Von Beruf Clown: „Gestatten, ich bin Pepe“

Von Beruf Clown: „Gestatten, ich bin Pepe“

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Clown ist nicht gleich Clown. Es gibt sie im Zirkus, es gibt sie aber auch als Therapeut. Dem im besten Sinne „Geben“ von Geben und Nehmen haben sich die Clowns von „Ile aux clowns“ verschrieben. Wenn sie in Krankenzimmern oder Altersheimen auftauchen, geht es um Hilfe für Menschen in prekären Situationen. Dann sind schwere Krankheiten im Spiel, persönliches Leid oder das nahe Lebensende.

Von Beruf? Clown. Wenn Laurent Benassutti (39) sich so vorstellt, ist die Überraschung immer groß. Und was machen Sie wirklich? „Das ist mein Beruf“, sagt er dann. Aha. Noch mal Erstaunen. Und eigentlich träfe die Antwort „Das ist meine Berufung“ besser auf das zu, was ihn antreibt. Bei „Ile aux clowns“ einzusteigen, war eine bewusste Entscheidung und er war sich darüber im Klaren, dass es nicht leicht werden wird.

Wie viele hat auch er anfänglich Klischees über Clowns im Kopf, bevor er selbst einer wird. Der ewige Spaßmacher oder der oft ein wenig dümmlich oder tollpatschig daherkommende Typ mit roter Nase, das sind die, die jeder kennt. So einer ist er nicht. Wenn er die rote Nase anhat und das rotkarierte Käppi mit dem schwarzen Bommel richtig auf dem Kopf sitzt, geht es ums Zuhören, um Begegnungen mit Leichtigkeit. Dann geht es darum, etwas zu geben. Sein Gegenüber sind Menschen jeden Alters in Krankenzimmern, auf Palliativstationen oder im Seniorenheim. „Da entwickeln sich sehr intime Begegnungen“, sagt er.

Der gelernte Grafikdesigner stößt durch Zufall zur „Ile aux clowns“, das war vor acht Jahren. Da hatte ihn schon lange vorher die „Flemm“ in seinem erlernten Beruf befallen. Ein angefangenes Sozialpädagogikstudium liegt hinter ihm, er überlegt nicht lange. „Ich finde es spannend, das künstlerische mit einem sozialen und humanitären Anliegen zu verbinden“, sagt er. Wohl deshalb nennt er seine Arbeit auch nicht „Auftritt“, wie es Künstler tun würden, sondern „Intervention“.

Benassutti gehört zum achtköpfigen Stammteam der Clowns, seit zehn Jahren ist er im Kostüm unterwegs. Einen Einsatz pro Tag macht er für gewöhnlich. „Du kannst nicht acht Stunden lang Clown sein“, sagt er, „nach einem Auftritt ist man physisch und psychisch total geschlaucht.“ Das Dasein als Klinik-Clown fordert viel. Da hilft die Verkleidung. „Wenn du etwas Trauriges erlebt hast, musst du gelernt haben, das dem Clown zu geben“, sagt er. „Pepe“, sein Alter Ego als Clown, muss dann mit Mitgefühl und aufkommendem Mitleid zurechtkommen, ohne es zeigen zu dürfen. Laurent darf bei seinen eigenen Gefühlen bleiben. Das sind wichtige Voraussetzungen, um Begegnungen auf Augenhöhe zu ermöglichen. Für Laurent ist das ein selbst gestecktes Ziel und es ist jedes Mal aufs Neue ein Drahtseilakt, wie er sagt.

Die Verkleidung hat aber noch einen anderen wichtigen Aspekt. „Die rote Nase und die Kleider zeichnen uns als Personen aus, die nicht zur Gesellschaft gehören“, sagt er, „das macht es sehr einfach, sich zu öffnen.“ Als Clown stehen er und seine Kollegen über dem streng getakteten Klinik- oder Heimalltag, sie kommen nicht mit einer Spritze oder mit dem Stethoskop. Bei ihnen gilt auch ein „Nein“, die Freiheit der Entscheidung für die Patienten. Er selbst fühlt sich im Kostüm auch frei. Frei von allen Konventionen, gesellschaftlich auferlegten Rollen oder Zwängen.

Was muss man als Clown denn mitbringen? Eric Anselin (55), seit einem knappen Jahr der Direktor der Asbl., hat ein klares Profil vor Augen: „eine künstlerische Ader, Improvisationstalent, Großzügigkeit und eine soziale Sensibilität“. In seinem früheren Leben war er im Verkauf und Marketing großer Unternehmen engagiert, bis ihn das Gefühl beschlich, etwas anderes machen zu wollen. „Ich wollte etwas tun, was mehr in Richtung Soziales, Humanitäres geht“, sagt er. Wenn er so nachdenkt über die Qualitäten seiner acht Clowns, fällt ihm noch Stressresistenz ein. „Sie treten ja nicht im Zirkus auf, sondern sehen schwer kranke Menschen“, sagt er. Würde er Pepe fragen, würde der noch hinzufügen: „Man muss als therapeutischer Clown mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen.“ Die Idee, als therapeutischer Clown Menschen in prekären Situationen zu helfen, hat Erfolg.

Das hat sich einmal mehr gezeigt, als die Vereinigung wegen des Trägers „Objectif plein emploi“ in Schwierigkeiten geriet. Die öffentliche Unterstützung war riesig. Aufrufe auf Facebook hatten schnell viele Unterstützer. Politiker, aber auch die nationale Presse engagierten sich für den Fortbestand der „Ile aux clowns“. Das war 2013. Fünf neue Träger garantieren seitdem, dass der „frische Wind“, den die Wesen mit den roten Nasen in die Tristesse von Kliniken und Heimen bringen, weiter wehen kann. Gut so.


„Ile aux clowns“

Die Asbl. hat zehn Angestellte und ihren Sitz in den Räumlichkeiten von Servior in der rue du Vauban im Pfaffenthal. Seit 2013 sind die „Fondatioun Kriibskrank Kanner“, die Anwaltskanzlei Clifford Chance, die Firma KPMG, der Pflegedienst „Help“ und der Seniorenheimbetreiber Servior Träger von „Ile aux clowns“.

Trotzdem muss der Verein jedes Jahr Spendengelder in Höhe von 400.000 bis 500.000 Euro auftreiben. Es gibt nach eigenen Angaben keine Konvention mit einem Ministerium. 2017 haben die Clowns rund 10.000 Menschen in 25 Einrichtungen quer durchs Land besucht.

Mit einer „Porte ouverte“ am 14. September feiern die Clowns das fünfjährige Bestehen der „Ile“ in der rue Vauban.