, die kein Luxemburgisch reden, einer niedrigeren sozialen Schicht angehören und eine etwas dunklere Hautfarbe haben.

Damit diese Bürger unter sich sein können, hat der Escher Geschäftsverband nun eine Art „Rives de Clausen“ in der Brillstraße gefordert. Eine Amüsiermeile für zahlungskräftige Hedonisten, wo Après-Ski-Stimmung bei deutscher Schlagermusik herrscht oder zu den neuesten Chart-Hits kräftig abgetanzt wird. Einmal davon abgesehen, dass die Geschäftsleute, nach den Einwohnern des Brill-Viertels, wohl die ersten wären, die sich nach der Eröffnung der Amüsiermeile über den Lärm und das leidige Parkplatzproblem aufregen würden, stellt sich die Frage, wie die Umsetzung dieser „Rives du Brill“ vonstattengehen soll.

Die Brillstraße ist kein leer stehendes Firmengelände, sondern eine ganz gewöhnliche Straße, wo Menschen wohnen und arbeiten. Ein Investor bzw. eine Investorengruppe müsste demnach sämtliche Häuser aufkaufen, sie renovieren und einen Betreiber für die 20 bis 30 Etablissements finden, die dort entstehen sollen. Und nicht zuletzt müssten alle Bewohner aus den oberen Stockwerken umgesiedelt werden, es sei denn, sie stören sich nicht an lauter Musik bis zum Morgengrauen und an sturzbetrunkenen Jugendlichen, die nachts in den Straßen grölen.

Wenn die Studenten nicht in Esch ausgehen wollen, hat das womöglich andere Gründe als ein fehlendes Angebot.
Angesichts der negativen Konsequenzen, die dieses haarsträubende und überflüssige Projekt „Rives du Brill“ haben würde, muss man sich ernsthaft die Frage stellen, ob der Wahlkampf für die im Oktober 2017 anstehenden Gemeindewahlen in Esch bereits begonnen hat.