Geschichte: Als in Lasauvage aus einer Wasserreserve ein Erholungsort entstand

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In Lasauvage gab es jahrzehntelang keinen Weiher mehr. Nur alte Postkarten zeigten die idyllische Aussicht mit dem früheren Gewässer. Dabei sah das anfangs gar nicht so malerisch aus.

Von Roby Fleischhauer

Der Weiher war damals entstanden, weil das Wasser „Crosnière“ oder „Réierbaach“ gestaut werden musste, um genug Energie für die Wasserräder der kleinen Schmelz-Schmiede zu bekommen. Die vielen zumeist adligen Besitzer im Tal der wilden Frau bauten den ursprünglichen Schmelzbetrieb bis ins Jahr 1877 kontinuierlich aus. Damals gab es zwei Rennfeuer („affineries“) und ein Hammerwerk zum Schmieden des Hochofeneisens. Ein Pochwerk zum Zerkleinern der Schlacken und große Blasebalge, die das Feuer im Hochofen auf die richtige Temperatur brachten. Als Antriebskraft für die Wasserräder benutzte man wie gesagt die Wasserkraft der „Réierbaach“. Dies reichte jedoch nicht aus.

In seinem Antrag für den Bau eines dritten Hochofens im Jahr 1846 erwähnt der Besitzer J.-B. Manuel einen Wasserfall von sieben Metern, der wohl nötig sei, um sämtliche Wasserräder in Bewegung zu setzen. Das vorhandene Wasser wurde zudem mehrere Male benutzt. Dazu wurde das abfließende Wasser in einem Reservebassin aufgefangen, um dann durch Kanäle zurück zum Werk geleitet zu werden. Trotzdem konnte das Werk wegen Wassermangels höchstens sechs bis zehn Monate im Jahr arbeiten. So steht es jedenfalls in „La noblesse luxembourgeoise au XVIIIe siècle“ im Kapitel „Les maîtres de forge“. Aus dieser Wasserreserve entstand dann der berühmte Lasauvager Weiher.

Bootsfahrten und diverse Spiele

Die Wasserfläche, die sich gebildet hatte, nahm ein solches Ausmaß an, dass sie besonders nach 1877 auch für Wasservergnügen genutzt wurde. Man konnte schon fast von einem kleinen See sprechen. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts flanierten sonntags viele an dessen Ufer. Bootsfahrten und Spiele wie das „jeu du tonneau“ waren ebenfalls möglich.
Es wird erzählt, dass die in Frankreich praktizierte „joute“ dort organisiert wurde. Hier stießen zwei Boote im Zweikampf aufeinander und es ging darum, den mit einer Lanze bewaffneten Gegner mit der eigenen Lanze ins Wasser zu befördern. Es gab auch eine Insel in der Mitte des Weihers, die „île des cygnes“, was darauf schließen lässt, dass es im Weiher auch damals Schwäne gab. Im Winter, wenn die Wasseroberfläche zugefroren war, war Schlittschuhlaufen angesagt.

Es entstanden jedoch auch Probleme mit dem Gewässer. Der Weiher verschlammte zeitweise und hätte eigentlich öfter gereinigt werden müssen. So im Jahre 1809, als Luxemburg das französische „Département des Forêts“ war. Der Baron Charles d’Huart war Besitzer des Werks in Lasauvage. In einem Brief machte der „préfêt“ Jourdain den Baron darauf aufmerksam, dass der inzwischen 120 x 140 Meter große Weiher furchtbar stinke und dass das der Gesundheit der Anrainer abträglich sei, besonders der Familie des Barons, die ja im Schloss nebenan wohnte. Der Baron wartete jedoch die kühlere Jahreszeit ab, um den Weiher endlich reinigen zu lassen.

In Lasauvage wohnten zu der Zeit fast ausschließlich Bergleute. In den 20er Jahren hatte die Differdinger Gemeinde den Polizisten Pierre Schmit in Lasauvage stationiert. Es herrschten zuweilen raue Sitten unter den „Mineuren“. Wenn eine Meinungsverschiedenheit auszutragen war, so wurde nicht lange gezögert. Ein Beispiel: Der Direktor der Gesellschaft „Ougrée-Marihaye“, der in den 30er Jahren die Eisenerzgalerien in Lasauvage betrieb, beklagte sich in einem Brief an den Differdinger Bürgermeister, dass Leute mit Messern aufeinander losgehen, Fenstern einschlagen und gar Sprengstoffkapseln als Waffe benutzen würden. Dadurch waren um die 40 Fensterscheiben der Werkstätten kaputt gegangen. Solche Keilereien würden vor allem nach dem Auszahlen des Lohnes entstehen.

Bewohner hatten die Nase voll

Im Jahre 1924 kam dem Differdinger Gemeinderat zu Ohren, dass sich im Weiher Leute tummelten – und zwar komplett nackt. Das fand man skandalös. Der Gemeinderat debattierte darüber und beauftragte den Polizisten Schmit schließlich mit einer eingehenden Untersuchung dieser sittlichen Verfehlung. Der Polizist bezog seinen Beobachtungsposten und bemerkte schließlich Männer, die komplett unbekleidet in den Weiher hüpften. Dieses unsittliche Benehmen ereignete sich jedoch am gegenüberliegenden Ufer des Weihers – und das gehörte zu Frankreich. Unverrichteter Dinge musste Schmit also abziehen, denn an der Stelle endete die Gewalt der großherzoglichen Polizei.

Das Vergehen blieb also ungesühnt. Im Jahre 1922 versuchte ein etwa 20-jähriges Mädchen, sich das Leben zu nehmen, indem es in den Weiher sprang – „pour mettre fin à peines“, wie es hieß. Ein Passant zögerte nicht lange, sprang ebenfalls in den Weiher und zog das Mädchen heraus. In den 50er Jahren verschlammte der Weiher komplett, weil sich niemand darum kümmerte. Er stank fürchterlich und die Lasauvager Leute hatten im wahrsten Sinne des Wortes die Nase voll. Der Weiher wurde nicht mehr gebraucht, denn die „forge de Lasauvage“ bestand schon lange nicht mehr. Er wurde zugeschüttet und es entstanden Gärten mit Viehweiden an dieser Stelle.

Doch die Einwohnerschaft der Gemeinde vermisste ihn nach geraumer Zeit, denn er hatte schließlich immer zu Lasauvage gehört. Erst nach dem Jahr 2000 entschloss sich der Differdinger Schöffenrat, ihn wieder anzulegen. Und so ist er heute wieder vorhanden, schöner denn je. Ein Spaziergang rund um den Weiher mit teilweiser Grenzüberschreitung nach Frankreich kann man nur empfehlen. Noch etwas zu den ziemlich direkten Auseinandersetzungen der Lasauvager Bergarbeiter: „Ils n’avaient pas froid aux yeux“, würde der Franzose sagen – sie sprachen ja zumeist französisch, auch wenn sie sich als Luxemburger fühlten. Das bekamen die Nazis während der Besetzung zu spüren. In dem 400-Seelen-Dorf gab es nämlich – zumindest verhältnismäßig – die meisten Resistenzler.