Siren’s Call: Ein überzeugendes Konzept, an dem noch gefeilt werden muss

Siren’s Call: Ein überzeugendes Konzept, an dem noch gefeilt werden muss

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Um die Vielfalt des Kulturangebots musste man sich dieses Wochenende keine Sorgen machen. Zwischen den beiden musikalischen Open-Air-Events (Sting und das Siren’s Call), der Vorstellung eines Kulturentwicklungsplans für Luxemburg, der Vernissage der Thierry-van-Werveke- Ausstellung im CNA, der Finissage der „Schwaarzt Haus“-Kollektivausstellung und den „Portes ouvertes“ auf der „Schläifmillen“ wurde man von der Auswahl fast erdrückt. Wir berichten vom Siren’s Call in der Altstadt.

Es ist der zweite Sommer ohne Rock-A-Field und der erste ohne das letztes Jahr wiedereingeführte Food for your Senses. Die Festivalsaison in ganz Luxemburg scheint bedroht. In ganz Luxemburg? Mitnichten: Seit einem Jahr gibt es zu Sommerbeginn das Siren’s Call, das für einen Nachmittag und eine Nacht die Altstadt (nicht nur) musikalisch belebt.

So ganz klappt dieses Asterix-Narrativ natürlich nicht: Neben dem Siren’s Call gibt es noch reichlich DIY-Festivals wie das Kolla oder das „Koll an Aktioun“. Und die Organisatoren des Ateliers passen auch nicht wirklich in die Rolle der ewigen Rebellen. Nichtsdestotrotz füllt ihr urbanes Festival, das wie auch das FFYS letztes Jahr neben mehr oder weniger bekannten Bands die Bandbreite an kulturellem Entertainment mit Ausstellungen, Yoga-Kursen und Lesungen erweiterte, teilweise eine Festivallücke, die angesichts der kulturellen Entwicklung unseres Landes etwas bedauerlich ist.

Damit bleibt zwar die Tatsache, dass diejenigen, die ein größer aufgezogenes rurales Festival mit Camping besuchen wollen, weiterhin ins Ausland pilgern müssen, jedoch bietet das vom Atelier und Neumünster organisierte Festival mit Bands wie Eels, MGMT und weniger bekannten, hippen Indie-Bands wie Dream Wife oder Parcels immerhin ein Line-up, das mit Mainstream- und Indiebands die Brücke zwischen dem Rock-A-Field und dem FFYS zu schlagen vermag.

Keine Autowerbungs-Musik

Zu Beginn bekennen Them Lights von Mutiny-on-the-Bounty-Schlagzeuger Sacha Hanlet (die mittlerweile live zu fünft auftreten) ihre Liebe zu Michael Jackson mit ihrem Neo-Soul, bevor Claudine Muno auf der pittoresken Garden Stage nach dem nächsten Bob Dylan sucht – nach jemandem, dessen Songs nicht nur versuchen, dir ein Auto zu verkaufen. Eine klare Herausforderung an die restlichen Bands des Festivals.

Kurz darauf folgt der verführerische Indie-Rock vom Londoner Quartett Dream Wife, der manchmal an Franz Ferdinand, manchmal aber auch (wegen des Sprechgesangs) an Art Brut erinnert – falls man sie sich in einer Art feministischem Lolita-Look vorstellen kann. Parcels klingen wie eine funkige, gelassenere, aber auch weniger spannende Version von Portugal. The Man. Für die neue Siggy’s Stage wurde die Salle Robert Krieps in eine Konzerthalle umgewandelt – mitsamt Sitzgelegenheiten, abgedunkeltem Interieur und Getränkeverbot. Eine gute Gelegenheit, etwas Schatten aufzusuchen – drinnen läuft es aber auch vielleicht etwas zu gemächlich ab, auch wenn die Qualität der dort gebotenen Konzerte – allen voran Pascal Schumachers „Drops & Points“-Projekt – durchaus überzeugend ist.

„Hangry“

Wer den Weg zum Melusina dann am Nachmittag erneut auf sich nahm, wurde mit dem schönen Konzert von Klangstof belohnt, die mitunter an Radiohead erinnerten. Der erste Headliner Eels – angeführt von Mark Everett, dessen letztes Album erstaunlich positive Töne anschlägt – gab ein relativ kurzes Best-of-Set zum Besten, Hits wie „Novocaine for the Soul“ standen neben Auszügen aus der neuen Platte („Bone Dry“, „Today is the Day“), die stilistisch durch eine ordentliche Portion Bluesrock vereinheitlicht wurden. Der Klang war zwar etwas dumpf, Stimmung konnte E trotzdem erzeugen.

Headliner MGMT spielte letztendlich zwar alle Hits und viele Songs der neuen Scheibe – irgendwie wirkten die Amerikaner aber nicht sonderlich motiviert und live etwas eintönig und einfallslos. Was angesichts der Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt fast sämtliche Foodtrucks ausverkauft waren – der Künstler Alasdair Reinert, der unter anderem mit Jeff Poitiers und Anne Mélan ausstellte, stand noch vor Beginn des MGMT-Konzerts Schlange, wurde aber erst nach dem Ende des gut 70-minütigen Sets bedient –, für ein Publikum sorgte, das anfing, etwas „hangry“ (die bekannte Mischung von „hungry“ und „angry“) zu werden. Gut, dass danach noch im „Gudde Wëllen“ bis in den Morgengrauen getanzt werden konnte.

Es wurde während der „Assises culturelles“ immer wieder, und auch in der kurzen Rede des Kulturministers Xavier Bettel erwähnt: Es ist wichtig, Kultur unter die Menge zu bringen. Das Publikum aufzusuchen. Ihm zu zeigen, wie wichtig die Wertschätzung, der Konsum von Kulturgütern ist. Mit dem Siren’s Call liegt hier definitiv eine ausgezeichnete Initiative vor: Nicht nur Neumünster, sondern auch das Melusina und mittlerweile sogar der „Gudde Wëllen“ – mittlerweile ein unumgänglicher Partner in Crime, wenn es um Musik und Feiern geht – werden für einen Abend kulturell belagert. Dieses Flair, das dann von der Altstadt ausgeht, zeigt, wie wichtig das Schaffen solcher kulturelleren Momente ist.

Bleibt nur noch das Feilen des Konzeptes – fürs nächste Jahr wünschen wir uns dann einen spannenderen Headliner, einen saubereren Klang und besser organisierte Essgelegenheiten.