Turbulenzen um Salvini-Anklage – Italiens Koalitionsregierung droht Streit

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Vizepremier Luigi Di Maio hat eingeräumt, dass seine Fünf-Sterne-Bewegung für eine Anklage gegen Innenminister Matteo Salvini stimmen wolle. Salvini wird Menschenraub und Hilfeverweigerung im Falle des Flüchtlingsdramas auf dem Küstenwachschiff „U.Diciotti“ vorgeworfen. Die Lega sieht in der Klage einen nicht zulässigen Angriff auf die Regierung. Inzwischen muss jedoch die ganze Regierung Mitverantwortung für den Vorfall einräumen.

Von unserem Korrespondenten Wolf H. Wagner, Florenz

Gut ein halbes Jahr nach Beginn der Ermittlungen droht das sizilianische „Tribunale dei Ministri“ – ein Justizorgan, das für die Verfolgung von Regierungskriminalität steht –, den Vizepremier und Innenminister Matteo Salvini unter Anklage zu stellen. Vorgeworfen werden dem Lega-Chef „Menschenraub“ und „erpresserische Freiheitsberaubung“ im Zusammenhang mit seiner Verweigerung, 174 Bootsflüchtlingen auf dem Küstenwachschiff „U.Diciotti“ die Anlandung auf italienischem Boden zu erlauben. Tagelang waren die ausgezehrten und zum Teil kranken Menschen im vergangenen August in den italienischen Gewässern gekreuzt.

Großspurig hatte Minister Salvini seinerzeit erklärt, man „solle ihn doch in Haft nehmen und anklagen“, er habe nur seine Pflicht erfüllt, „die Sicherheit Italiens zu wahren“. Auf die jetzt erfolgte Autorisierung der Anklage durch das zuständige Gericht gab es unterschiedliche Reaktionen. Die Koalitionspartner von der Fünf-Sterne-Bewegung ließen durch ihren Spitzenvertreter im Kabinett, Vizepremier Luigi Di Maio, erklären, sie würden in einer anstehenden parlamentarischen Abstimmung für einen Prozess gegen Salvini stimmen – der Minister habe eindeutig sein Amt missbraucht, um nicht nur Hilfsorganisationen, sondern auch die EU-Mitglieder unter Druck zu setzen, dabei jedoch das Leben der Flüchtlinge gefährdet.

Hü und hott bei den fünf Sternen

Die Replik Salvinis ließ nicht lange auf sich warten: In einem offenen Brief an die Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera erklärte der Minister, er habe im Falle „Diciotti“ zum Schutz Italiens gehandelt, wie es sein verfassungsgemäßer Auftrag war, und keineswegs als Privatperson oder Chef einer Partei. Im Übrigen sei der Beschluss, die Flüchtlinge nicht in Italien von Bord zu lassen, keineswegs nur einer des Innenministers gewesen, sondern in Abstimmung mit Regierungschef Giuseppe Conte und dem Ministerkollegen von M5S, Luigi Di Maio, gefasst worden.

Eine Nachricht, die gestern Morgen von den Sternepolitikern eingeräumt wurde. Aus der ursprünglichen Prozesszustimmung ist nun ein politisches Schwanken geworden, das in jüngerer Vergangenheit immer häufiger in jedweder Auseinandersetzung mit der Lega zu beobachten ist.

„Die veränderten Umstände legen nahe, dass wir unsere Entscheidung über die Abstimmung zugunsten eines Prozesses gegen Salvini überdenken werden“, erklärte der Sterne-Abgeordnete Emilio Carelli. Er gehe davon aus, so der Politiker in einer Morgensendung von Rai3, dass auch Premier Conte und Vize Di Maio sich im Fall „Diciotti“ selbst anzeigen müssten.

Zusätzliche Unruhe in die Debatte brachte Transportminister Danilo Toninelli: „Als Minister bin ich verantwortlich für den Transport auf See, Salvini dafür, was an Land geschieht. Die damalige Entscheidung war eine, die die gesamte Regierung getroffen hat, und als solche steht sie auch insgesamt einem Prozess zur Verfügung.“ Eine Novität in der italienischen Geschichte.

Di Maio lenkt ein

Um die politischen Spannungen in Rom zu entschärfen, lenkte Luigi Di Maio nun im Falle des Flüchtlingsschiffs Sea Watch ein. Bislang hatten lediglich Oppositionspolitiker der Demokratischen Partei, Hilfsorganisationen sowie Vertreter der katholischen Kirche aus humanitären Gründen eine Anlandung der 47 Flüchtlinge in Sizilien gefordert.

Innenminister Salvini hatte dies verweigert, Vizepremier Di Maio kündigte nun eine Landeerlaubnis an. Allerdings kritisierte der Sterne-Spitzenvertreter die NGO, sinnlos Tage in den italienischen Gewässern verbracht zu haben, statt zum Beispiel einen französischen Seehafen wie Marseille anzusteuern. „Nicht nur Italien begrenzt das nördliche Mittelmeer“, so Di Maio.

Italien und Frankreich befinden sich seit längerem im Konflikt in Fragen von Flüchtlingsaufnahme und -weiterleitung. Der jetzige Affront dürfte die Spannungen zwischen Paris und Rom kaum entschärfen.

Grober J-P.
31. Januar 2019 - 0.44

Grande Matteo, ascoltaci!