Zur Zukunft unserer Asylpolitik: „Die EU soll Inseln vor Nordafrikas Küste leasen“

Zur Zukunft unserer Asylpolitik: „Die EU soll Inseln vor Nordafrikas Küste leasen“

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Dort soll sich entscheiden, ob Migranten ein Anrecht auf Asyl haben. Das sagt Sicherheitsberater Pusztai im Interview. Seine Ideen sind ebenso umstritten wie gefragt. Pusztai berät Regierungen und Brüssel. Und Europa sucht händeringend nach Lösungen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik.

Europa sucht nach Antworten in der Flüchtlings- und Asylpolitik. Diese erhoffen sich die Staaten unter anderem von Wolfgang Pusztai. Der Österreicher ist Politik- und Sicherheitsberater mit den Schwerpunkten Libyen und Migration. Vor Kurzem hat Pusztai eine Studie für das italienische Außenministerium mitverfasst. Dieselben Grundgedanken hat er in Brüssel vorgetragen. Vieles deutet darauf hin, dass Pusztais Überlegungen am Sonntag beim EU-Sondergipfel Einzug in die Schlusserklärung finden. Hier stellt er sie vor.

Tageblatt: Die Frage der Migration steht momentan im Zentrum der Diskussionen um die Zukunft der Europäischen Union. Ende kommender Woche müssen sich die Mitgliedstaaten beim EU-Gipfel fast schon auf einen gemeinsamen Plan in Asyl- und Flüchtlingsfragen einigen, damit das Staatenbündnis nicht auseinanderfliegt. Sie haben einen solchen Plan entworfen – wie sieht der aus?

Wolfgang Pusztai: Der Zweck des Planes ist es, durch einen vorgestaffelten organisierten Prozess zu verhindern, dass Migranten unkontrolliert oder sogar illegal das europäische Festland erreichen. Dazu werden Migranten, die vor der libyschen Küste gerettet werden, auf vorzugsweise unbewohnte Inseln vor der nordafrikanischen Küste gebracht. Dafür gibt es einige Optionen. Diese Inseln müssten von der Europäischen Union langfristig geleast werden. Auf ihnen wären Migrationszentren für jeweils mindestens 10.000 Personen im Einklang der UNHCR-Standards einzurichten.

Was soll auf diesen Inseln passieren, immerhin handelt es sich hierbei nicht um europäisches Staatsgebiet? Wurde darüber überhaupt schon mit der betroffenen Regierung gesprochen?

Auf diesen Inseln erfolgt ein erstes Screening der Migranten, das neben einer ärztlichen Betreuung auch die Feststellung der Herkunftsländer umfasst. Nachfolgend wird für diejenigen, die um Asyl ansuchen und grundsätzlich auch dafür infrage kommen, das Asylverfahren durchgeführt. Solange es noch kein EU-gemeinsames Asylrecht gibt, wären diese entweder durch eine Lead Nation oder durch aufnahmebereite Nationen nach dem jeweiligen nationalen Recht durchzuführen. Abgelehnte Asylbewerber wären gleich wie diejenigen, die gar nicht für ein Asylverfahren infrage kommen, ins Heimatland zurückzubringen.

Das klingt aber einfacher, als es ist. Viele der infrage kommenden Länder weigerten sich in der Vergangenheit, diese Menschen wieder aufzunehmen.

Mir ist klar, dass das nicht so einfach geht, aber mit einem ernst zu nehmenden Ansatz mit Druck und Anreizen sollte es möglich sein, auch das durchzuführen. Dazu muss rückübernahmewilligen Ländern auch eine gewisse legale Einwanderungsquote zugestanden werden. Eine „gewöhnliche“ legale Einwanderung in die EU darf hingegen von den Migrationszentren aus nicht möglich sein, da diese dadurch eine Magnetwirkung entwickeln würden.

Was kann man sich denn als Preis für ein solches Insel-Leasing vorstellen?

Dazu möchte ich keine konkreten Zahlen nennen. Wenn man allerdings bedenkt, was die unkontrollierte Migration Europa kostet, sollte es doch möglich sein, ein sehr gutes Angebot zu machen, das angesichts der schwierigen Wirtschaftslage dieser Länder attraktiv genug ist.

Und wer soll sich um die Menschen dort kümmern? Das ist ja nicht unerheblich. Von den Lagern in Libyen, auch denen, die die Vereinten Nationen betreuten, kennen wir schreckliche Bilder.

Genau diese Zustände in Libyen sind mit ein Grund, warum dieser Plan möglichst rasch umgesetzt werden sollte. Europa kann die Migrationsproblematik nicht in Libyen lösen. Die Lager auf den Inseln wären durch die EU gemeinsam mit UNHCR und IOM zu betreiben.

Sollte, wenn etwas Derartiges kommt, die europäische Grenzschutzagentur Frontex für den Transport der vor der libyschen Küste aufgegriffenen Flüchtlinge auf eine dieser Inseln zuständig sein?

Ja, Frontex operiert ja bereits vor der italienischen Küste. Dazu kommen alle anderen nicht-libyschen Schiffe, die Migranten vor der Küste Libyens retten.

Wo sehen Sie die Vorteile in der von Ihnen vorgeschlagenen Insel-Lösung?

Die Hauptvorteile liegen einerseits darin, dass niemand mehr im Mittelmeer ertrinken muss oder nach Libyen zurückgebracht wird, und andererseits darin, dass nur mehr die nach Europa kommen, die auch tatsächlich ein Recht auf Asyl haben. Durch die Nutzung von unbewohnten Inseln außerhalb der EU fallen Anreize weg, die Asylverfahren möglichst in die Länge zu ziehen. Dazu kommt, dass diese Art von Migrationszentren keine zusätzliche Belastung und kein Sicherheitsrisiko für die Länder Nordafrikas bedeutet. Es sind auch keine Mauern und Stacheldrahtzäune nötig. Eine Weiterreise mithilfe von Schleppern kann leicht verhindert werden. In den Herkunftsländern wird sich bald herumsprechen, dass die risikoreiche Reise übers Mittelmeer nicht mehr unmittelbar in Europa endet und dass man ohne einen echten Asylgrund sein Geld besser nicht mehr in einen Schlepper investiert.

Sind wir da nicht beim australischen Modell, das von Menschenrechtlern schwer kritisiert wird?

Nein, das ist nicht vergleichbar. Von den Lagern in Nauru und Neuguinea kommt niemand nach Australien. Es gibt dort de facto keine Asylverfahren, die eine Aufnahme in Australien ermöglichen.

Aber gut, sogar wenn das klappen sollte, bleibt weiterhin das Problem der Quoten. Wie sollen Staaten wie Ungarn oder die anderen Visegrad-Mitglieder dazu gebracht werden, sich dann an einer gerechten Umverteilung zu beteiligen? Etwas, das sie ja bislang rigoros ablehnten.

Es wird erforderlich sein, Staaten zu finden, die diejenigen, denen Asyl zugestanden wird, freiwillig aufnehmen. Es erfolgt aber jedenfalls eine nachhaltige Entlastung der Aufnahmestaaten, da die sehr große Anzahl derjenigen, die kein Asyl erhalten, nicht
jahrelang in Europa bleiben können.

Österreich plädiert ja dafür, solche Zentren auch in Albanien oder Kosovo zu errichten. Halten Sie diesen Vorschlag für durchführbar?

Ob die Rückschiebung von Migranten, die bereits einen Asylantrag in einem EU-Land gestellt haben, in Zentren außerhalb der EU möglich ist, hängt wohl vom jeweiligen nationalen Recht ab. Ein Ausweisen von abgelehnten Asylbewerbern in ein aufnahmewilliges Land erscheint mir durchaus denkbar. Vor der albanischen Küste liegt übrigens die Insel Sazan, die durchaus auch für ein von mir angesprochenes Migrationszentrum geeignet wäre.

Sehen Sie nicht die Gefahr, dass wir Europäer uns auf diese Weise eines Problems entledigen, ganz nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn?

Nein, ich gehe davon aus, dass die Zivilgesellschaft und die Medien jedenfalls – zu Recht – dafür sorgen werden, dass dies nicht passiert. Dazu kommt, dass die Integration derer, die asylberechtigt sind, weiter erforderlich bleibt. Das Wissen, dass diejenigen, die bei uns ankommen, tatsächlich vor Krieg und Verfolgung geflüchtet sind, wird aber auch die Stimmung in der Bevölkerung positiv beeinflussen.

Was trotzdem bleiben wird, ist das Problem, dass der afrikanische Kontinent stark wächst, es demnach auch in Zukunft starke Migrations- und wohl auch Fluchtbewegungen geben wird. Wie ist diesem Problem beizukommen, an dem die Weltgemeinschaft ja seit Jahrzehnten scheitert?

Völlig richtig! Dieser Plan ist lediglich ein „stop-gap plan“, ein Überbrückungsplan, und keine Lösung der Migrationsproblematik. Eine solche kann nur in den Herkunftsländern erfolgen. Dafür ist eine mittelfristige Strategie auf mehreren Ebenen erforderlich. Auf der ersten Ebene geht es darum, die Multiplikatoren der Migrationsbewegung Bevölkerungswachstum, Umweltzerstörung und Korruption in den Griff zu bekommen und „gute Regierungsführung“ zu fördern. Wenn das nicht funktioniert, wird es niemals möglich sein, die Massenmigration einzudämmen. Auf der zweiten Ebene müssen die dringendsten Maßnahmen zur Stabilisierung der betroffenen Länder gesetzt werden. Dazu muss die Situation in den Bereichen Soziales, Wirtschaft, Sicherheit und Menschenrechte nachhaltig verbessert werden.

BillieTH
21. Juni 2018 - 23.42

Pitoyable comment JCJ et sa commission de la derniere chance gaspille nos impots pour un sommet qui n'est rien d'autre qu'une mission 'saving Angela'. La seule solution c'est la fin des Conventions de Geneve.

leonie
21. Juni 2018 - 23.08

vielleicht könnte man uns paar luxemburger auf solch einer insel aussiedeln

Jacques Zeyen
21. Juni 2018 - 22.19

..und wieder einBoot voller Minderjähriger.