Zolver: Hoch hinaus im Redrock Climbing Center

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Klettern wird nicht nur in Luxemburg immer beliebter. 2020 wird die Sportart mit ihren Teildisziplinen erstmals bei Olympia vertreten sein. Ein kurzer Blick auf die Sportart zeigt, warum es für viele Kletterhallen schwierig ist, alle Disziplinen abzudecken.

Von Misch Pautsch

Das Redrock Climbing Center in Zolver hat sich eine spannende Zeit herausgesucht, um seine Türen zu öffnen. Der Sport erfreut sich nicht nur einer nie da gewesenen Beliebtheit in der breiten Öffentlichkeit, sondern ist vor Kurzem zu einer olympischen Disziplin ernannt worden. Begleitet wurde dieser Aufstieg von Kontroversen darüber, wie genau die unterschiedlichen Sportarten 2020 in das Programm in Tokio eingebaut werden sollen. Ein Vergleich: Während der 100-Meter-Sprint und der Marathon beides Varianten des „Laufens“ oder die Tour de France und Downhill-Mountainbiken beides Radsportarten sind, würde niemand auf die Idee kommen, Usain Bolt einen Marathon laufen zu lassen, um sich für den Sprint zu qualifizieren. Genau dies jedoch verlangt das Olympische Komitee von den Athleten, die sie wohl einheitlich als „Kletterer“ bezeichnen würden.

Die breite Vielfalt der Teildisziplinen stellt nicht nur das Olympische Komitee vor Herausforderungen: Denn unterschiedliche Disziplinen setzen unterschiedliches Material und Know-how voraus. Dies war bisher in der Großregion so unter einem Dach nicht zu finden. Während Kletterhallen wie Pilze aus dem Boden schießen, sind die meisten entweder auf Bouldern oder Lead-Climbing spezialisiert, Speedklettern sucht man gänzlich vergeblich.

Halle nach olympischen Kriterien gebaut

Serge Bour, einer der fünf begeisterten Kletterer hinter dem Projekt Redrock Climbing Center, bestätigt: „Die Halle ist spezifisch nach olympischen Kriterien gebaut. Für die meisten Besucher wird das natürlich keinen Unterschied machen, aber wir versuchen, vorne mit dabei zu sein.“ Über 50 Routen, die regelmäßig neu geschraubt werden, sind bereits zugänglich wie auch die Speedwand, ein separater Boulderbereich wird voraussichtlich Mitte Oktober fertig. Ein Raum für junge Kletterbegeisterte gehört, neben einem kleinen Laden für Kletterzubehör und einer Küche, ebenfalls zur Halle. Während erfahrenere Sportler hier also Bedingungen vorfinden, die die Kletterhallen der Gegend bisher nicht bieten konnten, werden für Anfänger und Kinder Kurse angeboten, in denen sie die Grundlagen von Sicherung bis Klettertechnik lernen. „Wir denken über eine Außenwand nach, aber das ist noch Zukunftsmusik“, so Serge Bour.

Da ich meist im „Block“, also dem Boulderbereich unterwegs bin, war es eine erfrischende Abwechslung, Lead zu klettern. Die Halle ist, verglichen mit denen der Gegend, riesig und deutlich einfacher erreichbar als die im nahen Umland. Alleine die Bandbreite an Möglichkeiten und die Gelegenheit, Speed-Climbing auszuprobieren, reichen, um dafür zu sorgen, dass dieser erste Besuch nicht mein letzter sein wird.

Kontroverse Kombination

Warum also sind Hallen, die alle Disziplinen anbieten, so selten und das Programm der Olympiade so kontrovers? Ein kleiner Blick in die Welt des Kletterns und insbesondere von Olympia macht deutlich, dass Klettern nicht gleich Klettern ist. In dieser kurzen Einführung wollen wir die Outdoor-Varianten des Sportes ausschließen, welche – sehr zu Recht – allen Freunden dieser von vielen als „echt“ bezeichneten Art des Kletterns missfallen wird. Warum sich in der Halle an Plastik klammern, wenn man im „Magic Wood“ in Fontainebleau in freier Luft bouldern kann? Nun, dem aufmerksamen Leser fällt auf: „Magic Wood“ ist nicht in Tokio.

Wollen wir also den Berg im Land lassen und die drei großen Kategorien des Indoor-Kletterns grob betrachten: Lead-Climbing, Bouldering und Speed-Climbing. Das erste auf der Liste ist wohl die Variante des Sportes, mit der die meisten Leute vertraut sind: Die Athleten klettern eine fest definierte Route über 15 Meter hoch und sichern sich unterwegs selbst mit einem Seil. Beim schnelleren Bouldering hingegen wird ohne Seil geklettert, die Wand ist höchstens vier Meter hoch und der Boden unter ihr sehr weich. Ziel ist, das Ende der Strecke innerhalb von vier Minuten zu erreichen. Letztlich Speed-Climbing: Auf einer international normierten, 15 Meter langen Strecke treten die Sportler gegeneinander an, um nach meist weniger als acht Sekunden oben einen Knopf zu drücken, der ihre Zeit stoppt.

Treffen in der Mitte

Generell spezialisiert sich ein Kletterer auf hohem Niveau auf eine dieser Kategorien: Lead-Kletterer sind dünn, sehnig, auf Ausdauer bedacht. Speedkletterer hingegen sind breitschultrig, auf explosive Bewegungen ausgelegt. Boulderer sind flexibel, vom Körperbau her zwischen beiden angesiedelt. 2020 nun sollen in diesen Kategorien, die direkt aufeinanderfolgen, die gleichen Athleten direkt hintereinander antreten. Um beim Lauf-Vergleich zu bleiben: Die Schnellsten beim 100-Meter-Sprint dürfen direkt zu den 800 Meter Hürden, um sich für den Halbmarathon zu qualifizieren. Weltrekorde werden so keine aufgestellt. Gewinner ist, wer alles einigermaßen gut beherrscht.

Das viel diskutierte Format wurde nun erstmals am letzten Wochenende während der Kletter-Weltmeisterschaft in Innsbruck getestet. Mein persönlicher Eindruck: spannend. Der Eindruck der Athleten: anstrengend, intensiv, blutig. Man kann sich nur an so vielen Griffen festklammern, abspringen, hochziehen, bevor die Haut nicht mehr mitspielt – und Blut an den Griffen ist laut Regelwerk strengstens verboten. Die offizielle Reaktion auf den Versuch steht noch aus, aber da die Olympischen Spiele vor allem ein Zuschauerspektakel ist, werden sich die Speed-Climber, Boulderer und Lead-Climber wohl weiter anpassen und in der Mitte treffen müssen.