KonfliktStaaten beharren im Iran auf Transparenz – Asselborn will Diplomatie statt „totale Konfrontation“

Konflikt / Staaten beharren im Iran auf Transparenz – Asselborn will Diplomatie statt „totale Konfrontation“
US-Soldaten und Journalisten inspizieren im irakischen Anbar die Trümmer auf dem US-Stützpunkt Ain al-Assad. Der Iran hatte in der Nacht zum 8. Januar Raketen auf von US-Truppen genutzte Militärstützpunkte westlich von Bagdad und in Erbil gefeuert.   Fotos: dpa

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Nach dem verspäteten iranischen Bekenntnis zum Raketenabschuss des ukrainischen Passagierflugzeugs beharren ausländische Regierungen auf einer transparenten Untersuchung. In einem Interview warnt der Luxemburger Außenminister Asselborn vor einer Politik der Eskalation.

Nach dem verspäteten iranischen Bekenntnis zum Raketenabschuss des ukrainischen Passagierflugzeugs beharren ausländische Regierungen auf einer transparenten Untersuchung. „Wir wissen, was passiert ist. Was wir nicht wissen, ist, warum es passiert ist“, sagte am Montag die Chefin der kanadischen Verkehrssicherheitsbehörde TSB, Kathy Fox. Im Iran gingen unterdessen laut in Onlinenetzwerken verbreiteten Bildern die nach dem Eingeständnis des Raketenabschusses ausgebrochenen Proteste offenbar weiter.

Fox nannte als offene Fragen, ob der Raketenbeschuss absichtlich gewesen sei oder nicht und warum der Luftraum angesichts des dramatisch eskalierten Konflikts zwischen dem Iran und den USA offen gehalten worden war.

Die iranische Regierung hatte erst nach tagelangen Dementis zugegeben, dass die Maschine von einer iranischen Luftabwehrrakete getroffen worden war. Staatschef Hassan Ruhani führte dies auf einen „menschlichen Fehler“ zurück. Kurz vor dem Abschuss des Passagierflugzeugs am Mittwoch vergangener Woche hatte der Iran zwei von den US-Streitkräften genutzte Stützpunkte im Irak mit Raketen angegriffen.

Betroffene Staaten koordinieren sich

Am Donnerstag soll in London ein erstes Koordinationstreffen der Staaten stattfinden, aus denen bei dem Absturz Menschen ums Leben kamen. Teilnehmen werden die Außenminister von Afghanistan, Großbritannien, Kanada, Schweden und der Ukraine, wie der kanadische Chefdiplomat François-Philippe Champagne mitteilte.

Durch das Treffen solle der Druck auf den Iran aufrechterhalten werden, damit das Land den ausländischen Ermittlern vollen Zugang zum Beweismaterial gewähre und die Untersuchung transparent führe, schrieb Champagne im Internetdienst Twitter. Auch werden die Außenminister nach seinen Angaben über die angestrebten Entschädigungen für die Hinterbliebenen beraten.

Die kanadische Behördenchefin Fox sagte, es gebe Anzeichen dafür, dass der Iran ihrer Behörde bei der Untersuchung des Absturzes eine „aktivere Rolle“ zugestehen wolle, als „normalerweise erlaubt ist“. Nach ihren Angaben wurden die kanadischen Ermittler von Teheran eingeladen, an der Auswertung der Flugschreiber teilzunehmen und das Wrack zu begutachten. Die kanadische Regierung wollte vier Ermittler in den Iran entsenden. Unter den Todesopern waren 57 Kanadier.

Proteste in Teheran

Die nach dem iranischen Bekenntnis zu dem Raketenabschuss ausgebrochenen Proteste gegen die Regierung hielten am Montag offenbar den dritten Tag in Folge an. Darauf deuteten in den Onlinenetzwerken kursierende Videos hin. Sie zeigten anscheinend Demonstrationen an der Scharif-Universität in Teheran, in der Stadt Sanandadsch im Kurdengebiet und in Isfahan.

In den Videos waren Demonstranten zu sehen und hören, die Slogans gegen die Regierung und auch gegen die schiitische Geistlichkeit riefen. In den Onlinenetzwerken wurde zu weiteren Demonstrationen in den nächsten Tagen aufgerufen.

Iranische Polizei und Demonstranten stehen sich am 11. Januar vor der Amir Kabir Universität in Teheran gegenüber 
Iranische Polizei und Demonstranten stehen sich am 11. Januar vor der Amir Kabir Universität in Teheran gegenüber  Foto: STR/AFP

Bilder von den Protesten am Wochenende hatten gezeigt, dass die Sicherheitskräfte offenbar hart gegen die Proteste vorgingen. Auf mehreren Webvideos war zu sehen, wie eine Menschenmenge nahe dem Asadi-Platz in Teheran mit Tränengas auseinandergetrieben wird und die Menschen schreiend davonrennen. Ein Video zeigte eine blutende Frau auf einem Gehweg. Die Nachrichtenagentur AFP konnte die genaue Zeit und den Ort der Geschehnisse aus den Videos nicht überprüfen.

Die iranische Regierung bestritt jedoch, dass die Polizei Waffen gegen die Demonstranten eingesetzt habe. Die Sicherheitskräfte in Teheran hätten „überhaupt nicht geschossen“, weil sie einen „Befehl zur Zurückhaltung“ bekommen hätten, erklärte Polizeigeneral Hossein Rahimi.

US-Außenminister Mike Pompeo sicherte den Demonstranten die Solidarität der Vereinigten Staaten zu. Die USA stünden auf der Seite der Protestierenden, die „in berechtigtem Zorn“ nach „Freiheit und Gerechtigkeit“ riefen. Der US-Chefdiplomat beschuldigte Teheran, „alles tun“ zu wollen, um die Proteste zu beenden.

Mitte November waren im Iran landesweite Proteste gegen eine Erhöhung des Benzinpreises blutig niedergeschlagen worden. Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International wurden dabei mehr als 300 Menschen getötet.

Asselborn: „Parallelen zu 2002“

Der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn hat in einem Interview mit RTL währenddessen vor einer „gefährlichen Politik der totalen Konfrontation“ durch die USA gewarnt: Es stehe wohl kaum in europäischer oder gar luxemburgischer Macht, entsprechend Einfluss zu üben – er hoffe aber, dass die Diplomatie eine Chance bekomme, zu verhindern, dass sich der Iran weiter dem Bau von Atomwaffen annähert. Die Eingeständnisse zum Abschuss des Passagierflugzeugs deuteten darauf hin, dass auch der Iran auf Entspannung setze.

Weiterhin meldet RTL, Asselborn habe auf die Aussagen des US-Verteidigungsministers Bezug genommen. Mark Esper hatte am Montag erklärt, es habe keine konkreten Hinweise auf bevorstehende iranische Angriffe auf US-Botschaften gegeben und damit entsprechenden Erklärungen Donald Trumps widersprochen.

Asselborn weist darauf hin, dass es Kommentatoren gebe, die Parallelen zu 2002 und 2003 zögen: Damals hatten die USA angebliche Beweise für die Herstellung von Massenvernichtungswaffen im Irak präsentiert und damit die Invasion des Landes begründet. Inzwischen ist klar, dass die entsprechenden Hinweise fingiert waren. dpa/fgg

de Pol
14. Januar 2020 - 10.33

Asselborn hat recht, aber er ist der einsame Rufer in der Wüste.